
Erstaunlich robust und doch so zart sind diese ungewöhnlichen Schmuckstücke: Armbänder, Halsketten, Ringe oder Broschen, kunstvoll aus Frauenhaar geklöppelt. Was aber nur bei genauem Hinsehen erkennbar ist. Einst wurden sie als Beweis der Liebe und Freundschaft geflochten und verschenkt. Heute sammelt Helmut Büschel, Vorsitzender des Sennfelder Trachtenvereins, diese filigranen Flechtwerke, die auch die Trachtenkleidung bereicherten.
Eine Taschenuhrkette aus Menschenhaar war vor über 40 Jahren der Anfang seiner Sammelleidenschaft gewesen. "Meine Schwiegermutter, die im Trachtenverein tief verwurzelt war, hat mir die Kette zum 30. Geburtstag geschenkt", erzählt der 72-Jährige. Schließlich trugen etliche Männer im Volkstrachten-Erhaltungsverein "Die Semflder" so eine Uhrkette, hatte der damalige Vereinsneuling schon bemerkt. Büschels Neugier war geweckt.

Über ein befreundetes Trachtenpaar aus dem Patenverein Neunhof, das viel auf Trödelmärkten unterwegs war, kam Helmut Büschel an weitere Schmuckstücke. Vor allem aus dem Fundus eines aufgelösten Antiquitätengeschäfts kaufte er Haarketten und -ringe, aber auch Ersatzteile wie Verschlüsse oder Zwischenstücke.
Ausstellung im Sennfelder Rathaus
Eine Ausstellung im Sennfelder Rathaus vor etwa 20 Jahren verhalf Helmut Büschel zum Kontakt zu einem weiteren Liebhaber dieser Haarkunst in Norddeutschland: Alfred Peters. Der hatte seine Sammlung nicht nur in einem kleinen Museum zusammengeführt, sondern auch ein grundlegendes Buch über "Schmuck und Bilder aus Haaren" geschrieben. Damit das "europäische Kulturerbe", wie Autor Peters es nennt, nicht verlorengeht.

Er ordnet diesen Haarschmuck als selbst in der Volkskunde vergessene Kunst ein, die einst "Ausdruck von zwischenmenschlichen Beziehungen und eines sentimentalen Zeitgeistes" waren. Denn nicht nur Haarlocken wurden früher als Zeichen der Liebe und Freundschaft verschenkt. Schon im 11. Jahrhundert ist aus England bekannt, dass adelige Damen ihre Haare in Geschenke für ihre Ritter einarbeiteten. Aber erst im ausgehenden 18. und im 19. Jahrhundert, in der Biedermeierzeit, waren Herstellung und Verschenken von Menschenhaarschmuck weit verbreitet, wurde regelrecht zur Mode: als Andenken an geliebte, aber auch verstorbene Personen.
Haarklöppeln ist eine seltene Kunst
Über Trachtenkontakte machte Helmut Büschel um das Jahr 2000 eine ältere Frau in Schwabach bei Nürnberg ausfindig, die noch die Kunst des Haarklöppelns und -flechtens beherrschte. Abgeschnittene Zöpfe, aber je nach Muster teils auch nur einige hundert lange Frauenhaare, wurden für diese Arbeit benötigt.
Die Haare wurden in heißer Sodalauge gewaschen oder mit Mehl abgerieben, der Länge nach sortiert, einzeln abgezählt und anschließend zu gleichmäßigen Strähnen zusammengebunden. Mit einem speziellen Gerät, einer sogenannten Jatte, wurde dann geflochten. Solch eine dreibeinige Riesen-Strickliesel aus Holz zählt ebenfalls zu Büschels Sammlung.

An die Haarsträhnen wurden Gewichte gehängt. Durch das Kreuzen und Wechseln der Stränge nach Vorlage eines Klöppelbriefes bildete sich nach und nach das gewünschte Muster. Sowohl runde als auch eckige und flache Geflechte ließen sich so erarbeiten. Besonders filigran sind Hohlgeflechte, von denen sich in Büschels Sammlung sowohl Ketten als auch Ohrgehänge finden. Häufig sind die Geflechte noch ineinander verschlungen oder spiralartig gedreht.
Zum Abschluss wurden die Enden zusammengebunden, das Flechtwerk zur Fixierung in heißem Wasser gekocht und getrocknet. Mit Schellack wurde das Ende des Geflechts verklebt und diese unschöne Stelle mit einer vergoldeten Fassung überdeckt. "Das meiste ist aber Schaumgold", weiß Büschel.

Unter seinen etwa 300 Sammelteilen, die er sicher verwahrt, sind manche Besonderheiten: etwa eine Haarkette in Form eines Coliers, aber auch Männerringe, üppige Armreife oder eine breite Uhrkette mit historischen Foto-Medaillons.
In der Schweiz kann man noch die Kunst des Haarschmucks erlernen
Während manche Menschen vor menschlichem Haarschmuck zurückzucken, hat Helmut Büschel da keine Berührungsängste. Er weiß um die Tradition dieser filigranen Flechtwerke und schätzt sie um ihrer Kreativität, aber auch Sensibilität gegenüber geliebten Personen willen.

Dass es in der Schweiz heute noch möglich ist, in einem Kurs die Kunst des Haarschmucks zu erlernen, hat der Sennfelder bereits eruiert. Vielleicht wird er selbst einmal daran teilnehmen, überlegt er. Auf jeden Fall aber plant er erneut eine Ausstellung mit seinen Schätzen.