
Es ist das Bild eines aggressiven, unberechenbaren Mannes, das zahlreiche Zeuginnen und Zeugen an diesem Dienstag vor der 1. Großen Strafkammer am Landgericht Schweinfurt zeichnen. Der 36-jährige Beschuldigte sei "sehr laut" und gerade in der Schweinfurter Innenstadt in der Vergangenheit immer wieder mit aggressivem Verhalten aufgefallen, sagt ein Polizeibeamter im Zeugenstand. "Ich kenne ihn bisher nur mit psychisch auffälligem Verhalten", sagt eine weitere Beamtin vor Gericht.
Die Liste an Tatvorwürfen gegen den 36-jährigen Schweinfurter ist lang. Der Mann, der an diesem ersten Verhandlungstag still und augenscheinlich gefasst neben seiner Verteidigerin sitzt, soll mehrfach gestohlen, Fahrzeuge beschädigt, einen jungen Mann vom Fahrrad gestoßen und mehrere Menschen beleidigt, angegriffen und auf sie eingeschlagen haben. Fast 15 Minuten benötigt die Staatsanwaltschaft zu Prozessbeginn allein für die Verlesung der Antragsschrift.
Es sind 18 Delikte in zehn Verfahren, die in diesem Prozess zusammengefasst gegen den Beschuldigten verhandelt werden. Stattgefunden haben sollen die Taten zwischen Mitte 2020 und Ende 2024. Es geht unter anderem um Sachbeschädigung, Diebstahl, Beleidigung, versuchte und vorsätzliche Körperverletzung in mehreren Fällen sowie Hausfriedensbruch und gefährliche Körperverletzung.
Beschuldigter leidet an drogeninduzierter Psychose
Doch die Staatsanwaltschaft sagt auch: Der Beschuldigte leide an einer drogeninduzierten Psychose. Diese sei zum Zeitpunkt der Taten derart ausgeprägt gewesen, dass er "nicht in der Lage war, das Unrecht der Taten einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln", so die Staatsanwältin. Es handelt sich bei dem Verfahren gegen ihn um ein Sicherungsverfahren.
Zahlreiche Zeuginnen und Zeugen schildern an diesem Tag ihre Erfahrungen mit dem Mann. So berichten mehrere Männer, wie der heute 36-Jährige in der Schweinfurter Innenstadt auf geparkte Autos sowie ein Motorrad eingeschlagen und getreten habe. "Er war in keiner guten Verfassung, sah aus, als hätte er eine lange Partynacht hinter sich, vielleicht mit bewusstseinserweiternden Substanzen", sagt ein Zeuge. Er habe den Beschuldigten nach einer der Taten zu Fuß verfolgt, woraufhin dieser versucht habe, ihn ins Gesicht zu schlagen.
Ein weiterer Zeuge berichtet von wüsten Beleidigungen, die ihm der 36-Jährige im Dezember 2023 offenbar ohne erkennbaren Anlass in der Ludwigstraße entgegen gebrüllt habe. "Ich will das gar nicht wiederholen. Das ist zu peinlich", sagt der Zeuge vor Gericht. Ähnliche Vorfälle schildern auch Angestellte eines Restaurants und eines Nonfood-Discounters in der Innenstadt. Der Beschuldigte soll dort mehrfach gestohlen und zwei Mitarbeiterinnen beschimpft haben.
Fahrradfahrer angegriffen – "ich dachte, der haut mir gleich eine rein"
Auch körperlich soll der 36-Jährige in einigen Fällen übergriffig geworden sein. An diesem ersten Verhandlungstag geht es dabei zunächst vor allem um den Fall eines heute 19-Jährigen. Ihn soll der Beschuldigte im Oktober 2023 am Jägersbrunnen angegriffen und von seinem Fahrrad gestoßen haben. "Ich kann mich noch erinnern, dass ich am Boden lag und er sich über mich gebeugt hat und dass ich dachte, der haut mir gleich eine rein", erinnert sich der Zeuge vor Gericht.
Der Beschuldigte verfolgt alle Aussagen an diesem Tag stumm, entschuldigt sich anschließend bei jedem und jeder Betroffenen. "Es tut mir leid. Ich entschuldige mich für mein Verhalten und meine Respektlosigkeit Ihnen gegenüber", sagt er. Die meisten Vorwürfe gibt er gleich zu Prozessbeginn zu oder schließt diese zumindest nicht aus – denn Erinnerungen daran habe er nur wenige. Es sei für ihn eine psychisch schwierige Zeit gewesen, sagt er. Mittlerweile nehme er regelmäßig Medikamente.
Dass der Beschuldigte kein unbeschriebenes Blatt ist, zeigt auch ein Blick ins Bundeszentralregister. Sechs Einträge verliest die Vorsitzende Richterin Claudia Guba – darunter Beleidigung, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, Diebstahl, Bedrohung und Körperverletzung. Generell scheint der 36-Jährige bei hiesigen Behörden zur Genüge bekannt. "Als Schweinfurter Polizist kennt man ihn auf jeden Fall", sagt ein Beamter vor Gericht.
Der 36-Jährige ist in der forensischen Psychiatrie untergebracht. Der Prozess soll nun unter anderem die Frage einer dauerhaften Unterbringung nach Paragraph 63 StGB klären. Die Verhandlung wird am 22. April fortgesetzt.
Dennoch soll er dauerhaft (!) nach § 63 StGB weggesperrt werden - das "schärfste Schwert" des deutschen Strafrechts....
Zur Erinnerung Auszug aus Interview mit Prof. Dominikus Bönsch, Leiter des psychiatrischen Bezirkskrankenhauses Lohr, Mainpost, 07.02.2025:
"Auch im Fall der Messerattacke in Aschaffenburg heißt es, der Täter sei mehrmals wegen möglicher Fremdgefährdung in die Psychiatrie gebracht und schnell wieder entlassen worden. Wie kann das dann sein?
Bönsch: Weil uns der Staat das genau so vorgibt. Die Kombination aus Gesetz und Rechtsprechung ist sehr unglücklich. Wir haben keine Handhabe, um jemanden, der nicht mehr akut fremdgefährlich ist, länger bei uns zu behalten und zu behandeln."....
Ist der Mann hier "akut" fremdgefährlich....? Offenkundig ist er dennoch in der Forensik!
Völlig unverhältnismäßig, auch wenn sich hier alle Beteiligten sichtlich bemühen, ein möglichst dramatisches Bild von diesem "lauten" Mann mit sechs Einträgen im BZR, darunter "Beleidigung..." zu zeichnen.
Und wieder stellt sich die Frage: weshalb wurde diese Maßnahme nicht gegen den Täter von Aschaffenburg beantragt und durchgeführt, nachdem er mehrere Polizeibeamte angegriffen hatte ....?