
Der Schock bei den Angestellten sitzt noch immer tief. Nachdem in der vergangenen Woche bekannt wurde, dass der Lebensmitteleinzelhändler Kaufland 350 seiner insgesamt 550 Mitarbeitenden im Zentrallager in Donnersdorf kündigen und in schlechter bezahlte Werksverträge überführen will, wenden sich Belegschaft, Gewerkschaft und Betriebsrat nun an die Politik. Etwa 80 Mitarbeitende hatten zum Neujahrsempfang der CSU im Wahlkreis Schweinfurt-Kitzingen in Grettstadt auf ihre Situation aufmerksam gemacht.
"Die Mitteilung steckt uns noch immer in den Knochen", sagte Matthias Krampe, Betriebsratsvorsitzender bei Kaufland in Donnersdorf, bei der Versammlung auf dem Parkplatz vor der TSV-Sporthalle. Gemeinsam mit ihren Familienangehörigen sowie Vertretern der Gewerkschaft Verdi übergaben die Beschäftigten den CSU-Politikerinnen und Politikern einen Brief gegen die geplante Massenentlassung im Kaufland Lager in Donnersdorf.
Das Schreiben richtet sich an den Bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder. Letzterer hätte eigentlich als Redner auf der Wahlkampfveranstaltung auftreten sollen, konnte jedoch aufgrund einer Erkältung nicht vor Ort sein.
Kaufland ignoriert offenbar Vorschläge der Belegschaft
Aus dem Schreiben, das auch dieser Redaktion vorliegt, geht hervor, dass die Unternehmensleitung Ende vergangenen Jahres Überlegungen angestellt hat, reguläre Tätigkeiten im Lager wieder über Werksverträge erbringen zu lassen. "Dies hat den Betriebsrat sehr verwundert, da die Geschäftsführung zu keiner Zeit vorher von Problemen bei der Warenversorgung der Filialen die Rede war", schreibt Krampe. Um Kündigungen durch die Einführung von Werksarbeit zu verhindern, sich aber gleichzeitig kooperativ zu zeigen, habe sich die Belegschaft daraufhin dazu bereit erklärt, die "ohnehin schon flexiblen Arbeitszeitmodelle weiter an den Bedarf von Kaufland anzupassen."

Das Unternehmen jedoch habe die Vorschläge ignoriert, so der Betriebsratsvorsitzende weiter. Stattdessen habe Kaufland zum Kahlschlag angesetzt. "Viele der Kolleginnen werden dadurch ihre tariflich gut bezahlten und abgesicherten Jobs verlieren." Die Mitarbeitenden wüssten schlicht nicht, wie es weitergehe. "Es stehen Existenzen auf dem Spiel", verdeutlichte er.
Betriebsrat fordert Politik auf zu handeln
Dabei sei es nicht so, dass die Arbeit im Lager einfach wegfiele. Das Logistikzentrum in Donnersdorf ist der einzige Standort des Konzerns, der ausschließlich Hartwaren lagert. Von dort aus sollen auch weiterhin alle rund 800 Kauflandfilialen in Deutschland beliefert werden. Nach Ansicht der Beschäftigten widerspreche es dem Betriebszweck, derartige Aufgaben an externe Subunternehmen auszugliedern. "Unsere Forderung geht an Sie und die politischen Entscheidungsträger in Bayern und im Bund, alles Mögliche für den Erhalt der Arbeitsplätze zu tun und diese Form von Werksarbeit abzuschaffen", so Krampe.
"Wir reden bei Kaufland nicht von einem Krisenbetrieb", ergänzte Verdi-Gewerkschaftssekretär Peter König. Hinter dem Lebensmitteleinzelhändler, der zusammen mit Lidl zur Schwarz-Gruppe gehört, stehe mit Dieter Schwarz der reichste deutsche Unternehmer. Dessen Privatvermögen liege laut Medienberichten bei rund 43 Milliarden Euro. Kaufland würde seinen Umsatz und Gewinn jährlich steigern. "Wir sehen nicht, dass irgendeine wirtschaftliche oder organisatorische Not vorliegt, um hier Werksarbeit einzuführen", verdeutlichte König. Eine Umstellung von Tarif- auf Werksarbeit würde für den einzelnen Mitarbeitenden 600 Euro weniger Bruttoeinkommen bedeuten.
CSU will Gespräche mit Beschäftigten und Kaufland aufnehmen
"Ein unmittelbarer und direkter Einfluss ist schwierig", erklärte Staatsminister Florian Herrmann gegenüber den Beschäftigten. Umgedreht müssten jedoch alle Unternehmen froh darüber sein, motivierte Mitarbeitende zu haben. "Wenn es irgendeine Möglichkeit hier gibt, anzusetzen, tun wir das gerne", so Herrmann, der weitere Gespräche ankündigte. Man könne zwar nicht auf wirtschaftliche Entscheidungen Einfluss nehmen, aber "zuhören und kümmern, können wir uns aber schon", fügte die CSU-Bundestagsabgeordnete Anja Weisgerber hinzu.
Offener Brief der SPD an Kaufland: Entscheidung inakzeptabel!
Derweil fordert die SPD in einem Offenen Brief das Unternehmen in Neckarsulm auf, von den geplanten Stellenstreichungen Abstand zu nehmen und "alle Alternativen zu prüfen, um die Arbeitsplätze in Donnersdorf langfristig zu sichern". Die unterfränkischen Bundestagsabgeordneten Markus Hümpfer und Bernd Rützel sowie der Landtagsabgeordnete Volkmar Halbleib nennen die Entscheidung inakzeptabel.
"Feste Arbeitsplätze mit tariflicher Absicherung dürfen nicht durch unsichere Werksverträge ersetzt werden", heißt es in dem Schreiben, das an Kaufland-Vorstand Jochen Kratz persönlich adressiert ist, weiter. Die drei Unterzeichner befürchten, dass diese Maßnahme nicht nur gravierende soziale Folgen für die betroffenen Mitarbeitenden und ihre Familien hätte, sondern auch für die gesamte Region.
In den nächsten Tagen wollen die drei Abgeordneten das Gespräch mit der Konzernspitze suchen, um "konstruktive Lösungen" zu erörtern. Bereits in der Vorwoche hatte die SPD-Fraktion die geplante Entlassungswelle am Kaufland-Standort Donnersdorf im Wirtschaftsausschuss des Landtags zum Thema gemacht. Die Staatsregierung wird darin aufgefordert, sich unverzüglich für den Erhalt der Arbeitsplätze einzusetzen und darüber dem Landtag zu berichten.