Dass ein Theaterleiter vor einer Vorstellung ein wenig nervös ist, ist normal. Doch diese Vorstellung war für Christof Wahlefeld, den seit gut einem Jahr amtierenden neuen Chef des Schweinfurter Theaters, noch mal anders als sonst: Vorfreude gepaart mit wohliger Erinnerung an die eigene Jugend, das Faible für Punkrock und eine dafür stehende ikonische Band: Green Day. "Es gibt was auf die Ohren", stimmte der Theaterleiter das Publikum ein. Genau so war's.
Auf die Ohren gab's eineinhalb Stunden Rockmusical mit den größten Hits einer der wichtigsten neuzeitlichen Punkbands, gefeiert von knapp 650 Besucherinnen und Besuchern an zwei Abenden. Stehend dargebrachte Ovationen und Begeisterungsfähigkeit sind eine Spezialität des Schweinfurter Publikums, das ist auch in der Ersatzspielstätte für das derzeit in Sanierung befindliche Haupthaus so. Neu war, dass es Wahlefeld immer besser gelingt, neue Interessenten für das Theater zu gewinnen: Der Altersschnitt bei "American Idiot" war deutlich jünger als sonst.
Wenn es dann noch so bemerkenswerte Produktionen sind, wird sich der ohnehin gute Ruf des Schweinfurter Theaters weiter verbessern. Den hat es sich über viele Jahre auch mit tollen Modern-Dance-Produktionen erarbeitet und es gilt, diesen Mut wie nun mit "American Idiot" beizubehalten.
Konzeptalbum "American Idiot" von Green Day funktioniert auch als Rockmusical
Green Day, die 1987 von Sänger Billie Joe Armstrong in der Nähe von San Francisco gegründete Band, ist bekannt für ihre Gesellschaftskritik. Das Erstaunliche an dem 2004 erschienenen und als Punk-Rock-Oper konzipierten Album "American Idiot" mit dem gleichnamigen Titelsong sowie Hits wie "Jesus of Suburbia" oder "Boulevard of Broken Dreams" ist die Zeitlosigkeit der Themen. Eine Gesellschaft, die sich uneins ist über die Richtung, die sie einschlagen will; die Medien voller falscher Nachrichten und ultrakonservativer Agenda ausgesetzt.
Die uns dazu sofort einfallenden Namen braucht es gar nicht, denn es ist traurig genug, dass der Anlass für das Album die furchtbaren Anschläge auf das World Trade Center in New York City am 11. September 2001 und die danach folgenden Kriege des damaligen Präsidenten George W. Bush waren, die Themen und Kritik aber genauso auf die Donald-Trump-Zeit übertragbar sind.
Regisseur Oliver Pauli lässt auf der Bühne nicht wie im Album einen, sondern gleich drei Protagonisten aus dem Kleinstadtmief ausbrechen und ihren Weg im Leben suchen. Der gepflastert ist von Schmerz, Drogen, Zurückweisung, Kriegstraumata, den eigenen Dämonen aus der Kindheit, am Ende aber doch für alle halbwegs versöhnlich endet.
Begleitet von einer wahrlich von Punk inspirierten Live-Band – geschickt in einem Raum neben der Bühne im Gemeindehaus untergebracht – entfaltet sich insbesondere durch die gute Lichtregie ein Green-Day-Konzertabend eingebettet in eine berührende Rahmenhandlung. Billie Joe Armstrong war schon an der am Broadway in New York City gezeigten Fassung des Stückes beteiligt und spielte sich selbst rund 50-mal.
Er würde sicher nichts gegen die Leistung des Ensembles des Theaters für Niedersachsen haben, die dem Original ziemlich nahe kommen. Vor allem die gesanglichen Leistungen von Johannes Osenberg (als Johnny), Louis Dietrich (als Will) und Samuel Jonathan Bertz (als Tunny) waren durchaus Green-Dasy-würdig. Und nicht nur der Theaterleiter fühlte sich in seine Jugend zurückversetzt.