Die Zeugin berichtet von Schlafentzug, Drogenkonsum und sogenannten "Prozessen". Überhaupt, alles sei ein "Prozess", sagt die 29-Jährige, "es geht immer darum, die Schatten zu überwinden". Die Schatten, damit meint sie die schlechten Eigenschaften, vermeintliches Fehlverhalten, an denen die Mitglieder der Gemeinschaft "Go&Change" stetig arbeiten sollten. Seit 2019 ist die junge Frau im Zeugenstand nicht mehr Teil der Gemeinschaft. Aber ihre Aussage an diesem Montag am Landgericht Schweinfurt zeichnet das Bild eines Konstruktes aus Macht, Gewalt und Sex. Und über allem – so beschreiben es gleich mehrere Zeugen – steht der Angeklagte: Kai K..
Dem 42-Jährigen, Kopf der Gemeinschaft "Go&Change" aus Lülsfeld (Lkr. Schweinfurt), wird seit Montag der Prozess gemacht. Die Staatsanwaltschaft Schweinfurt wirft ihm vierfache Vergewaltigung, drei Fälle von gefährlicher und 33 Fälle vorsätzlicher Körperverletzung vor. Im Mai 2023 soll Kai K. eine junge Frau vergewaltigt, geschlagen und bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt haben, um "Dämonen" aus ihr auszutreiben. Laut Staatsanwaltschaft bestand Lebensgefahr.
Zeugin: K. hat bestimmt, wer von wem geschlagen werden solle
Im Zentrum des ersten Prozesstages vor dem Schweinfurter Landgericht steht die Aussage der 29-jährigen Aussteigerin, die sich im vergangenen Jahr an die Staatsanwaltschaft Schweinfurt wandte. Sie wollte mit ihren eigenen Erfahrungen bei der Aufklärung mutmaßlicher Straftaten im früheren Kloster in Lülsfeld, das die Gemeinschaft bewohnt, mithelfen.
Was die junge Frau erzählt, erschüttert: Kai K. habe bestimmt, wer mit wem Sex habe, wer von wem geschlagen werden solle. Sie berichtet von mehreren Vorfällen sexueller Handlungen, die der Angeklagte von ihr verlangt habe, bei denen sie sich geekelt, die sie nicht gewollt habe. "Man spielt mit", sagt die Zeugin vor Gericht. "Ich wollte ja, dass es mir besser geht."
Wenn K. bei einem der regelmäßigen Drogen-"Prozesse" LSD oder den Ecstasy-Wirkstoff MDMA genommen habe, dann habe er sich vor den Spiegel gestellt, "die Muskeln spielen lassen". Er habe, so beschreibt es die Zeugin, das Bild vermitteln wollen, er habe "uns gerufen" und "wir sind seine Gefolgschaft".
Zum Prozessbeginn schweigt Kai K. Vielmehr lässt der 42-Jährige seine vier Anwälte zahlreiche Anträge stellen, die die Glaubwürdigkeit der 30-jährigen Frau, die ihn angezeigt hatte, mindern sollen. Und die den Fortgang der Verhandlung verzögern. Es sollen Zeuginnen und Zeugen geladen werden, die belegen sollen, wie "manipulativ" die Frau sei, welch "destruktive Verhaltensweisen" sie an den Tag gelegt habe. Sie sollen bezeugen, dass die Frau Vergewaltigungsfantasien gehabt habe, diese habe ausleben wollen und dabei "keinerlei Grenzen" gekannt habe. Und sie sollen berichten, wie sie Kai K. habe "brechen" wollen.
Verteidigung fordert Glaubwürdigkeitsgutachten zu der Frau
Und überhaupt solle ein forensisch-psychiatrisches Glaubwürdigkeitsgutachten zu ihr erstellt werden, so die Verteidigung. Erst dann solle man ihre Aussage hören. Dafür müsse man das Verfahren aussetzen. Das Gericht lehnt die Aussetzung ab; über die anderen Anträgen will es zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden. Dennoch soll die junge Frau am Montag noch nicht – wie ursprünglich geplant – aussagen.
Stattdessen sagt eine 73-Jährige aus, die die Frau nach der mutmaßlich letzten Tat kontaktiert haben soll: Es war nach 22 Uhr an jenem Mittwochabend im Mai 2023, als die 30-Jährige anrief und von Schlägen berichtete. Die Zeugin bot an, dass die junge Frau zu ihr kommen könne. Sie hatte mehrere Verletzungen im Gesicht, am Hals, am Oberkörper. "Ich habe versucht, sie zu überzeugen, ins Krankenhaus zu gehen", sagt die Zeugin. "Und, dass sie das zur Anzeige bringt."
Zeugin bestätigt Gespräch über "Dämonen" bei "Go&Change"
Am ersten Verhandlungstag berichtet auch eine 42-jährige Frau aus der Schweiz von ihren Erlebnissen in Lülsfeld. Sie erzählt von Drogenkonsum: "Die Drogen wurden angeboten" – es sei jedoch immer klar gewesen, dass man dieses "Angebot" nicht ablehnen sollte. Auch diese Zeugin bestätigt, dass innerhalb der Gemeinschaft von "Dämonen" gesprochen wurde, von denen Menschen besessen sein könnten.
Und die 42-Jährige berichtet von einem früheren Vorfall, bei dem die Geschädigte einen sogenannten "Prozess" über sich ergehen lassen musste. Kai K. soll sie dabei geschlagen und eine Bestrafung "angeleitet" haben, bei der es zu einem sexuellen Übergriff gekommen sein soll.
Der Prozess wird an diesem Dienstag mit weiteren Zeugenaussagen fortgesetzt.
Es geht insgesamt weniger um die "Ablichtung" als um die Veröffentlichung.
Wäre aber schön, wenn sich die Redaktion der Mainpost Mal dazu äußern würde.
Ist zwar schon ein eher alter Artikel, aber hier äußert sich A. Sahlender zu einer ähnlich gelagerten Frage:
https://www.mainpost.de/ueberregional/meinung/leseranwalt/warum-polizeibeamte-von-der-redaktion-unkenntlich-gemacht-wurden-art-8765555
Vlt. kann jemand von der Redaktion sich dazu äußern, wie und warum es aktuell so gehandhabt wird.
Mit freundlichen Grüßen
Claudia Schuhmann (Main-Post), Redakteurin für Presserechtsfragen