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Schweinfurt
OB Remelé: Türken in Schweinfurt eine Erfolgsgeschichte
60 Jahre Anwerbeabkommen zwischen Deutschland und der Türkei wurde mit einem großen Fest gefeiert. Warum der türkische Generalkonsul auch mahnende Worte fand.
Beim Fest zu 60 Jahre Anwerbeabkommen zwischen Deutschland und der Türkei im Rathaus-Innenhof zeigte Schweinfurts dritte Bürgermeisterin Ayfer Rethschulte (rechts) Oberbürgermeister Sebastian Remelé (von links), Generalkonsul Serdar Deniz, Zafer Yilmaz (ZF Betriebsrat) sowie Bildungsattacheé Mune Savas die Fotoausstellung mit Aufnahmen aus den 1960er-Jahren, als die ersten Migranten in der Industrie arbeiteten.
Foto: Anand Anders | Beim Fest zu 60 Jahre Anwerbeabkommen zwischen Deutschland und der Türkei im Rathaus-Innenhof zeigte Schweinfurts dritte Bürgermeisterin Ayfer Rethschulte (rechts) Oberbürgermeister Sebastian Remelé (von links), ...
Oliver Schikora
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:14 Uhr

"Es wurden Arbeitskräfte gerufen, es kamen Menschen", hat der Schriftsteller Max Frisch einmal festgestellt in Bezug auf die vor Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg geschlossenen Anwerbeabkommen. Vor 60 Jahren kamen die ersten türkischen Gastarbeiter auch nach Schweinfurt, fanden in der Industrie und in vielen anderen Bereichen Arbeit. Heute ist ihnen die Stadt Heimat. Das feierten sie auch beim vom Integrationsbeirat und der dritten Bürgermeisterin Ayfer Rethschulte organisierten Fest im Rathaus-Innenhof. 

Ein Fest der Zusammenkunft, der Integration, der Geschichten von früher und des ernst gemeinten Dankes von Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU). Er wisse, dass seine Partei gelegentlich mit dem Thema Deutschland als Einwanderungsland fremdele, so der OB. Doch mit Verweis auf seine eigene Biographie mit Wurzeln in Schwaben, Preußen, Schlesien, Holland und Frankreich betonte er, Deutschland "war und bleibt angewiesen auf Einwanderung, vor allem auch wegen des demographischen Wandels".

Gastarbeiter in Schweinfurt in allen Branchen wichtig

Das Anwerbeabkommen zwischen Deutschland und der Türkei vor sechs Jahrzehnten markiere einen "wichtigen historischen Abschnitt" in der Beziehung der beiden Länder. Natürlich sei für viele, die damals kamen, der Anfang ohne Sprachkenntnisse in einem fremden Land schwer gewesen. Aber: "Gerade in Schweinfurt ist es eine echte Erfolgsgeschichte. Was wären wir ohne Sie in den Fabriken, in der Pflege, in den Krankenhäusern, in der Gastronomie", so Remelé.

Fotoserie

54.625 Einwohner hat Schweinfurt, Menschen aus 128 Ländern leben hier, 11.229 Mitbürger haben einen ausländischen Pass. Das sind die Zahlen zum 31. Dezember 2021, die das friedliche Miteinander der Kulturen in der Stadt nur unzureichend beschreiben. 1973 lebten 3500 ausländische Mitbürger in Schweinfurt, heute geht man davon aus, dass rund 45 Prozent der Schweinfurter einen Migrationshintergrund haben, für eine Stadt dieser Größe ein ungewöhnlich hoher Wert.

Gemeinsam tolerant und aufgeschlossen Schweinfurts Zukunft gestalten

Für den OB ist die Stadt ein "Ort vieler Nationen, die gemeinsam für die Stadt und die Gesellschaft mit Aufgeschlossenheit und Toleranz arbeiten". Er wünschte den türkischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, sie mögen "nicht vergessen, wo sie herkommen", aber auch dafür sorgen, "die Wurzeln in Deutschland zu gießen", um gemeinsam die Zukunft zu bewältigen.

"Vergessen Sie nicht, wo Sie herkommen, aber gießen Sie auch Ihre Wurzeln in Deutschland."
Oberbürgermeister Sebastian Remelé.

Die Gemeinsamkeiten betonte auch der türkische Generalkonsul Serdar Deniz aus Nürnberg, der auf die drei Jahrhunderte währende Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei verwies. Die rund 3,5 Millionen türkischstämmigen Menschen in der ganzen Bundesrepublik – im Bereich des Generalkonsulats sind es rund 150.000 – hätten in den vergangenen Jahrzehnten "erheblich zum Bruttosozialprodukt" beigetragen. Und Erfolgsgeschichten geschrieben wie die Biontech-Gründer Ugur Sahin und Özlem Türeci oder die Bundestags-Vizepräsidentin Aydan Özoguz (SPD).

Der türkische Generalkonsul Serdar Deniz lobte die jahrhundertealten Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei.
Foto: Anand Anders | Der türkische Generalkonsul Serdar Deniz lobte die jahrhundertealten Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei.

Generalkonsul mit mahnenden Worten an die deutschen Behörden

Die "gemeinsame Vielfalt und Zukunft", so Deniz, sei wichtig, verbunden damit, dass die türkischstämmige Bevölkerung sich integriert, "ohne ihre eigene kulturelle Identität und Sprache abzulegen". Der Generalkonsul fand auch deutliche mahnende Worte bezüglich rassistisch motivierter Angriffe auf türkischstämmige Mitbürger in den vergangenen Jahrzehnten, verbunden mit der klaren Forderung an die deutschen Behörden, diese Bedrohung ernst zu nehmen und entsprechend zu handeln.

"Die deutsch-türkischen Beziehungen stehen auf einem sehr soliden Fundament, das durch diese Schocks nicht beeinflusst wird", so Deniz, nicht nur mit Verweis auf das furchtbare Attentat in Hanau oder die NSU-Mordserie, sondern auch auf weitere Vorfälle in diesem und im vergangenen Jahr.

Bildungsattacheé Mune Savas plädierte für gegenseitige Toleranz, Respekt und Mitmenschlichkeit. Viele der Gastarbeiter der ersten Generation fühlten sich heute in Deutschland zu Hause und hätten ihre eigene Kultur nicht vergessen. Aus Sicht von Savas sei es wichtig, auch den muttersprachlichen Türkisch-Unterricht in deutschen Schulen zu nutzen, "um die Kultur nicht zu vergessen".

Interessante Einblicke in das Aufwachsen in Deutschland, die Herausforderungen bei der Ausbildung, aber auch wie wichtig die Gastarbeiter für die Industrie in Schweinfurt waren, gab eine von Holger Laschka moderierte Diskussionsrunde mit dem früheren ZF-Betriebsratsratsvorsitzenden in Schweinfurt, Willy Dekant, der Anwältin Zehra Akcay, dem in Schweinfurt aufgewachsenen Firat Avutan, Kreisgeschäftsführer des Roten Kreuzes in Ingolstadt, sowie seiner Schwester Ayfer Rethschulte und der Ingenieurin Kevser Atalay. 

Ayfer Rethschulte brachte dabei die Geschichte der Migranten in Schweinfurt auf den Punkt: "Wir sind ein positiver Teil dieser Stadt." Dafür gab es langen Applaus.

 
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