Lenker statt Lenkrad, Sattel statt Autositz. Immer mehr Menschen steigen aufs Fahrrad um. Die Forderungen nach einem besseren Verkehrsnetz für Radfahrer wurden zuletzt auch in Schweinfurt immer lauter. Erst am Donnerstagabend ereignete sich ein tödlicher Fahrradunfall, bei dem eine 34-Jährige von einem Omnibus erfasst wurde. Am Morgen des gleichen Tages stellte die Stadtverwaltung in der Sitzung des Bau- und Umweltausschusses nun ein Radverkehrskonzept vor, das viel Anklang, aber auch Kritik unter den Stadträten auslöste.
Als ein "strategisches Werkzeug" bezeichnete Baureferent Ralf Brettin das umfangreiche Papier, welches mit Hilfe eines externen Planungsbüros angefertigt wurde. Moritz Kreisel, zuständig für die künftige Umsetzung des Schweinfurter Konzeptes, brachte dessen Anlass auf den Punkt: "Es geht darum, mehr Menschen in unserer Stadt auf das Rad zu bekommen." Schweinfurt habe als drittgrößte Stadt Unterfrankens sowie als bedeutender Wirtschafts-, Bildungs- und Wohnstandort eine "besondere Verantwortung für eine zukunftsfähige und umweltfreundlicherer Mobilität", so die Stadtverwaltung.
Fahrradstraßen und Schutzstreifen
Ein wichtiges Ziel sei die Weiterentwicklung des Alltags-Radverkehrsnetzes. Zwar stünden auch Themen wie Fahrradparken, Öffentlichkeitsarbeit und Service im Fokus, jedoch sei ein gutes Wegenetz die beste Werbung und der beste Ansporn, um mehr Menschen für das Radfahren zu begeistern. Es könne nicht nur darum gehen, Unfälle zu vermeiden, sondern auch darum, Qualitäten zu schaffen. Dies bedeute, durchgängige, möglichst gerade und umwegfreie Führungen anzubieten, auf denen sich die Mehrheit der Radfahrenden sicher fühlt.
"Wir streben eine deutliche Verbesserung für die Fahrradfahrer an", betonte Kreisel. Da es in Schweinfurt nur sehr wenige autofreie und damit eigenständige Radführungen gibt, werde das künftige Radverkehrsnetz deshalb immer eine Kombination aus eigenständigen und straßenbegleitenden Radwegen darstellen. Jedoch, so der Vorschlag, soll das neue Netz in stärkerem Maße autoärmere Alternativen anbieten. Dabei ist etwa die Rede von "Fahrradstraßen", auf denen eine Höchstgeschwindigkeit von 30 Stundenkilometern gilt und die von Radlern nebeneinander befahren werden dürfen.
Im Rahmen des Konzeptes empfahl das beauftragte Planungsbüro ebenfalls Schutzstreifen für "mittel-belastete" Straßen. Also Fahrradstreifen auf der normalen Fahrbahn, die bei Bedarf auch von Autos überfahren werden dürfen. Ein weiteres Augenmerk soll zudem auf der Querung von Hauptverkehrsstraßen und Ampel-Kreuzungen liegen. Das Konzept soll in einem Zeitraum von zehn Jahren umgesetzt werden. Dabei versah die Verwaltung die anstehenden Maßnahmen mit unterschiedlichen Prioritäten, die entweder bis 2025 oder bis 2030 umgesetzt werden sollen.
Erste Maßnahmen schon 2020
Bereits in diesem Jahr sollen zahlreiche Projekte wie etwa eine Fahrradstraße in der Gustav-Heusinger-Straße oder die Erweiterung der "Bike & Ride"-Anlage am Hauptbahnhof angegangen werden. Über die grundsätzliche Notwendigkeit des Radverkehrskonzeptes herrschte im Bau- und Umweltausschuss Einigkeit. Diskussionen gab es etwa über einen geplanten Schutzstreifen in der Ignaz-Schön-Straße. "Das ist mehr als gefährlich. Da dort vor allem viele Schüler mit dem Rad fahren, sollte die Führung besser hinter der Baumreihe bleiben", sagte etwa CSU-Stadtrat Rüdiger Köhler.
Er forderte zudem, genau wie Grünen-Stadtrat Reginhard von Hirschhausen, den Lückenschluss des Radweges in der Niederwerrner Straße als kurzfristige Maßnahme in das Programm mit aufzunehmen. Aufgrund solcher und weiterer Detailfragen taten sich die Fraktionen schwer damit, dem Konzept und damit der grundsätzlichen Beschlussfassung der Verwaltung generell zuzustimmen. "Am Ende wird man ohnehin noch über jede Maßnahme einzeln entscheiden müssen", versuchte Oberbürgermeister Sebastian Remelé zu beruhigen.
Nach längerer Diskussion über diverse kostenspielige Maßnahmen schlug Marianne Prowald (SPD) vor, in der ganzen Stadt ein Tempolimit von 30 Stundenkilometern zu verhängen. Damit würde man zur Sicherheit der Fahrradfahrer beitragen und der Umwelt etwas Gutes tun. Außerdem hielten sich die Kosten für die notwendige Beschilderung und Fahrbahnmarkierungen im Vergleich zu anderen teuren Überlegungen deutlich in Grenzen. "Wir könnten damit Vorreiter für viele andere Städte sein", so Prowald. Dem stimmte auch Grünen-Stadtrat Holger Laschka zu.
Grundsätzliche Einigkeit trotz vieler Detailfragen
Ulrike Schneider (Zukunft./ÖDP) bemängelte indes, dass es an "lange bekannten Problemstellen" wie dem Harmoniekreuz, dem Mainradweg oder dem Sennfelder Bahnhof noch immer keine Verbesserung gebe. Auch sie entwickle "eine gewisse Sympathie für den günstigen Tempo 30-Vorschlage". Trotz der unterschiedlichen Anregungen einigten sich die Ausschussmitglieder letztlich auf eine Formulierung der Beschlussvorlage, die Spielraum für Konzepterweiterungen ließ. Die Ausschussmitglieder stimmten dem Beschluss, wonach das Ziel-Netz "Radverkehr" und der Prioritätenplan als Grundlage für weitere Radverkehrsplanungen diene, einstimmig zu.
Im Anschluss behandelte der Ausschuss weitere zurückgestellte Anträge zur Radverkehrsplanung. Einem Antrag der Grünen, proschweinfurt und FDP aus dem Jahr 2019, wonach die Radwege bei der Neugestaltung der Zehntstraße in rotem Asphalt ausgeführt werden sollten, stimmten 14 von 15 Ausschussmitglieder zu. Dagegen wurde ein Grünen-Antrag, wonach innerstädtische Vorrangrouten im Radnetz der Stadt bei jedem Neubau und jeder Erneuerung der Straßendecken generell farblich gekennzeichnet werden sollen, mit acht zu sieben Stimmen abgelehnt.