
Den hämmernder Bass spüren, zwischen Lichtern und Nebel mit der tanzenden Menge verschmelzen und sich erst in den frühen Morgenstunden wieder ausspucken lassen – es ist dieses Gefühl, das jedes Wochenende unzählige Feierwillige in die zahlreichen Würzburger Clubs zieht.
Während das Würzburger Partyvolk nach durchzechten Nächten jedoch meist nur wenige Meter nach Hause laufen muss, machen sich jedes Wochenende wieder Partywillige aus Schweinfurt im Auto oder Zug auf den langen Heimweg.
Keine Seltenheit und auch kein Wunder, sagt der Gochsheimer Daniel Schüll – denn dieses Partygefühl fänden sie in ihrer Heimatstadt kaum noch. "Wir wissen: Die Schweinfurter sind hungrig – auch weil sie jetzt das Pure nicht mehr haben und dann eigentlich nur noch das Suzie bleibt", sagt der 25-Jährige, der hauptberuflich als Innenarchitekt in Würzburg arbeitet. "Viele fahren am Freitag und Samstag extra nach Würzburg oder Bamberg, um dort richtig zu feiern. Das wollen wir ändern", sagt der Gochsheimer.
Die Freundesgruppe 2nd Family eröffnet das Ensō
Wir – damit meint Schüll sich und das Kollektiv "2nd Family". Ursprünglich eine Gruppe aus etwa zehn Freundinnen und Freunden, zählt die "Initiative für Elektronische Musik in Schweinfurt" mittlerweile über 30 Mitglieder, die vor allem eines vereint: "Wir haben alle diese Leidenschaft für Elektronische Musik, fürs Auflegen und fürs Partymachen", sagt Schüll.

Zusammengefunden habe sich die Truppe zu Coronazeiten, als zeitweise nur Feiern im privaten Rahmen erlaubt waren. "Eigentlich hat alles in einer Gartenhütte begonnen", erinnert sich der 25-Jährige. Mit Lockerung der Maßnahmen seien die anfänglich kleinen, privaten Techno-Partys in heimischen Gärten schnell gewachsen – fanden bald auch in Clubs wie dem Würzburger "Airport" statt. Eine Frage habe die gebürtigen Schweinfurter jedoch nicht losgelassen: "Warum machen wir das eigentlich nicht in Schweinfurt?"
Partys und neues Leben im ehemaligen "Club 360 Grad" und "Megadrom"
Wenige Monate später steht Daniel Schüll am Lichtpult im ehemaligen Club 360 Grad im Gebäude der 2012 abgebrannten Diskothek Megadrom. Grinsend hält er einen Knopf gedrückt, Nebel breitet sich mit einem Zischen auf der noch leeren Tanzfläche aus.
In wenigen Tagen sollen sich hier Feierwütige aus Schweinfurt und der Region zu elektronischen Beats drängen, tanzen, feiern. Denn am Samstag, 22. April, öffnet offiziell das "Ensō" seine Türen. Als eine Mischung aus Eventlocation und Nachtclub soll es die Schweinfurter Partyszene wachrütteln.
"Mit dem Ensō wollen wir Schweinfurt wieder attraktiver für das Nachtleben werden lassen. Die Schweinfurter sollen wieder etwas haben, wo sie abends feiern gehen können", sagt Daniel Schüll. Seit Mitte März hat er gemeinsam mit dem Kollektiv "2nd Family" die Räume in der Adolf-Ley-Straße gemietet.

Wirklich neu ist ihm die Location aber nicht. Schon länger tritt Schüll gelegentlich als Veranstalter und DJ auf, in der Vergangenheit habe er hier unter anderem einige der "Kollis", die bekannten Schweinfurter Oberstufenfeiern, organisiert. Seit fast 13 Jahren steht der 25-Jährige bereits hinter dem DJ-Pult, legt neben seiner 40-Stunden-Woche als Innenarchitekt auch bei Hochzeiten und dem Schweinfurter Radiosender "Radio Hashtag+" auf.
Gemeinsam mit der "2nd Family" habe er seit November 2022 im ehemaligen Club 360 Grad bereits rund eine Handvoll Techno-Partys veranstaltet. Ein enormer Aufwand, denn die Räume habe er damals nur tageweise gemietet. Getränke, Technik, Ausrüstung – alles musste angeliefert und wieder abtransportiert werden. "Es war ein hoher Aufwand, aber da haben wir gesehen: Es funktioniert, die Feiern waren extrem gut besucht", sagt Schüll. Das käme nicht von ungefähr: "Techno erlebt generell und auch in Schweinfurt gerade einen wahnsinnigen Hype, und das wird weiter zunehmen", sagt Schüll.
Das wolle man sich im "Ensō" nun zu Nutze machen und die Location zu dauerhafter Größe im Schweinfurter Nachtleben führen. "Wir wollen dieses besondere Würzburger Feeling auch nach Schweinfurt holen", sagt Schüll. Er sei der Unternehmer und organisatorische Kopf hinter dem Unterfangen.
Dass das "Ensō" aber eigentlich ein Gemeinschaftsprojekt ist, soll sich schon im Namen widerspiegeln. Der Begriff stammt aus dem Japanischen und bedeutet Kreis. Für die kreisrunde Eventlocation schon alleine deshalb ein passender Name, findet Daniel Schüll. Doch auch die tiefere Bedeutung hinter dem Symbol der japanischen Kalligraphie passe sehr gut zu dem Projekt. "Ensō beschreibt auch dieses Gemeinschaftliche, das Miteinander, das Familiäre und das Loslassen des Alltags – also genau das, was wir hier leben wollen", sagt der Gochsheimer.
Techno, Latin Music, Hip Hop sowie Ü30- und Ü40-Feiern geplant
Im "Ensō" wolle man nun weg vom Konzept des klassischen Clubs mit festen wöchentlichen Öffnungszeiten. "Wir wollen mehr diesen Eventcharakter, also zwei- oder dreimal im Monat Veranstaltungen, zu denen wir größere Acts aus allen Regionen Europas einladen. Auf diese Weise wollen wir das Besondere nicht verlieren", sagt Schüll.
Auf der Buchungsliste stünden unter anderem Anna Reusch, Mathias Kaden, Klanglos und A.D.H.S. –alles Namen, die in der Techno-Szene bekannt seien. "Wir wollen in alle Richtungen breit aufgestellt sein – von House, Progressive House oder Tech House, was die Schweinfurter sehr gerne haben, bis zu diesem knackigen, harten Techno, den vor allem die Jüngeren mögen", sagt Schüll.

Besonders wichtig sei ihm jedoch, nicht nur Techno-Fans abzuholen. Neben Partys zu elektronischer Musik soll es deshalb auch Ü30- und Ü40-Veranstaltungen sowie Abende mit "All Mixed Up", Hip Hop oder Latin Music geben. Geht das Konzept auf, stehe auch schon der nächste Traum in den Startlöchern: eine Open-Air-Veranstaltung gemeinsam mit anderen Schweinfurter Kollektiven.
"Das wäre so ein kleiner Traum", gesteht Schüll. "Das gibt es in Schweinfurt so noch nicht und wir hoffen, uns mit 'Ensō' dafür einen Puffer erarbeiten zu können."