
Öffentlich bislang kaum wahrgenommen hat die Stadt Gerolzhofen mit Johanna Kassner seit einigen Wochen eine Jugendpflegerin, die auch das städtische Jugendhaus an der Ecke Bahnhofstraße/Dreimühlenstraße leitet. Dieses ist vorerst zwar noch geschlossen. Doch Mitte September, nach den Sommerferien, soll es wieder öffnen, kündigt die Leiterin an, deren Arbeitsvertrag mit der Stadt seit 15. April läuft.
Damit wird sich, wenn auch später als erhofft, ein Wunsch von Kurt Rienecker erfüllen. Dieser hatte bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand im April 2023 das Jugendhaus 33 Jahre lang geleitet. Er sprach sich dafür aus, die Einrichtung nicht für immer zuzusperren, sondern zeitnah wieder mit Leben zu füllen. Zugleich hatte Rienecker prophezeit, dass es nicht leicht werden würde, nach der Vakanz wieder Jugendliche zu finden, die dieses Angebot der offenen Jugendarbeit annehmen werden.
Dass ein Neustart und kein "Weiter so wie bisher" notwendig ist, ist Kassner klar. Dies wäre auch nicht ihr Ziel gewesen. Sie ist gerade dabei, ihre Master-Arbeit im Studiengang Soziale Arbeit an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt abzuschließen. Der Titel ihrer Arbeit, mit deren Abgabe Ende Juli sie ihr Studium beenden wird, könnte für ihre erste Arbeitsstelle kaum passender sein: "Konzeption für ein moderneres Jugendzentrum in Gerolzhofen".

Hauptamtliche sind selten
Kassner ist davon überzeugt, dass Jugendhäuser sehr relevant sind, "gerade für den ländlichen Raum". Dort gebe es kaum Hauptamtliche in der Jugendarbeit. Die Stadt Gerolzhofen, die ihr, wie schon ihrem Vorgänger, eine 30-Stunden-Stelle bezahlt, nehme eine Vorreiterrolle für vergleichbare Kommunen ein, findet die neue Stadtjugendpflegerin.
Gerolzhofens Bürgermeister Thorsten Wozniak spricht von einer "großen Mehrheit" im Stadtrat, die sich dafür ausgesprochen habe, die Vakanz im Jugendhaus zu beenden und im verabschiedeten, aktuell gültigen Stellenplan eine Jugendhaus-Leitung vorzusehen. In der Vergangenheit haben einzelne Mitglieder des Stadtrats immer wieder hinterfragt, ob ein kommunales Jugendhaus überhaupt noch zeitgemäß sei und die Stadt sich solch ein freiwilliges Angebot leisten möchte.
Kassners Stellenbeschreibung beschränkt sich nicht auf die Leitung des Jugendhauses, das ab September regelmäßig mittwochmittags für einen Teeny-Treff sowie donnerstags und freitags von 17 bis 22 Uhr und bei Bedarf am Wochenende geöffnet sein soll. Die 29-Jährige ist auch für eine mobile Jugendarbeit zuständig. Sie wird Jugendliche an deren Treffpunkten in Gerolzhofen aufsuchen und sie auch einladen, ins Jugendhaus zu kommen. "Jugendarbeit soll dadurch sichtbarer gemacht werden", verspricht sich der Bürgermeister davon.
Jugendliche sind Experten
Die Jugendhausleiterin sieht sich als diejenige, die für die Jugendlichen (Hauptzielgruppe sind die Zwölf- bis 18-Jährigen) bereitsteht, um für diese "möglich zu machen, was geht". Für die studierte Sozialpädagogin mit abgeschlossenem Bachelor steht fest: Die Heranwachsenden selbst sind die "Experten ihrer Lebenssituation". Sie bräuchten niemanden, der ihnen erkläre, was sie machen sollen – allerdings mitunter Hilfe, wenn's ans Umsetzen von Ideen geht.

Die Angebote im Jugendhaus möchte Kassner flexibel gestalten, sie sollen an den Bedürfnissen der Besucherinnen und Besuchern orientiert sein. Zum Start soll das Haus mit deren Hilfe aufgehübscht und zum Teil neu ausgestattet werden.
"Offene Jugendarbeit heißt für mich offene Jugendarbeit", antwortet Kassner auf die Frage, welche Hauptzielgruppe sie im Jugendhaus sehen möchte. Ihr sei jede und jeder willkommen. Besonderen Wert lege sie darauf, Minderheiten und deren Wert als wichtigen und schönen Teil der Gesellschaft "sichtbar zu machen". Als Beispiel nennt sie Menschen mit Migrationshintergrund und welche, die sich als Teil der LGBTQIA+ Community sehen. "Jeder Mensch ist wertvoll, jeder Mensch hat es verdient, mit Respekt behandelt zu werden", so Kassner.
Einladung zum Jugendforum
Aus diesem Verständnis eines, für alle offenen Jugendhauses heraus, in dem Vielfalt lebt, hofft sie auch, jungen Menschen soziale Kompetenzen und Kompetenzen in der Kommunikation miteinander vermitteln zu können. Grundsätzlich, so nimmt sie es wahr, seien Jugendliche heute wieder politischer und würden sich einmischen, wenn es um Fragen geht, die die Gesellschaft und Umwelt betreffen. Insoweit würde es Kassner freuen, wenn das Jugendhaus zu einem Sprachrohr der Jugend in der Stadt werden würde. Sie sehe sich da auch als Vermittlerin in Richtung Stadtrat.

Doch zunächst einmal lädt sie alle Zwölf- bis 18-Jährigen in der Stadt zum Jugendforum am Freitag, 7. Juni, um 19 Uhr im Bürgerspital ein. Ziel sei es, von Anliegen und Ideen junger Menschen zu erfahren. Wie kann Gerolzhofen attraktiver werden, wo muss es sich entwickeln? Hierbei kann es auch um Angebote im Jugendhaus gehen. Die Ergebnisse des Jugendforums werden gesammelt und von Stadt und Stadtrat "abgearbeitet", verspricht Bürgermeister Wozniak.