Am Morgen des 26. Februars 2024 ist ein Auto vom Norma-Logistikzentrum kommend auf die Staatsstraße (St) 2272 zwischen Gerolzhofen und Alitzheim eingebogen. Dabei nahm die Autofahrerin einem jungen Kraftradfahrer, der stadteinwärts fuhr, die Vorfahrt. Der 17-Jährige krachte auf das Auto und verletzte sich schwer.
Einen schweren Unfall just an dieser Stelle hat Arnold Böhm geradezu kommen sehen. Bereits Monate zuvor hatte er unter anderem der örtlichen Polizeidienststelle sowie der Stadt Gerolzhofen von gefährlichen Verkehrssituation an dieser Stelle berichtet. Er selbst und andere hätten miterlebt, wie Lastwagen teilweise ohne Rücksicht auf sich nähernde Fahrzeuge auf die St 2272 abbiegen würden. Nur durch teils scharfe Bremsmanöver seien Unfälle vermieden worden.
Um die Lage zu entschärfen, forderte Böhm bereits damals: ein Stopp-Schild an der Auffahrt zur St 2272, vom Logistikzentrum kommend, und vor allem eine Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf der Straße im Bereich zwischen dem Birkenhof und dem Ortsschild.
Doch ganz so einfach sind diese Forderungen aus Sicht der zuständigen Behörden nicht umzusetzen. Es seien Regeln zu beachten.
Gibt es im Bereich der Ein- und Ausfahrt zum Logistikzentrum Sicherheitsmängel?
Nein, sagt das Staatliche Bauamt Schweinfurt, das für den Unterhalt der Straße zu sorgen hat. Der Knotenpunkt, einschließlich Linksabbiegespur, sei "richtlinien- und regelkonform" angelegt. Auch alle Anforderungen bezüglich der geforderten Sichtweiten seien erfüllt, heißt es. Insoweit existieren keine Anhaltspunkte, die ein Tempolimit in diesem Bereich rechtfertigen würden.
Welche Behörde entscheidet über ein Tempolimit?
Die Anordnung von Geschwindigkeitsbeschränkungen sowie weiterer verkehrsrechtlicher Maßnahmen auf Staatsstraßen ist Aufgabe der Unteren Verkehrsbehörden, in diesem Fall also des Landratsamtes Schweinfurt.
Welche Voraussetzungen müssen für ein Tempolimit erfüllt sein?
Nach Angaben des Landratsamtes Schweinfurt dürfen Geschwindigkeitsbeschränkungen nur in Ausnahmefällen angeordnet werden. "Dies setzt zwingend eine konkrete Einzelfallprüfung voraus", lautet die ergänzende Auskunft. Um Verkehrszeichen aufzustellen, seien besondere Umstände "zwingend erforderlich". Besondere örtliche Verhältnisse könnten etwa eine Gefahrenlage darstellen und solche Maßnahmen rechtfertigen.
Sind solche Voraussetzungen im Bereich des Logistikzentrums erfüllt?
Die befragten Behörden stellen unisono fest: Nach derzeitigem Kenntnisstand sind die Voraussetzungen für Einschränkungen des fließenden Verkehrs nicht erfüllt. Entscheidend sei hierbei neben den äußeren Gegebenheiten, wie dem Umstand, dass der Streckenverlauf problemlos einsehbar ist, die Frage, ob es sich um eine Stelle handelt, an der gehäuft Unfälle auftreten. Und dies sei bisher nicht der Fall, teilt das Landratsamt mit. Auch der Unfall Ende Februar sei nach Aussage der Polizei nicht auf eine fehlende Geschwindigkeitsbeschränkung zurückzuführen. Unfallursache war laut Polizei die Missachtung der Vorfahrtsregel, teilt das Landratsamt mit.
Wer erkennt sogenannte Unfallhäufungsstellen und beurteilt die Gefahrenlage?
Dies ist die Aufgabe der Unfallkommission, die anlassbezogen, etwa nach schweren Unfällen, Verkehrssituationen vor Ort in begutachtet. Der Kommission gehören unter anderem Vertreterinnen und Vertreter von Polizei, Verkehrsbehörde und Straßenbaulastträger an. Sie wird sich, wie das Landratsamt bekannt gibt, auch mit dem Unfall vom 26. Februar auseinandersetzen. "Im Rahmen dieser Prüfung wird der Unfall analysiert, um festzustellen, ob bauliche, verkehrsrechtliche und/oder verkehrspolizeiliche Maßnahmen erforderlich werden", kündigt die Verkehrsbehörde an. Wann dies der Fall sein wird, wird nicht mitgeteilt. Doch in der Regel werden schwere Unfälle zeitnah unter die Lupe genommen.
Wie steht die Stadt Gerolzhofen zu einem Tempolimit?
Auf Anfrage dieser Redaktion teilt Bürgermeister Thorsten Wozniak mit: "Grundsätzlich wäre ich persönlich für mehr Tempolimits, auch innerorts." Aber es seien immer rechtliche Grundlagen zu beachten. Hier vertraue er den Experten der zuständigen Behörden. Auch Mitarbeitende der Stadt hätten die Verkehrssituation am Norma-Logistikzentrum nach dem Unfall mit dem Kraftradfahrer besichtigt, und er selbst habe mit der Verkehrsbehörde darüber gesprochen.
Kann die Stadt ein Tempolimit einfordern?
Nein, sagt der Bürgermeister, die Stadt könne höchstens darum bitten. "Rein formell werden wir um Überprüfung der Situation bei der Einfahrt zum Norma-Logistikzentrum bitten; ich weiß aber bereits, dass die Situation betrachtet wird", erklärt Wozniak.
Wie schaut die Situation am Ortseingang von Mönchstockheim kommend aus?
Die nur wenige Hundert Meter Luftlinie entfernte gleicht der am Ortseingang von Alitzheim kommend. An der dort verlaufenden St 2275 wird in absehbarer Zeit ein Logistiklager des Unternehmens Schäflein seinen Betrieb aufnehmen. Und auch dort gibt es kein Tempolimit, seitdem vor kurzem die dort etliche Jahre stehenden Verkehrszeichen abgebaut worden sind. Die Verkehrszeichen wurden nach Auskunft des Staatlichen Bauamts in Absprache mit der zuständigen Verkehrsbehörde und der Polizei entfernt, weil bei der Neubeschilderung und -markierung des Einmündungsbereichs in das Industriegebiet die rechtlichen Voraussetzungen für eine Geschwindigkeitsbeschränkung nicht vorlagen.
Weshalb wurde das Tempolimit an der Behelfszufahrt zu den Aussiedlerhöfen nicht eingerichtet?
Der Stadtrat hatte sich diese Maßnahme an der St 2275 im Juli 2023 gewünscht, um die Verkehrssicherheit im Zuge der Bauarbeiten im Industriegebiet zu erhöhen. Die Verkehrsbehörde wurde eingeschaltet. Im Ergebnis führte dies laut Bürgermeister Wozniak dazu, dass man sich entschieden habe, statt eines Tempolimits von 70 Kilometern pro Stunde ein Verkehrszeichen aufzustellen, das vor Linksabbiegern warnt. Dies verdeutliche die Gefahr nach Einschätzung der Verwaltung besser als eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf offener Strecke. Dieses Warnschild werde in einigen Monaten, sobald der Straßenbau im Industriegebiet beendet ist, wieder abgebaut. Dann ist auch hier wieder Tempo 100 bis zum Ortsschild zulässig.
Dass die zuständigen Behörden immer Probleme haben, an Einmündungen die Geschwindigkeit zu begrenzen?
Wenn man bedenkt, wo Geschwindigkeiten offenbar "grundlos" beschränkt werden.
Dabei ist es hier doch einfach, oder?
Einfahrende Lkw, und vorallem in der Häufigkeit, sind immer ein Problem, da sie eben langsam und schwerfällig sind.
Und, wie richtig bemerkt, ein paar Meter entfernt beginnt/endet Tempo 50.
Was also spricht gegen Tempo 70? Was spricht gegen Kontrollen der Polizei in Hinblick auf "Vorfahrtsverletzungen"?
Ganz einfach - es sind der Egoismus auf beiden Seiten - "Platz da, ich komme" - und der schwerfällige Bürokratismus.
Was die Straße nach Mönchstockheim betrifft, sollte die Stadt die Füße stillhalten. Das hat die Stadt selber verbockt und sollte sie auch auslöffeln.
Von der zu erwartenden Gewerbesteuer einer Lagerhalle sollte doch ein gefahrloser Alternativweg zu den Höfen möglich und bezahlbar sein, oder?
Wenn ich mir den westlichen Landkreis Würzburg anschaue, speziell die B8 und 2298, scheint mir, dass diese Beschränkungen anscheinend nach persönlichem Empfinden verteilt werden,