Nichts tun ist ab heute verboten!" Diese Ansage macht Mobilitätsexpertin Katja Diehl am Ende der gut zweistündigen Veranstaltung zur Mobilitätswende den Schweinfurterinnen und Schweinfurtern. Die Arbeitsgruppe "Klimafreundliche Mobilität" der Lokalen Agenda 2030 hatte die Mobilitätsexpertin und Bestsellerautorin im Rahmen der Europäischen Mobilitätswoche nach Schweinfurt geholt, wo sie vor rund 60 Interessierten in der Rathausdiele ihr neues Buch "Raus aus der Autokratie" vorstellte und im Anschluss mit dem ZF-Betriebsratsvorsitzenden Oliver Moll sowie Verdi-Bezirksgeschäftsführerin Marietta Eder über die spezielle Arbeitsplatzsituation in Schweinfurt aufgrund der Mobilitätswende diskutierte.
Gerne hätte Katja Diehl Oberbürgermeister Sebastian Remelé einen Tipp gegeben, was er für eine zukunftsgerichtete Mobilität in Schweinfurt tun könnte. Doch der Rathauschef befand sich nicht unter den Zuhörerinnen und Zuhörern: "Das ist sehr enttäuschend." Denn es brauche mutige Entscheider, um die Hürden der Verkehrswende auf gesellschaftlicher, politischer und systemischer Ebene zu überwinden.
Warum geschieht nichts? Warum kommen wir nicht voran, obwohl wir das Wissen für eine nachhaltige Mobilität besitzen? Auch Schweinfurt hinkt im Vergleich mit anderen Städten hinterher. Über 100 Interviews hat Katja Diehl mit Menschen geführt, die bereits an der Transformation arbeiten. In ihrem daraus entstandenen Buch zeigt sie, wie abhängig viele deutsche Städte vom Auto sind und fordert mutige Schritte für die Mobilitätswende.
Der Verkehr und die Mobilität sollten vor allem aus dem Blickwinkel der Inklusion und Barrierefreiheit betrachtet werden, verweist Katja Diehl auf Menschen, die kein Auto fahren können oder wollen oder es sich nicht leisten können. Mit ihrem Buchtitel "Autokratie" will die Autorin darauf aufmerksam machen, dass auf der Straße alles dem Auto unterworfen sei. "Wir sollten raus aus der Autokratie und rein in die Demokratie, damit es allen gut geht." Und sie fordert auf, aktiv zu werden. "Wir haben alle eine Verantwortung, auch kleine Dinge können Großes bewirken."
Verkehrswende als Chance für die Industrie?
Doch wie kann in der Industriestadt Schweinfurt eine barrierefreie Mobilität gelingen, ohne dass tausende von Arbeitsplätzen verloren gehen. Autozulieferer ZF will deutschlandweit bis Ende 2028 bis zu 14.000 Arbeitsplätze – also rund jede vierte Stelle – streichen. Am Werksstandort Schweinfurt, der mit rund 9000 Beschäftigten vor allem auf die Elektromobilität ausgerichtet ist, fürchten die Arbeitnehmervertreter einen Wegfall von bis zu 2000 Jobs bis 2028. Aktuell werden dort bereits 380 Stellen bis Ende des Jahres gestrichen.
ZF-Betriebsratsvorsitzender Oliver Moll sagt: "Wir müssen uns neu erfinden." Das Neugeschäft Elektromobilität könne die Verluste nicht ausgleichen und das Altgeschäft reiche nicht mehr aus.
Katja Diehl sieht gerade in der Verkehrswende eine Chance für ZF. Denn die Komponenten und Systeme für die E-Mobilität würden nicht nur für den Pkw gebraucht, sondern auch für Nutzfahrzeuge und Busse. "Ihr könntet eine totale Hilfe in der Mobilitätswende sein", glaubt sie.
Verdi-Bezirksgeschäftsführerin Marietta Eder verweist auf den Bedarf an Busfahrern, den die Mobilitätswende erfordern werde. Bei den Stadtwerken werde dieser groß sein, prognostiziert sie. Es gehe nicht darum, das Auto abzuschaffen, sondern eine Mobilität zu ermöglichen, die für alle da ist. Ihr Statement: "Ja zur Industrie, aber was wir bauen, darüber sollten wir nochmal nachdenken."
ZF-Betriebsratsvorsitzender Oliver Moll erkennt mit Blick auf nachfolgende Generationen: "Wir brauchen bei der Mobilität mehr Nachhaltigkeit." Die Betriebe müssten ihr Produktportfolio nochmal durchforsten und entsprechende Lösungen anbieten.
Katja Diehl hat in der Podiumsdiskussion herausgehört, dass "ganz viel Kraft" für die Industrie in Bus und Bahn steckt. "Wir brauchen keine krassen Elektro-SUVs, die nur das Ego aufpumpen", sagt sie. Busse seien die Zukunft für alle. ZF sieht sie dabei als "Swingman", eine Lösung zu schaffen.
Aus Parkflächen Radwege machen
Auch die Kommunen sieht Katja Diehl in der Pflicht. Sie sollten "alles oberflächige Parken" abschaffen und die freigewordenen Flächen entlang der innerstädtischen Straßen mit Farbe und Bollern zu Fahrradwegen deklarieren. Für die Autos gebe es genug Stellplätze in den Parkhäusern und Parkplätzen an der Peripherie. "Das ist nicht teuer, das kostet nur den Mut, es zu tun."
Am Ende verrät die Mobilitätsexpertin auch, welchen Tipp sie Oberbürgermeister Sebastian Remelé gegeben hätte: "Ich hätte ihm gesagt, er soll sich einmal im Rollstuhl oder mit dem Kinderwagen durch Schweinfurt bewegen." Denn wenn man mal eine andere Perspektive bei der Betrachtung der Lebensqualität seiner Stadt einnehme, entstünden auch Visionen für eine zukunftsgerechte Mobilität.
Agenda-Sprecher Manfred Röder, der den Oberbürgermeister bei noch keiner Veranstaltung der von Ehrenamtlichen organisierten Europäischen Mobilitätswoche in Schweinfurt gesehen hat, will sich nicht mehr auf die Politik verlassen. "Wir müssen uns selbst einsetzen", ist sein Appell an die Gesellschaft für eine nachhaltige Verkehrswende.
Ich zitiere aus der Schubert-Messe: "Wohin soll ich mich wenden?
Konkret: Wo und wie kann ich die Besteller-Autorin bestellen ?
90% der Autos auf Schweinfurts Straßen haben aber genau einen Insassen. Hier ist der Flächen und Ressourcenverbrauch pro Kopf gesehen ungleich höher.
Auch Ihr Argument mit den Einkaufszentren auf der grünen Wiese ist leider so nicht richtig. Genau die fußgängerfreundlichen Innenstädte mit hoher Aufenthaltsqualität haben sich als äußert resilient erwiesen und passen sich schneller an neue Einkaufsgewohnheiten und Bedürfnisse an.
In der Stadtgalerie gibt es mehr als genug Parkplätze und trotzdem so viel Leerstand.