Schweinfurts Oberbürgermeister Sebastian Remelé strahlte am Dienstagnachmittag wie ein Honigkuchenpferd. Die Stimme deutlich heißer nach rund zwei Stunden beim Faschingsumzug auf dem ESKAGE-Wagen, mit Kamelle-Schmeißen und zahllosen Helau-Rufen, aber einen Satz brachte er noch heraus: "Die Stimmung hier ist saugut. Schweinfurt ist eine Faschingshochburg."
Stimmt, denn bei idealem, trockenem Winterwetter und Sonnenschein kamen die Närrinnen und Narren tatsächlich in Scharen und sorgten für einen neuen Rekord: Geschätzt 25.000 standen dicht gedrängt in mehreren Reihen entlang der zwei Kilometer langen Strecke, die vom Spitalseeplatz am Theater vorbei über den Zeughausplatz, Bauerngasse, nördlicher Marktplatz, Roßmarkt und Spitalstraße wieder zum Marktplatz führte. Die After-Show-Party am Marktplatz mit DJ dauerte bis in die Abendstunden.
Sorgen um die Zukunft der Bauern und der Schweinfurter Innenstadt
Knapp 40 Wagen und Gruppen waren unter der Regie der beiden Zugmarschalle Erich Valtin und Marc Blüml dabei. Und der Schweinfurter Umzug war in diesem Jahr politischer denn je. Zwei Themen waren beherrschend: Schweinfurter Lokalpolitik und die Politik der Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP im Bund.
Die Schweinfurter Lokalpolitik war seit Jahren mal wieder Thema eines eigenen Wagens. Die Wirtschaftsjunioren beteiligten sich zum ersten Mal am Umzug und hatten eine klare Botschaft an den Oberbürgermeister, seine Verwaltung und den Stadtrat: Eine jahrelange Sperrung der Maxbrücke, wenn diese in einigen Jahren abgerissen und neu gebaut werden muss, ist keine gute Idee.
Allerdings hatten die Wirtschaftsjunioren gleich eine sehr passende Idee, wie man das Problem, das die lokale Politik seit Jahren beschäftigt, lösen kann: Sebastian Remelé als Gondoliere. Der Wagen war in Form der Rialto-Brücke in Venedig gestaltet, links das Konferenzzentrum, in der Mitte der Main mit dem OB als Fährmann und rechts das Museum Georg Schäfer. Der Spruch: "Ohne Brücke, ohne Fähre, werden wir zum Gondoliere."
Leider verfing der lokalpolitische Hintersinn dieses Wagens nicht ganz bei der Jury, die die besten Gruppen und Wägen am Faschingszug auszeichnete. Einen Preis bekamen die Wirtschaftsjunioren nämlich nicht, dafür zwei Wägen mit klaren politischen Botschaften, dem Zeitgeist der vergangenen sechs Wochen entsprechend.
Als bester Wagen ausgezeichnet wurde der Karnevalsverein Oberwerrn mit seinem Mottowagen "Titanic". Zweite wurden Disco Disco Unterspiesheim mit einem sehr aufwändigen Wagen unter dem Motto "Native Americans". Drittbester im Wettbewerb wurde der Gochsheimer Karnevalsclub mit der Gruppe "Schmetterlinge", mit 25 Personen in sehr originellen, bunten und auffälligen Schmetterlings-Kostümen.
Kritik an "denen da oben", also vor allem an Politikerinnen und Politikern in München, Berlin und Brüssel, hat bei Faschingszügen in ganz Deutschland Tradition. Ob's lustig ist, liegt dann immer im Auge des Betrachters. Die Erbauer des "Titanic"-Wagens aus Oberwerrn glänzten nicht nur mit erstaunlicher Faschingswagen-Baukunst, sondern auch mit Hintersinn. So war zu lesen: "Wer ist tiefer gesunken? Titanic, Ampel-Regierung, AfD-Wähler, Gil Ofarim."
Ein Teil der Wagenbauer, die in diesem Jahr in Schweinfurt dabei waren, konzentrierte sich auf deutliche Worte gegen die Bundesregierung und Unterstützung für Landwirte und deren Forderungen, für die es in den vergangenen Wochen bekanntlich zahlreiche Kundgebungen gab.
Auffällig: viele junge Menschen tanzend und blendender Laune auf den Wagen sowie die mittlerweile übliche laute Techno- und Party-Musik. Disco Disco Unterspiesheim brachten Bauernprotest, Weltgeschehen und ein bisschen bewusste Provokation zusammen: Ihr Wagen namens "Native American" war mit vielen jungen Teilnehmenden, die als Indianerinnen und Indianer verkleidet waren, besetzt.
Zu lesen waren Sprüche wie "Mit Federn und Trommeln, wir tanzen stolz und frei. Respekt vor den Indianer zeigen wir dabei". Das Wort "Indianer" war mit einem "Zensiert"-Schild überklebt. Oder auch: "Verschwinden Marterpfahl, Bomben und Drohnen, kann die Menschheit in Ruhe wohnen."
Klassisches gab's im übrigen auch zu sehen: Ob nun die Gruppe "Tanz an" mit gut 40 Teilnehmerinnen in Nasa-Kostümen mit coolen Tänzen oder die Wagen aus Üchtelhausen, die das Motto "Ritter" vielfältig umsetzten. Und eines ist auch klar: Ohne den Spielmannszug Hofheim als traditionell erste Gruppe wäre es auch kein richtiger Schweinfurter Faschingszug.