
Dass es Warnstreiks während Tarifauseinandersetzungen gibt, das kommt immer wieder vor und dürfte weithin bekannt sein. Dass aber ein Arbeitgeber seine Mitarbeitenden nicht mehr in den Betrieb lässt, wohl weniger. Oder hätten Sie gewusst, dass Aussperrungen erlaubt sind?
Falls Ihnen das nicht bekannt sein sollte: Ja, es ist rechtlich in Ordnung, was der Backwarenhersteller Aryzta in seinem Hiestand-Werk gerade mit seinen Angestellten macht. Auch wenn dieses Vorgehen unter Arbeitsrechtsexperten nicht unumstritten ist.
Auch der Arbeitgeber darf Druck ausüben
Tatsächlich dürfen nicht nur Gewerkschaften streiken, sondern Firmen sich auch dagegen wehren. Eine solche Abwehrmaßnahme ist zulässig, aber nur bei Streiks, und das macht Aryzta aktuell. Man kann zwar über dieses Verhalten schimpfen; aber auch der Arbeitgeber darf Druck ausüben – eben gegen den bereits dritten Warnstreik. Die Tarifautonomie kann eben nur funktionieren, wenn beide Parteien über Mittel mit ähnlicher Wirkung verfügen.
Warum es jetzt aber, nach nur zwei Verhandlungsrunden, zu einer Eskalation kommt, wundert sehr. Bis in die 1970er- und 1980er-Jahre kam es immer wieder zu Aussperrungen, heute aber kaum noch. Im Hiestand-Werk gab es das noch nie, in dieser Branche und anderen schon lange nicht mehr.
Nicht weiter die Eskalationsspirale bedienen
Das lässt einen ratlos zurück. Verständlich ist zwar, dass der Arbeitgeber Produktionsgründe anführt; und er sich über seine kurzfristige Absage an der Ausbildungsmesse "Nacht der Ausbildung" geärgert hat, weil genau an jenem Mittwoch von der Spätschicht gestreikt wurde. Wenn bei Tarifverhandlungen schon nach kurzer Zeit die härtesten Waffen gezückt werden, dann kann das nicht angemessen sein. Selbst bei der ein Jahr dauernden Auseinandersetzung im Groß- und Außenhandel wurde trotz häufiger Streiks nicht darauf zurückgegriffen.
Das Unternehmen und die Gewerkschaft sollten sich, statt weiter die Eskalationsspirale zu bedienen, jetzt besinnen, was wirklich wichtig ist: eine passende Lösung für beide Seiten finden. Denn dass manche Beschäftigte gerade tagelang keinen Lohn und – sofern kein Gewerkschaftsmitglied – auch kein Streikgeld bekommen, ist wirklich nicht in Ordnung. Darunter leiden nicht nur die Mitarbeitenden, sondern auch ihre Familien.
"Die meisten Beschäftigten in Deutschland tun nur noch das Nötigste in ihrem Job. Das geht aus einer neuen Studie des Meinungsforschungsinstitutes Gallup hervor. Demnach haben im vergangenen Jahr 78 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer "Dienst nach Vorschrift" gemacht - nach 67 Prozent im Jahr zuvor. Die Daten zeigten, dass Beschäftigte immer weniger emotionale Bindung, Loyalität oder Vertrauen zu ihrem Unternehmen haben. Diese "inneren Kündigungen" verursachten Milliardenkosten in Deutschland. Gallup schätzt die Folgen durch Produktivitätseinbußen auf 113 bis 135 Milliarden Euro im Jahr."
Aussperrungen und Druck auf Arbeitnehmer (und künftige Bürgergeldempfänger oder wie das in Zukunft etikettiert wird.....) wird das vermutlich kaum ändern, dass die Menschen wieder Vertrauen in Arbeitnehmer und die Redlichkeit von Führungskräften entwickeln...
„Interessant ist schon, dass die Neiddebatte, die sich nach oben richtet, verpönt ist. Aber die Neiddebatte, die sich nach unten richtet, der Neid der Geringverdiener auf die Bürgergeldempfänger, der scheint ja geradezu erwünscht zu sein. Die Neiddebatte nach unten wird eingeschürt wie ein Kaminfeuer in der Merz´schen Jagdhütte.“
Dementsprechend bejubeln hier die gleichen dieses "Nach-unten-treten" gegen Arbeitnehmer, die ansonsten gegen Bürgergeldempfänger hetzen - ohne wohl jemals die Zusammenhänge zu begreifen.
Recht ist Recht, das auch dem Arbeitgeber zusteht.
Und solange die Aussperrung dauert, bekommt der Gewerkschafter von seiner Organisation den Lohnausfall ersetzt.
Wer nicht gewerkschaftlich organisiert ist hat dann leider Pech gehabt.
Dieser Personenkreis wird von Gewerkschaftern oft als „Trittbrettfahrer“ bezeichnet; heißt: Ohne Beitragszahlung von gewerkschaftlichen Erfolgen partizipieren .