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Schweinfurt
Mehr Mut, mehr Innovationen: Was sich Unternehmer Christian Scheller aus Schweinfurt von der Wirtschaft wünscht
Was muss sich tun, damit Deutschland wieder wettbewerbsfähig wird? Die Frage beschäftigt den Unternehmer. Seine Antworten überraschen. Ein Interview.
Begleitet mit seinem Prüflabor Firmen weltweit bei Neuentwicklungen: Unternehmer Christian Scheller aus Schweinfurt. Zu 90 Prozent sind seine Kunden Zulieferer der Automobilindustrie.
Foto: Heiko Becker | Begleitet mit seinem Prüflabor Firmen weltweit bei Neuentwicklungen: Unternehmer Christian Scheller aus Schweinfurt. Zu 90 Prozent sind seine Kunden Zulieferer der Automobilindustrie.
Katja Beringer
 |  aktualisiert: 14.03.2025 02:39 Uhr

Christian Scheller ist Realist – und so hatte er auch keine Geldgeschenke erwartet, als er von Markus Söders 60-Millionen-Euro-Paket hörte. Denn Geschenke, sagt er, helfen nicht; zumindest nicht langfristig. Es brauche mehr, von allen Seiten – der Politik, der Wirtschaft, der Gesamtgesellschaft. Seine Firma, die Bauteilprüfzentrum Scheller GmbH in Schweinfurt (BPZS), ist direkt betroffen, wenn es um die schwächelnde Konjunktur, die eher schlechten Nachrichten aus der Automobilindustrie geht. 90 Prozent seiner Kunden im In- und Ausland stammen aus dem Bereich. Was sich ändern müsste und was ihm trotz allem Hoffnung macht, erzählt er im Interview.

Frage: Zu 90 Prozent hängen die Aufträge Ihrer Firma, der BPZS, von der Automobil-Branche ab. Wie sehr macht Ihnen die aktuelle Entwicklung Bauchschmerzen?

Christian Scheller: Natürlich, auch wenn es in der allgemeinen Öffentlichkeit ein falsches Bild gibt. Gewisse Entwicklungen waren schon vor Jahren absehbar. Dementsprechend mussten wir uns schon vor längerer Zeit mit Lösungen auseinandersetzen, um dem entgegenzuwirken. Das sind Themen, die muss man in der Belegschaft kommunizieren. Was auch deshalb schwierig war, da die allgemeine Wahrnehmung so war, als ob die Wirtschaft prima laufen würde.

Laut Institut der Deutschen Wirtschaft steht die deutsche Automobilindustrie schon seit 2018 unter Druck, ging die Produktion zurück. Richtig?

Scheller: Ja. Doch in der Allgemeinheit war das kein Thema. Manche Maßnahme, die wir treffen mussten, war insofern auch schwer an die Mitarbeitenden zu vermitteln. Die Arbeitslosenzahlen waren gut, die Zahlen der Konzerne auch. Trotzdem war manches schon erkennbar. Als Dienstleister, der unten in der Nahrungskette steht, muss man schnell reagieren. Der Automobilhersteller übt dann, wenn es schwierig wird, den Druck auf die Zulieferindustrie aus – und die geben ihn ebenfalls weiter. Das erleben wir gerade jetzt. Von diesem Kostendruck sind wir unmittelbar betroffen, spüren das aber schon lange. Wir mussten effizienter werden, flexibler, auch unsere Mitarbeitenden. Das hat dazu geführt, dass wir Arbeitsplätze sichern konnten.

2020 hat die BPZS in zwei neue Prüfhallen investiert, für Anwendungen im Bereich Elektromobilität und E-Entwicklung. War das im Nachhinein ein zu großes Risiko?

Scheller: Die Umstellung auf eine neue Technologie ist immer mit Risiken behaftet, für alle Player. Wir sehen überall Firmen kommen und gehen, wer sich behauptet, weiß man nicht. Das gehört ein stückweit zum unternehmerischen Risiko dazu. Die Risiken sind größer geworden in den letzten Jahren, weil auch die Investitionen dahinter deutlich größer sind. Potenziale für eine Verbesserung der Produkte im Bereich E-Mobilität gibt es noch genug. Unsere Kunden entwickeln weiter, wenn auch nicht in dem Maße, in dem man es gerne hätte. Die entscheidende Frage wird sein, ob unsere Kunden letzten Endes wettbewerbsfähig mitspielen können. Da spielen viele Faktoren mit rein.

Woran hakt es im Moment?

Scheller: Nach einer Umfrage der IHK, hat sich seit der letzten Wahl das Empfinden bei den Unternehmen unfassbar verschlechtert, was die Wettbewerbsfähigkeit betrifft – in allen Bereichen. Das teile ich. Die Politik muss Dinge lösen, zum Beispiel die hohen Stromkosten reduzieren oder den Bürokratieabbau einleiten, wobei es da auch um die Umsetzung in den Behörden, in den Verwaltungen geht. Es gibt aber auch wesentliche Faktoren, die müssen gesellschaftlich gelöst werden. Auch, was die Arbeitskosten betrifft. 84 Prozent der Unternehmen sagen, damit hat sich die Wettbewerbsfähigkeit verschlechtert. Ich habe das Gefühl, da werden die Unternehmen nicht ernst genommen, wird einfach pauschal Profitgier unterstellt.

Das heißt dann was, niedrigere Löhne für mehr Wettbewerbsfähigkeit?

Scheller: Nicht zwangsläufig. Ich bin für hohe Löhne, gar keine Frage, aber es muss uns klar sein, dass wir das ausgleichen müssen, zum Beispiel durch Flexibilität, Veränderungsbereitschaft, positive Leistungskultur – und da müssen wir uns auch mit den anderen Ländern vergleichen, mit denen wir ja im Wettbewerb stehen. Ein Großteil der Unternehmen meint es wirklich sehr ernst, vor allem der verwurzelte Mittelstand. Wir spüren einen hohen Kostendruck, auch durch die Arbeitskosten. In vielen kleinen Betrieben arbeiten die Unternehmer am Anschlag, versuchen, selbst zu kompensieren. Ob das in Zukunft auch so sein wird, das wage ich zu bezweifeln.

Trotzdem fordern Sie auch von Unternehmern mehr Mut und Innovationen

Scheller: Alle müssen in Zukunft eine Schippe drauflegen, auch wir Unternehmer müssen mehr Mut zeigen. Aber wir brauchen auch das Gefühl, dass wir für die Entscheidungen, die wir treffen, Rückhalt haben in der Gesellschaft. Die wirtschaftliche Entwicklung ist heute schnelllebig, Geschäftsmodelle werden schneller abgelöst. Wir brauchen mehr Flexibilität. Unternehmen müssen den Mut haben, schnell in etwas zu investieren, Innovationen umzusetzen. Wir müssen schnell am Markt sein, das ist der Wettbewerbsvorteil. Dann kann man auch höhere Preise erzielen, dann kann man auch höhere Gehälter zahlen. Aber dafür brauchen wir die Rahmenbedingungen, dürfen nicht blockiert werden, beispielsweise durch Bürokratie. Dazu zählt auch die innerbetriebliche Bürokratie, der man mit mehr Verantwortungsbereitschaft pragmatisch entgegenwirken muss.

Sie wünschen sich also ein gesamtgesellschaftliches Umdenken, was meinen Sie damit?

Scheller: Wir müssen alle gemeinsam anpacken, um Deutschland wieder wettbewerbsfähig zu machen. Marktwirtschaft ist ein Wettkampf. Wir spüren das. Kunden legen uns Vergleichsangebote von Laboren weltweit vor, früher war das auf die Region bezogen. Da müssen wir uns etwas einfallen lassen, wie wir da mithalten, ansonsten ist der Auftrag weg – und zwar langfristig. Das gilt für kleine wie große Unternehmen. Auch aus diesen kommen Hinweise, was zu tun ist. Beispielsweise beim Treffen der Oberbürgermeister bei ZF in Friedrichshafen. Auch dort fiel das Stichwort, wir könnten es schaffen, wenn wir beherzt an das Thema Kosten und Flexibilität rangehen. Das sind nicht nur klare Hinweise, das ist ein Auftrag an die Gesellschaft. Wir wollen doch, dass Arbeitsplätze erhalten werden.

Was macht Ihnen Mut, auch nach der Ankündigung aus München?

Scheller: Dass wir in Zukunft mehr Unterstützung vom Freistaat bekommen, auch bei der Antragstellung für staatliche Zuschüsse; dass es leichter wird. Für mich waren die Aussagen der Beamten aus München bei der IHK-Veranstaltung ein Signal, dass man erkannt hat, dass manchmal die Hürden zu hoch waren und dass man diese nun abbauen wird. Unterfranken ist Schlusslicht, was den Antrag von staatlicher Förderung durch Unternehmen betrifft. Was hindert uns daran? Wenn ich von mir ausgehe: Es fehlt die Zeit. Geldgeschenke habe ich aus München nicht erwartet, das würde langfristig auch nichts bringen. Förderungen helfen, mutiger in neue Projekte reinzugehen. Aber ohne Risiko geht es nicht. Und wir brauchen die Fachkräfte, die das umsetzen können. Dass auf der einen Seite in der Industrie Kräfte mit Kurzarbeit gehalten werden und auf der anderen Fachkräfte in anderen Unternehmen fehlen, das ist volkswirtschaftlich nicht gut.

Zur Person

Vom Startup zum mittelständischen Unternehmen mit 40 Mitarbeitenden - das ist kurz gesagt die Entwicklung, die Unternehmer Christian Scheller mit seiner Bauteilprüfzentrum Scheller GmbH (BPZS) gegangen ist. Scheller hat an der THWS in Schweinfurt studiert, ist Maschinenbauingenieur und machte sich nach sieben Jahren als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule 2009 selbstständig, mitten in der Wirtschaftskrise, sagt der geschäftsführende Gesellschafter. Die Industrie in Schweinfurt war sehr zurückhaltend damals – und so habe er sich anders orientieren müssen.
Heute arbeitet die BPZS für Kunden weltweit. 90 Prozent kommen aus dem Bereich Automobilbranche, meistens Zulieferer. Die BPZS ist ein Entwicklungsdienstleister. Das heißt, man begleitet den Entstehungsprozess von neuen Produkten. Auch im Bereich E-Mobilität.
Quelle: BPZS/kab
 
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  • Erich Spiegel
    Forstsetzung meines Kommentasr: Es fehlt auch ein Konzept im Umgang mit Diktaturen wie China. China verzerrt den Wettbewerb mit unfairen Methoden. Arbeitszeiten von 70 Std. pro Woche sind kein Vorbild für Europa. Vielleicht nur Handel mit demokratischen Staaten treiben? Keine Ahnung. Eine Antwort muss her, aber schnell. Sonst kann Deutschland in 10 Jahren nur noch Äpfel und Kartoffeln exportieren und der Wohlstand rauscht in den Keller. HInzu kommt, dass wir dann von den LIeferungen aus totalitären Ländern wie China nicht nur ein bischen, sondern total abhängig sind. Noch ist Zeit. Aber in unserem Land herrscht noch allgemeine Sorglosigkeit. Erschreckend ist die Unbekümmertheit bei den meisten Politikern.
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  • Peter Koch
    "Vielleicht nur Handel mit demokratischen Staaten treiben?"

    Das würde das totale Verbrenner Aus bedeuten und das totale E-Auto Aus und das totale Flugreisen Aus. Totales Aus halt.
    Wie Sie richtig schreiben, keine Ahnung.
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  • Erich Spiegel
    Besser total aus, als total abhängig von Diktatoren mit totaler Überwachung. 100m Straße mit 50 Kameras. Nein, danke
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  • Erich Spiegel
    Fortsetzung meines Kommentars: Der Wegfall des billigen Gases aus Russland hat die Krise der Industrie noch beschleunigt, weil damit die Kosten völlig aus dem Ruder laufen. Bei uns rennen Gewerkschafter mit Scheuklappen rum und fordern 8% Lohnerhöhung. Ein Unternehmer, der täglich im Kampf um Aufträge steht, muss sich doch bescheuert vorkommen. Die Welt hat sich weiter gedreht, nur die Gewerkschaft hat es nicht mitbekommen. Herr Scheller wünscht sich " gesamtgesellschaftliches Umdenken". Das ist beim Volk noch nicht angekommen. Für mich heisst das, dass alle in der Gesellschaft kleinere Brötchen backen müssen d.h. Einschnitte bei Rente, Löhnen, Pensionen, Arbeitslosengeld. etc. Nur die Politik traut sich nicht es dem Volk beizubringen. Gewählt wird derjenige, der suggeriert, dass alles so weiter gehen kann wie bisher. Statt dessen werden Schulden gemacht, dass sich die Balken biegen. Wie lange dauert es bis zur nächsten Finanzkrise?
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  • Peter Koch
    Gefordert wurden von der Post 8% und gegeben hat es 5% verteilt auf zwei Jahre. Dazu ein Urlaubstag was etwa 0,42% entspricht.
    Herr Spiegel, Sie verbreiten halbe Wahrheiten bzw. Fake News.
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  • Erich Spiegel
    Ich habe von dem geschrieben was gefordert wurde, nicht was später ausgehandelt wurde. Vielleicht haben sie auch nur 7,8% gefordert statt 8%. Auf jeden Fall zu viel.
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  • Erich Spiegel
    Der Herr Scheller bringt es auf den Punkt. Er kennt sich aus. Ihm werden Angebote von Laboren aus aller Welt vorgelegt mit denen er konkurrieren muss. So geht es der gesamtem Industrie. Das wird schwierig: Bsp. Vergleich China zu Deutschland: Löhne und Stromkosten in China ein 1/3 des deutschen Niveaus, Arbeitszeiten bis 70 (!) Std. / Woche (mal googeln nach "China Arbeitssystem 996"). Thema Bürokratie: Knauf plant ein Bergwerk bei Kitzingen. Da droht ein jahrelanges Hin und her. Bsp. China: Bau des 3-Schluchten Staudamms. Umsiedelung tausender Dörfer und Städte mit 1.8 Mio. (!) Menschen. Vergleich: Thüringen hat 2 Mio. Einwohner. Baubeginn Dez, 1994. Fertigstellung Feb. 2007. Da wird geklotzt, während Deutschland kleckert. MIr fehlt die Fantasie wie die Industrie im Westen da überleben kann. MIt der Umsiedlung war nicht jeder Chines einverstanden. Sicher, alles ungerecht. Ob der Staudamm gut für die Umwelt ist? 70 Std./ Woche ist Ausbeutung, auch klar. Aber was hift es zu jammern?
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  • Peter Koch
    Besuchen Sie einfach mal Privatfirmen in China. Da achtet die Belegschaft ganz streng auf die 40 Stunden. Aber wenn man noch nie dort gearbeitet hat weiss man es ja besser.
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  • Erich Spiegel
    China hat hundertausende Firmen. Dass Mitarbeiter auch fair behandelt werden kann ja sein. Die Regel ist es nicht, siehe Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/996_(Arbeitswoche).
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