Seine Nerven liegen blank, sagt Oskar Keß. Wenn der 60-jährige Finanzbeamte das kleine Tor zu seinem Gärtchen am Baggersee in Schweinfurt öffnet, schweift sein Blick schnell Richtung Gartenzaun. Direkt dahinter stehen drei meterhohe Laubbäume, deren Äste weit in die kleine Gartenparzelle hineinragen. Unter den Bäumen steht Keß in einem Meer aus Laub, das von den Bäumen gefallen ist.
Übers Jahr verteilt sammelt er davon etwa 50 Säcke mit 270 Liter Fassungsvermögen ein, erklärt Keß gegenüber der Redaktion. Wenn dann im Herbst zusätzlich noch die Früchte von der Eiche abfallen, sei er dauerhaft damit beschäftigt, Totholz und Laub aus seinen Beeten und der Dachrinne seines Gartenhäuschens zusammenzutragen und zu entsorgen.
Dass ein Garten Arbeit macht, weiß auch Oskar Keß. "Aber in dem Maße, schaffe ich das nicht mehr." Sein Garten leide unter dem ständigen Blätterregen. "Ich kann nichts mehr anpflanzen. Es wächst nichts mehr", verdeutlicht er. Im Hochsommer bekämen seine angepflanzten Tomaten kaum noch Sonne ab. "Das macht mich völlig fertig."
Seit 20 Jahren bei der Stadt beschwert
Rund 200 Kleingärten befinden sich auf dem Gelände am Baggersee. Vor 27 Jahren pachtete Keß seine Parzelle über den Kleingartenverein bei der Stadt Schweinfurt. Der damalige Vorstand des Gartenvereins habe ihm zugesichert, dass die Bäume ausgeschnitten und langfristig gefällt werden sollten. "Hätte ich gewusst, dass diese Bäume stehen bleiben, hätte ich den Garten nie übernommen", sagt Keß. Dutzende Ortstermine hat es seitdem mit ihm, Vertretern der Stadt und Vereinsvorständen gegeben. Die erste Beschwerde reicht zurück ins Jahr 1999. "Ich fühle mich in keiner Weise ernst genommen", sagt Keß. Mittlerweile sei er so frustriert, dass er die besagten Bäume am liebsten fällen lassen würde.
Barbara Schmidt, die erste Vorsitzende des Kleingartenvereins Schweinfurt, kann den Ärger ihres Vereinsmitglieds nachvollziehen. "Ich verstehe ihn", sagt Schmidt. Früher wurde leider vieles nur per Handschlag in mündlicher Absprache getroffen, was heute nicht mehr nachvollziehbar sei. Als Kleingärtnerin weiß sie, wie viel Arbeit ein einzelner Laubbaum im Garten machen kann. "Ein Baum nimmt einfach viel Grundlage für den Rasen darunter weg." Trotzdem käme für sie eine Fällung der Bäume nicht infrage.
Konflikte zwischen Gartenbesitzern und Stadt nicht selten
Das Thema Baumschutz gilt in Schweinfurt als besonders heikel. Seitdem die Baumschutzverordnung auf Betreiben der CSU-Fraktion im Stadtrat 2018 gekippt wurde, reagiert die Öffentlichkeit sensibel auf Fällaktionen. "Um Herrn Keß entgegenzukommen, haben wir die Bäume, soweit baumpflegerisch möglich, aufgeastet und leicht eingekürzt", erklärt Stadtsprecherin Kristina Dietz auf Anfrage. Weitere Einkürzungen seien jedoch aus baumpflegerischer Sicht nicht möglich. Eine Fällung der Bäume komme nicht infrage. "Da die Bäume entsprechend alt sind, ist eine Neupflanzung keine gleichwertige Alternative, schon gar kein Ersatz", erklärt Dietz.
Konflikte zwischen Kleingärtnern und Stadtlaub sind in Schweinfurt nicht selten. Neben anderen Kleingärten, wie auf dem Gelände Sonnenblick, beschweren sich laut Stadt auch immer wieder Anwohnerinnen und Anwohner zum Beispiel der Frankenwaldstraße oder der Heidelsteinstraße über Probleme mit größeren Bäumen, erklärt Dietz.
Klagen, die Naturschützer wie Edo Günther, erster Vorsitzender des Bund Naturschutz Schweinfurt, schwer nachvollziehen kann. "Der Wert von Bäumen wird heutzutage nicht mehr wertgeschätzt", beklagt Günther. Dabei spielten Bäume eine wichtige Rolle im Ökosystem. Aus seiner Sicht ist Laubfall auch keine Beeinträchtigung, sondern etwas Natürliches, das hinzunehmen sei. "Wir müssen froh sein um jeden Baum, der noch steht." Die Forderungen mancher Menschen, Bäume in Zeiten von Klimawandel und Überhitzung in Städten zu fällen, hält Günther für unvernünftig.
Beteiligte schlagen Gartentausch vor
Was Fälle wie den von Oskar Keß betrifft, kommt aus Sicht der Beteiligten nur eine Lösung in Frage. "Wir haben Herrn Keß angeboten, ihm zusammen mit dem Kleingartenverein behilflich zu sein, einen anderen Garten zu finden", sagt Stadtsprecherin Dietz. Anders werde sich keine Lösung finden lassen.
Ein Tausch des Gartens mit einer anderen Parzelle auf dem Gelände am Baggersee scheint zumindest kurzfristig jedoch nicht absehbar. "Aktuell stehen 36 Menschen auf der Warteliste für einen Garten", sagt Barbara Schmidt vom Kleingartenverein. Die Wartezeit betrage derzeit bis zu sechs Jahre. "Ich sehe im Moment keine Lösung. Wir bemühen uns, ihn zu unterstützen." Für Oskar Keß kommt ein Gartentausch vorerst allerdings nicht in Betracht. "Ich habe so viel Zeit in meinen Garten investiert. Nach 27 Jahren möchte ich nicht mehr umziehen."
Mir macht Laub nichts aus, meine Bäume bleiben stehen. 2x Nussbaum und ein riesiger Ahorn. ich bin auch 60 und beschwere mich jedoch nicht.