Was hätte Alexander von Humboldt wohl über Künstliche Intelligenz gedacht? Rein hypothetisch. Vermutlich hätte die Technik ihn begeistert, hätte er haargenau wissen wollen, wie KI funktioniert, und sehr wahrscheinlich hätte der Forschungsreisende (1769 - 1859) mit dem unstillbaren Wissensdurst und Entdeckergeist, der auch schon mal über den Amazonas paddelte, zu dem animiert, was ihm ebenfalls wichtig war: kritisches Denken. Darüber, welche Chancen, aber auch Risiken diese Technik bietet.
Auch deshalb war der Ort, an dem die Landeselternvereinigung bayerischer Gymnasien (LEV) am Wochenende tagte, der passende: das Alexander-von-Humboldt-Gymnasium in Schweinfurt. Mit 1000 Schülerinnen und Schülern und 100 Lehrkräften die größte der 50 Schulen im Stadtgebiet. Benannt nach dem berühmten Wissenschaftler, der für Neugier, Entdeckungs- und Experimentierfreude steht wie kein zweiter. Und dessen Erbe man sich hier besonders verpflichtet fühlt, wie Schulleiter Klemens Alfen, die Schülersprecherinnen Emilie Cegar und Sidney Richter sowie Elternbeiratsvorsitzende Alexandra Maier bei der Auftaktveranstaltung deutlich machten.
Und mit dem großen Namensgeber, mit Humboldt, gehört das kritische Denken unmittelbar zu Bildung. Wie kann Künstliche Intelligenz an Bayerns Schulen sinnvoll eingesetzt werden? Ein Punkt, der hinterfragt werden muss und an dem die Meinungen auseinander gehen, eine Antwort nicht einfach scheint. Die Technik bietet Chancen, aber auch Risiken – in dem Punkt waren sich Vertreter der Elternbeiräte an Bayerns Gymnasien, allen voran die LEV-Vorsitzende Birgit Bretthauer, mit Kultusministerin Anna Stolz einig.
Manche Eltern haben große Bedenken mit Blick auf KI, anderen geht es zu langsam
KI spaltet, auch Eltern. "Manche Eltern haben große Bedenken, anderen ist der Fortschritt zu langsam", sagt Bretthauer. Es brauche eine breite gesellschaftliche Debatte und eine gründliche Vorbereitung für die Einführung solcher Systeme, die – klug eingesetzt und in Verbindung mit traditionellen Lehrmethoden – eine Hilfe sein könnten. Was manchen Sorgen macht, wird später deutlich, in der Aussprache, in der eine Elternbeiratsvorsitzende dazu aufruft, sicherzustellen, dass die Schulen mit geschützten KI-Programmen arbeiten. Stichwort Datenschutz.
Und Kultusministerin Stolz? Sie sieht die Potenziale, erzählt von Programmen, die anhand von Augenbewegungen erkennen könnten, ob Kinder eine Grafik verstanden hätten oder nicht und dann alternative Erklärungen anbieten, fordert aber auch ein kritisches Hinterfragen. KI könne unterstützen, Lehrkräfte entlasten. Wichtig auch in Zeiten des Lehrermangels, dem das Kultusministerium entgegenwirken will – mit Kampagnen, die für den Lehrerberuf werben, und mit guten Rahmenbedingungen.
Kultusministerin: Keine Digitalisierung als Selbstzweck
Der digitale Wandel sei ein großes Thema an Bayerns Schulen, sagt Stolz. Aber, betont die Kultusministerin: Eine "Digitalisierung als Selbstzweck wird es nicht geben". Wo man einen pädagogischen Mehrwert erkenne, werde man voranschreiten, auch bei der Ausstattung mit Endgeräten an weiterführenden Schulen. Stolz will Bürokratie abbauen, mit moderner Technik Raum geben, damit Lehrkräfte Zeit haben für Schüler. Eine "kluge Kombination aus analog und digital" sieht sie als Ziel für einen modernen Unterricht.
Stolz will die Bildung in Bayern von unten und nicht von oben gestalten – gemeinsam mit den Schulen, mit den Eltern. Für deren wichtige Impulse und deren Engagement sei sie besonders dankbar, so Stolz in Richtung der rund 130 Elternbeirätinnen und -räte, die aus ganz Bayern nach Schweinfurt gekommen waren.
LEV-Vorsitzende: Es geht um mehr als Technik
Auch wenn bei der Tagung der Landeselternvereinigung KI und Digitalisierung ein Thema waren – es ging um mehr, um "Bildung als Entfaltung von Wissen, Kreativität und Selbstbestimmung; vom Humboldt'schen Erbe inspiriert". Darum, dass an Schulen mehr Zeit sein muss für Austausch, Kreativität, für individuelle Förderung, dass Kinder aus sozial schwachen Familien nicht abgehängt und so Teile "unseres Potenzials verspielt" werden, wie Vorsitzende Bretthauer es nennt. "Wir brauchen gut ausgebildete junge Menschen", sagt sie. Wichtig seien da auch das Umfeld, intakte Schulgebäude, Schultoiletten und die Infrastruktur.
Was nützt das Tablet im Unterricht, wenn das Internet unzureichend ist? Wenn zwar, wie eine Elternbeiratsvorsitzende erklärte, Glasfaser seit Jahren vor der Schule liegt, aber nicht in die Schule kommt? Noch einiges zu tun also, auch wenn über den Digitalpakt Schule seit 2019 rund 6,5 Milliarden Euro in die digitale Infrastruktur fließen, davon über 780 Millionen an Schulen in Bayern, wie Bundestagsabgeordnete Anja Weisgerber (CSU) unterstrich. Auch die Stadt Schweinfurt hat davon profitiert. Laut Oberbürgermeister Sebastian Remelé konnten darüber insgesamt sechs Millionen Euro in Endgeräte an Schulen investiert werden.
Weisgerber sprang als Rednerin quasi für Ministerpräsident Markus Söder ein. Der hatte sein Kommen laut Stolz wegen einer kurzfristigen Auslandsreise absagen müssen. Perfekt umrahmt wurde die Eröffnung der Tagung musikalisch von Schülerinnen und Schülern.