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Würzburg/München
Rolle rückwärts bei der Digitalisierung? Bayerns Lehrkräfte setzen auf analogen Unterricht im Klassenzimmer
Bis 2028 sollen in Bayern alle Schüler ab der fünften Klasse Tablets oder Laptops bekommen. Gymnasial-Lehrkräfte haben Bedenken: Wieviel Digitalisierung in der Schule ist sinnvoll?
Bis 2028 sollen alle Schülerinnen und Schüler in Bayern ab der 5. Klasse eigene Tablets oder Laptops bekommen. Doch Gymnasial-Lehrkräfte warnen nun vor zu viel Digitalisierung in den Schulen.
Foto: Armin Weigel, dpa | Bis 2028 sollen alle Schülerinnen und Schüler in Bayern ab der 5. Klasse eigene Tablets oder Laptops bekommen. Doch Gymnasial-Lehrkräfte warnen nun vor zu viel Digitalisierung in den Schulen.
Henry Stern       -  Obermeier/ Henry Stern
Henry Stern
 |  aktualisiert: 27.03.2024 02:58 Uhr

Bayerns Gymnasial-Lehrkräfte warnen vor einer zu frühen und zu starken Digitalisierung des Schulunterrichts: 89 Prozent von mehr als 3500 befragten Lehrkräften sprachen sich in einer Umfrage des Bayerischen Philologenverbandes (bpv) für ein verstärktes analoges Lernen statt einer weitergehenden Digitalisierung des Schulunterrichts aus.

"Tablets ziehen viel Aufmerksamkeit vom Unterricht im Klassenzimmer ab"

"Ein Klassenzimmer ist ein Bildungsraum und kein Digital-Labor", warnt auch der bpv-Vorsitzende Michael Schwägerl. Besonders die von Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) ab 2028 geplante Vollausstattung für alle Schülerinnen und Schüler mit Tablets oder Laptops ab der 5. Klasse sehen die Gymnasial-Lehrkräfte kritisch: Gerade in den unteren Klassenstufen "zieht die Nutzung von Tablets viel Aufmerksamkeit vom Unterricht ab", kritisiert etwa Prisca Hagel, Englisch- und Italienisch-Lehrerin am Augsburger Holbein-Gymnasium.

"Ein Klassenzimmer ist ein Bildungsraum und kein Digital-Labor."
Michael Schwägerl, Vorsitzender des Bayerischen Philologenverbandes

Der bpv drängt deshalb auf eine Vollausstattung für alle Schülerinnen und Schüler erst ab der 8. Klasse. In der Unterstufe biete sich dagegen eine Pool-Lösungen der Tablets für punktuellen Einsatz in mehreren Klassen an. "Es geht hier auch um viel Geld", warnt Schwägerl: Allein bis Ende 2025 seien in Bayern 216 Millionen Euro für die Bezuschussung von rund 700.000 Endgeräten vorgesehen. 

Fast ein Drittel der Lehrkräfte will einheitliche Regeln zur Handy-Nutzung in der Schule

Zuletzt hatten digitale Vorreiter wie etwa Dänemark und Schweden beim Digitalunterricht eine Kehrtwende angekündigt. "Wir wollen bei der Digitalisierung der Schulen in Bayern keine Rolle rückwärts", beteuert Schwägerl. Es gelte aber aus den Fehlern anderer Länder zu lernen. So sei etwa die Einsatzzeit der digitalen Geräte im Unterricht kein Wert an sich, warnt er: "Digitalisierung in den Schulen braucht immer ein pädagogisches Ziel, damit es Sinn macht."

Für die Reglementierung der privaten Handy-Nutzung sind die Schulen seit 2022 weitgehend selbst verantwortlich. Knapp ein Drittel der befragten Lehrkräfte wünscht sich jedoch eine Rückkehr zu einer einheitlichen Vorgabe des Kultusministeriums. Der bpv hält dagegen in den einzelnen Schulen gefundene Regeln für besser, weil dann die Akzeptanz vor Ort höher sei.

Künstliche Intelligenz: Fehlende Hilfe beim Erkennen KI-generierter Schüler-Texte

Eine weitere große Herausforderung für Bayerns Schulen ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im Unterricht. Das Würzburger Friedrich-Koenig-Gymnasium ist hier als eine von drei KI-Modell-Gymnasien Vorreiter in Bayern: "Es gibt ein sehr großes Potenzial für KI im Unterricht", findet Schulleiter Marco Korn nach zwei Jahren Modellversuch.

Noch aber sind die Unsicherheiten groß: So fehle es etwa an einem rechtssicheren und für Lehrkräfte wie Schüler kostenlosen KI-Zugang, kritisiert Korn. Die vom bpv befragten Lehrkräfte sehen zudem noch ein sehr konkretes Problem: Mehr als drei Viertel bemängeln fehlende Unterstützung beim Erkennen von mithilfe der KI erstellten Schüler-Texten. 

 
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  • Angelika Arnold
    Ich bin auf Ihrer Seite, Herr Eberth. Durch die Digitalisierung "verlernen" die Kinder und Jugendlichen das Kommunizieren. Sätze werden teilweise nur in Bruchstücken beantwortet ... Kommunikation findet zu oft digital statt (Nachricht an Person gegenüber). Die Kinder und Jugendlichen müssen lernen, Gespräche zu führen, sich mündlich auszutauschen. Es gibt in der Zwischenzeit immer mehr Kinder und Jugendliche, die erst spät das "ordentliche" Sprechen lernen. Es fehlt Vokabular, da die Kinder schon als Kleinkinder an Laptops ... gesetzt werden (nicht "nur" zum Lernen, sondern zum Spielen, Filme schauen ...). Wertvolle Zeit, die für die Sprachentwicklung notwendig ist und teilweise nicht mehr genutzt wird. Unterhalten ist Nebensache geworden. Geräte sinnvoll einsetzen - das sollte an erster Stelle stehen. Und vor allem, die Lehrerinnen und Lehrer entsprechend schulen und nicht sich selbst überlassen. Das "ältere Semester" hat damit teilweise Probleme, da nicht mit dem PC "aufgewachsen".
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  • Jörg Nellen
    Der Beamtenbund-Lehrerverein bpv übt die Rolle rückwärts. So kommen wir nicht voran, wenn sich Lehrkräfte, die im gegliederten Schulsystem sich als "Elite" verstehen, der Zukunft verweigern.
    Gestern ist nicht Morgen. Wir Lehrkräfte müssen aber auf Morgen vorbereiten. Digitale Pädagogik ist das Gebot der Stunde, nicht "talk and chalk". Die Umfrageteilnehmenden müssen dazulernen, damit sie mit ihren Schüler:innen mithalten können.
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  • Dietmar Eberth
    Digitalisierung ist nicht alles. Ob das für Deutschland zutrifft, weiß ich nicht. Aber bei den Schweden - ständig Spitzenreiter im PISA - wird darüber nachgedacht

    "Lange war Schweden stolz auf seine digitalen Klassenzimmer. Doch daran gibt es inzwischen viel Kritik. Die Lernkompetenz gehe stark zurück, warnt Schwedens Regierung und will wieder mehr Bücher in den Schulen sehen."
    https://www.tagesschau.de/ausland/europa/schweden-schulen-buecher-100.html
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