Ist die Zeit reif für einen Systemwechsel? Der "Fall Maria Hilf" zumindest regt wieder zum Nachdenken an, ob die Stadt Schweinfurt ihre Kindergärten in Zukunft nicht selbst betreiben sollte. Dann könnte sie eigenständig agieren und müsste nicht nur reagieren. So wie jetzt mit der Genehmigung der Mehrkosten beim Neubau der Kindertagesstätte "Maria Hilf", den die Stadt mit 80 Prozent bezuschusst.
Es ist nicht die erste Kostensteigerung. Ursprünglich waren mal 3,7 Millionen Euro berechnet worden, aktuell werden die Kosten auf fünf Millionen Euro geschätzt. Und bis zum Abschluss der Maßnahme, voraussichtlich im März 2024, geht man aufgrund weiterer Preissteigerungen von 5,5 Millionen Euro finalen Baukosten aus.
Die Aufwendungen für den Interimsbau, in dem die zwölf Krippen- und 50 Kindergartenkinder derzeit untergebracht sind, mit gut einer halben Million Euro sind hier nicht einkalkuliert. Auch die Personalkosten für den Planer mit 110.000 Euro noch nicht.
Die Zukunft der Kita stand auf dem Spiel
Die Kindertagesstätte "Maria Hilf" ist 2020 zu einem "Fall" der Stadt Schweinfurt geworden. Damals wurde auf Vorschlag der Diözese ein Treuhandvertrag geschlossen und der Stadt als treuhänderischer Bevollmächtigten die Aufgaben des Bauherrnvertreters für den Neubau der Kindertagesstätte übergeben.
"Es ging um die Zukunft der Kita Maria Hilf", erklärt Sozialreferent Jürgen Montag im Haupt- und Finanzausschuss die damalige Situation. Der für die Baumaßnahme zuständige Verwaltungsleiter der Stadtpfarrei hatte sein Amt niedergelegt, und ein Nachfolger stand nicht zur Verfügung. Hinzu kam, dass die Diözese 2019 ein Baumoratorium für drei Jahre ausgerufen hatte. Nur noch Notmaßnahmen zur Aufrechterhaltung des Betriebs wurden genehmigt.
Für den schon 2017 geplanten Neubau der Kita Maria Hilf lag zu diesem Zeitpunkt bereits eine Förderzusage und eine Genehmigung der Regierung zum vorzeitigen Baubeginn vor. Um die Schaffung der dringend benötigten Kitaplätze nicht zu gefährden, habe sich die Stadt dann auf den Treuhandvertrag eingelassen. Mit der Konsequenz, dass auch die von der Kirche geschlossenen Planungsverträge übernommen werden mussten. Die Stadt hatte laut Montag damit keine Möglichkeit mehr zur Einflussnahme auf die Kostenentwicklung.
Die Baukosten sind seit der ursprünglichen Berechnung aus dem Förderantrag gestiegen. Hauptsächlich wegen der Inflation, unvorhergesehenen Altlasten und wegen höherer Nebenkosten. Allein die gestiegenen Preise für Güter und Dienstleistungen machen 450.000 Euro aus. "Das Geld ist im Haushalt vorhanden", so Montag.
Die Stadt München betreibt 450 Kindertageseinrichtungen
Frank Firsching (Die Linke) sieht die Sache kritisch. Er befürwortet grundsätzlich den Ausbau der Kindergartenplätze und damit auch die gestiegenen Investitionskosten. Er hinterfragt aber das gewählte System angesichts der immer wiederkehrenden Probleme der Stadt, mit ihren Partnern eine "vernünftige Kinderbetreuung" auf den Weg zu bringen. Perspektivisch werde Schweinfurt noch weitere Kitas brauchen. Vor dem Hintergrund, dass sich die großen Kirchen mittelfristig als Träger zurückziehen, stellt sich für Firsching deshalb die Frage, ob die Stadt nicht selbst als Träger einsteigen müsse.
Bislang befindet sich keine der 31 Einrichtungen in der Trägerschaft der Stadt, obwohl die Kinderbetreuung eine kommunale Pflichtaufgabe ist. In vielen großen Kommunen ist das anders. Die Stadt München zum Beispiel betreibt rund 450 der insgesamt 1450 Kindertageseinrichtungen in der Landeshauptstadt selbst und ist damit größter kommunale Anbieter von Kitas.
"Die Stadt bewegt sich ja", sieht Sozialreferent Jürgen Montag ebenfalls eine wachsende Notwendigkeit, das Heft selbst in die Hand zu nehmen. Schon jetzt trete die Stadt vermehrt als Bauherr auf, weil den Trägern das Geld fehle. So zum Beispiel auch beim Neubau der Kita Bellevue, wo die Stadt baut und die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde die Kita betreiben wird. Investiert werden 5,27 Millionen Euro für 52 Kita-, 24 Krippen- und 25 Hortplätze.
Stadt beteiligt sich mit 80 Prozent an Baumaßnahmen
Generell beteiligt sich die Stadt mit 80 Prozent an den Baumaßnahmen der Kindergartenträger. Pro neu geschaffenem Platz wird zudem eine Ausstattungspauschale von 800 Euro gezahlt. Die Betriebskosten teilen sich Freistaat und Kommune zu je 40 Prozent sowie der Träger mit 20 Prozent. Im Schnitt fallen für die Stadt hier jährlich sieben Millionen Euro an. Darüber hinaus zahlt die Stadt bei Modernisierungen einen Zuschuss von 66 Prozent.
Auch wenn mit den Neubauprojekten die Zahl der Kitaplätze von 389 auf 449 steigt, wird das nicht reichen. Ein weiterer Ausbau ist nötig. "Am Ende sind wir verantwortlich, aber nicht bereit, diese Pflichtaufgabe zu übernehmen", kündigt Firsching deshalb einen neuerlichen Vorstoß für einen Systemwechsel an.
Sozialreferent Jürgen Montag ist grundsätzlich Firschings Meinung. Denn er weiß: "Dieses Thema werden wir nicht los."