
Wir haben bereits Enkelkinder hier, da sind viele kleine dabei, aber auch solche, die schon in die Schule gehen", so Kinderärztin Dr. Elisabeth Gimpl. Gemeint sind damit die Kinder derjenigen, die sie schon behandelt hat, als die noch selber Kinder waren. 32 Jahre waren es im Sommer, seit sie für das damals vorgeschriebene Praxishalbjahr zunächst angestellt in der Kinderarztpraxis ihres Vorgängers Dr. Stadler arbeitete, um die Praxis in der Neutorstraße dann am 1. Februar 1991 zu übernehmen.
Über 26.000 Kinder und Jugendliche, so schätzt die 68-Jährige, waren seither Patientinnen und Patienten ihrer Praxis oder wurden, als sie noch am kinderärztlichen Notdienst teilnahm, vorübergehend von ihr betreut.
Zum Jahresende ist Schluss. Möglicherweise zieht eine interessierte Ärztin ein, in trockenen Tüchern ist das aber noch nicht. Ein kinderärztliches Angebot wird es auf keinen Fall sein. "Wir haben drei Jahre immer wieder gesucht, es hat sich, auch wenn es zwischendurch nach einer Nachfolgelösung aussah, nichts Bleibendes ergeben", bedauert Elisabeth Gimpl.
Junge Mediziner, so ihre Erfahrung, zögen es eher vor, in einem medizinischen Versorgungszentrum oder einer großen Praxis angestellt zu sein und im Sinne von mehr Work-Life-Balance nicht die Last und Verantwortung einer eigenen Praxis tragen zu müssen. In ihrer Generation sei es noch das erklärte Ziel der meisten Kolleginnen und Kollegen gewesen, sich selbstständig zu machen.
Elisabeth Gimpl selbst arbeitete, bevor sie nach Schweinfurt kam, von 1980 bis 1983 in verschiedenen Fachgebieten, dann von 1993 bis 1990 bis zur Facharztanerkennung in der Kinderklinik in Würzburg. Über die Zeit in der Kinderklinik sagt sie heute: "Da hatte ich das große Los gezogen."
Zwischen 800 und 1000 Kinder pro Quartal betreut
In den vergangenen Jahren seien es pro Quartal immer zwischen 800 und 1000 Kinder gewesen, die sie medizinisch betreute. Die nun alle "in gute Hände abzugeben", sprich auf andere Kinderärztinnen und Kinderärzte zu verteilen, sei alles andere als einfach. Auf ihrer Internetseite nennt Elisabeth Gimpl die E-Mail-Adresse SW-Kinderarztnachfolge@t-online, an die sich bis Januar alle Eltern wenden können, die nach der Schließung ihrer Praxis neue kinderärztliche Betreuung brauchen. Die dort gesammelten Informationen dienen allen verbliebenen Schweinfurter Kinderarztpraxen zur Abschätzung des kommenden Bedarfs. Elisabeth Gimpl hofft, dass möglichst viele – alle werden es jedoch sicher nicht sein – auf diesem Weg einen neuen Kinderarzt finden. Schwierig wird es wohl vor allem für mitunter kinderreiche Familien mit Migrationshintergrund, von denen sie viele betreut hat.
"Wir hatten alle Aufnahmestopp, jetzt kommen meine Kinder da noch obendrauf", bedauert sie noch einmal, dass es mit der Kinderarzt-Nachfolge-Lösung in ihren Räumlichkeiten nicht geklappt hat. Bislang seien es noch recht wenige ihrer Patienten, die kinderärztliche Anschlussbetreuung, auch außerhalb Schweinfurts, gefunden hätten. "Die Situation im Hinblick auf Kinderärzte in Schweinfurt ist sehr angespannt", bilanziert die 68-Jährige, "da wären durchaus die Politik und sie Stadtverwaltung gefragt, denn die Versorgung ihrer Jüngsten, also der Zukunft, müsste ihr am Herzen liegen."
Bei größeren Kindern werde man sich wahrscheinlich damit behelfen wollen, sie zum Hausarzt zu schicken, vermutet Gimpl. Doch auch da seien die Erfolgsaussichten nicht besonders gut, "denn die sind oft auch dicht". Das Ausweichen zum Hausarzt sei ohnehin keine Lösung, denn Kinder- und Jugendärzte seien eben für Kinder und Jugendliche zuständig, das heißt bis zum Alter von 18 Jahren.
"Wenn ich etwas Dringendes habe, das ich nicht selber regeln kann, dann hänge ich mich ans Telefon und rufe die Kollegen an, um einen Facharzttermin für meine Kinder auszumachen, damit die kleinen Patienten nicht wie die Erwachsenen Wochen oder Monate auf ein Termin warten müssen." Ihr bis heute guter Draht zur Kinderklinik in Würzburg sei da schon oft von Vorteil gewesen. Beispielsweise wenn am Freitagnachmittag ein Kind mit Atemnot versorgt werden muss und die nächste Kinderklinik im Leopoldina bei der derzeitigen Infektionswelle nicht mehr aufnahmefähig ist.
Bürokratie macht der Arztpraxis zunehmend zu schaffen
Die Kinderärztin würde sich für ihren Berufsstand wünschen, dass Bürokratie nicht noch weiter ausufert. Sie hemme zunehmend den Praxisalltag. Ständig müssten neue und teure Computerprogramme angeschafft werden, und das Papieraufkommen werde dennoch nicht wirklich reduziert. Für junge Kolleginnen und Kollegen wünscht sie sich auch mehr Unterstützung bei Fragen rund um die Niederlassung. "Das war früher alles kein Problem, Dr. Stadler hat mich seinerzeit gefragt, ob ich die Praxis übernehmen will und ich habe ja gesagt, das wars."
Von den sechs Kolleginnen, die Gimpl in der Praxis als medizinische Fachangestellte (MFA) unterstützen, gehen zwei mit ihr in Ruhestand, zwei haben bereits neue Stellen, von zwei weiteren weiß sie noch nicht ganz genau, wie diese sich beruflich orientieren werden. Jetzt wünscht sie sich nur noch, dass möglichst wenige ihrer kleinen Patientinnen und Patienten im kommenden Jahr ohne Kinderarzt dastehen. "Wir Kinderärzte haben den schönsten Beruf, aber ambulante wie stationäre ärztliche und pflegerische Versorgung gerade der Kinder und Jugendlichen braucht dringend öffentliche Unterstützung."