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Greßthal
Keine Kelterei mehr vor Ort: Wie Streuobstbesitzer in Greßthal trotzdem ihr Obst keltern lassen können
Vor zwei Jahren starb plötzlich der Betreiber der Kelterei Keß. Jetzt kommt eine mobile Kelterei aus Brünnstadt in den Ort. Noch ist die Nachfrage aber verhalten.
Auf einem 3,5-Tonnen-Anhänger ist die mobile Kelterei von Thomas und Rita Schneider untergebracht.
Foto: Silvia Eidel | Auf einem 3,5-Tonnen-Anhänger ist die mobile Kelterei von Thomas und Rita Schneider untergebracht.
Silvia Eidel
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:07 Uhr

Saft von den eigenen Äpfeln zu trinken, ist nicht nur ein Genuss, sondern vermittelt auch ein gutes Gefühl. Aber wo pressen lassen? Eine mobile Kelterei kommt jetzt nach Greßthal ins Obere Werntal, wo die Pflege der Streuobstwiesen und das Verwerten der Früchte ein Anliegen der Öko-Modellregion ist.

Bis vor drei Jahren war in Greßthal die Kelterei Keß ein Begriff, die das Obst der Baumbesitzer aus über 50 Ortschaften presste und ihnen als Most oder pasteurisierten Saft wieder mit nach Hause gab. Nach dem plötzlichen Tod von Ewald Keß, dem Chef und Herz des Keltereibetriebs, wurde diese Dienstleistung eingestellt.

In diesem Herbst rollt nun erstmals eine mobile Kelterei aus dem 40 Kilometer entfernten Brünnstadt ins Dorf. Auf den Platz am weißen Turm des Landhandels Schmitt stellt Thomas Schneider einmal die Woche seinen 3,5-Tonnen-Anhänger voller Edelstahl-Maschinen auf. "Die Nachfrage ist noch etwas verhalten", meint Schneider am ersten Tag. Lediglich ein Landwirt hat ihm etwa 200 Kilogramm Äpfel zum Verarbeiten gebracht. "Aber hier sind die Früchte auch später dran", sagt der Brünnstädter. Bei ihm zuhause läuft seine Kelterei jeden Tag.

Professionelle Ausstattung

Schneider wurde vor einiger Zeit von Ewald Keß' Witwe angesprochen, ob er denn nicht nach Greßthal kommen könne. Zwar gibt es in zehn Kilometer Entfernung in Schleerieth eine Vereins-Obstkelterei, die allerdings auch frequentiert ist. In Bergrheinfeld können Früchte bei Getränke Endres abgeliefert werden, auch die Mainfrucht in Gochsheim presst Obst. "Manche Leute sind sogar bis nach Gräfendorf zur Kelterei gefahren", hat Schneider erfahren.

Er selbst betreibt das Lohnkeltern – auch für kleinere Mengen – nur im Nebenerwerb, "es ist ja ein Saisongeschäft". Trotzdem ist seine mobile Kelterei auf dem großen Anhänger mit dem Edelstahl- und Aluminiumaufbau professionell ausgestattet. Wenn er die Seitenklappen des Gefährts öffnet, werden die auf den Anhänger gebauten Maschinen eines österreichischen Herstellers sichtbar. "In Österreich gibt es ganz viele Mostereien", weiß Thomas Schneider.

Die Äpfel werden von Thomas Schneider in einen Behälter geschüttet und dort gewaschen.
Foto: Silvia Eidel | Die Äpfel werden von Thomas Schneider in einen Behälter geschüttet und dort gewaschen.

Nur Wasser- und Stromanschluss mit 16 Ampere benötigt die vollautomatische Kelterei, deren Neuwert Schneider mit 125.000 Euro angibt. Die Äpfel werden in einen Behälter gefüllt, dort gewaschen und dann gemahlen. Die Maische fließt anschließend, von außen nicht sichtbar, in eine moderne Siebbandpresse, die den Saft auspresst.

"Das hier ist kein hydraulisches Pressverfahren, wie man es sonst kennt", erklärt Schneider, mit vielen Lagen Maische in Tüchern übereinander und mit Platten dazwischen. Hier läuft die Maische, verteilt auf 40 Zentimeter Breite, durch eine Walze.

Trester dient als Viehfutter

An deren Ende fällt der Trester in einen bereit gestellten Schubkarren, um vom Landwirt als Viehfutter verwendet zu werden. Der Saft landet in einer Auffangwanne und wird in zwei Vorratstanks gepumpt. Über einen gasbetriebenen Plattenwärmetauscher wird die Flüssigkeit per automatisch gesteuertem Fühler auf 80 Grad erhitzt und damit haltbar gemacht. Eine Pumpe befördert den Saft zur Abfüllung, "das einzige Manuelle bei der Arbeit".

Der Trester, also der Rest der ausgepressten Äpfel, wird wieder als Viehfutter verwertet.
Foto: Silvia Eidel | Der Trester, also der Rest der ausgepressten Äpfel, wird wieder als Viehfutter verwertet.

Schneiders Frau Rita stülpt die Fünf-Liter-Kunststoffbeutel über den Abfüllstutzen, um sie dann in die stabilen Kartons zu stellen. Dieses Bag-in-Box-System hat einen speziellen Auslaufhahn, der keinen Sauerstoff ins Innere des Saftbeutels lässt. So hält sich der pasteurisierte süße Saft auch dann, wenn der Beutel angebrochen ist.

Ausgelegt ist die Bandpresse auf 1000 Kilogramm Äpfel pro Stunde, was 600 Liter Saft ergibt, erklärt der Brünnstädter. Weil immer wieder technische Probleme auftauchen können, braucht es schon ein Verständnis für die Abläufe, gibt er zu. "Wir haben schon viele Erfahrungen gesammelt." Und etliche Verbesserungen vorgenommen.

Information: Wer Interesse hat, seine Äpfel, Birnen oder Quitten keltern zu lassen, muss dies anmelden unter Telefon (09382) 2590865.

 
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  • Stefan Fuchs
    Schade das es die Kelterei Keß nicht mehr gibt.
    Ich war als Kunde immer sehr zufrieden.
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    • Antworten