Die Stadt Gerolzhofen hat bislang schon rund drei Millionen Euro in die Kläranlage investiert. Für weitere Verbesserungen an der Anlage sowie für die Sanierung des Kanalnetzes werden mittelfristig weitere Millionen fällig. All dies müssen die Bürgerinnen und Bürgern finanzieren.
In jüngster Vergangenheit wurde an der Kläranlage kräftig gebaut. Der Sandfang und die Rechenanlage wurden komplett neu errichtet, das Blockheizkraftwerk saniert. Damit ist aber erst etwa ein Drittel des Gesamtprojekts abgeschlossen. Der nächste anstehende Bauabschnitt wird weitere drei Millionen Euro kosten. Die beiden Reaktoren brauchen eine neue Belüftungsanlage. Sanierungsbedarf besteht auch am Faulturm, wo die äußere Wärmedämmung marode ist und zudem eine Betonsanierung ansteht. Dritte große Baustelle ist der Brauchwasserbrunnen auf dem Gelände, der seit dem Frühjahr 2021 komplett ausgefallen ist.
Doch die Kläranlage ist nur ein Teil der städtischen Abwasseranlage. Mehrere Kilometer Kanäle und mehrere Regenüberlaufbecken sind ebenfalls sanierungsbedürftig. Hier kommen auf die Stadt weitere Millionen-Ausgaben zu. Die Abwasser-Entsorgung gehöre zu den sogenannten kostenrechnenden Einrichtungen, erklärte Bürgermeister Thorsten Wozniak in der Stadtratssitzung am vergangenen Montag. Das heißt: Die von der Stadt getätigten Netto-Ausgaben müssen am Ende auf ihre Bewohner umgelegt werden. Und die Einnahmen müssen die Kosten komplett decken.
Zwei Umlage-Möglichkeiten
Wie das Geld von der Bevölkerung erhoben wird, dafür gibt es zwei Umlage-Möglichkeiten: entweder über Beiträge oder über Gebühren. Bei den Beiträgen wird die Investitionssumme anteilig nach der Größe der Geschossflächen auf alle bebauten Grundstücke in Gerolzhofen und Rügshofen verteilt. Belastet werden dadurch aber nur die Grundeigentümer, denn eine Umlage der Kosten auf mögliche Mieter im Rahmen der Nebenkostenabrechnung ist nicht möglich. Bei der anderen Alternative werden die Investitionen durch deutlich erhöhte Verbrauchsgebühren reingeholt. Diese höheren Gebühren treffen dann jeden, der Abwasser verursacht.
In den vergangenen Monaten hat die Stadt Gerolzhofen bereits Vorarbeiten erledigen lassen, damit demnächst die ersten Beitrags- oder Gebührenbescheide verschickt werden können: Zum einen wurden bei allen Anwesen in der Stadt die Geschossflächen neu vermessen, um auch die in den vergangenen Jahren neu hinzugekommenen Anbauten beziehungsweise Ausbauten in den Gebäuden zu erfassen. Zum anderen wurde das Stadtgebiet überflogen, um alle Dächer und befestigten Flächen aufzumessen, die künftig Grundlage für die gesplittete Abwasser-Abrechnung sein werden, wenn zwischen Regen- und Schmutzwasser unterschieden wird.
Wegweisende Entscheidung
Am Montag hatte der Stadtrat nun eine wegweisende Entscheidung zu treffen: Es ging um die Frage, ob die Stadt ihre bereits getätigten Millionen-Ausgaben ausschließlich über Beiträge oder nur über eine Gebührenerhöhung oder über eine Mischform aus beidem bei den Bürgerinnen und Bürgern geltend macht. Der Stadtrat habe den schweren Spagat vor sich, sowohl über die städtische Finanzsituation als auch über die Geldbeutel der Bürgerinnen und Bürger entscheiden zu müssen, sagte Bürgermeister Wozniak. Der Stadtrat hat es sich mit der Entscheidung dann tatsächlich nicht leicht gemacht.
Kämmerer René Borchardt machte eingangs deutlich, dass aus seiner Sicht für die Stadt kein Weg daran vorbeiführt, sich die Investitionssumme bei den Bürgerinnen und Bürgern wieder zu holen. Denn man habe bereits drei Millionen Euro für die Kläranlage aus eigenen Mitteln vorfinanziert, ohne dafür eine einzige Einnahme zu erzielt zu haben.
Einnahmemöglichkeiten überdenken
Bevor jetzt für die weiteren Investitionen ein Kredit als letztmögliches Mittel aufgenommen werde, müsse die Stadt angesichts ihrer engen Finanzlage erst alle eigenen Einnahmemöglichkeiten überdenken. Dies gelte insbesondere auch deshalb, weil die Stadt staatliche Gelder als sogenannte Stabilisierungshilfe beantragt habe. Sie sei deshalb rechtlich angehalten, erst alle eigenen Einnahmequellen auszuschöpfen, ehe man nach der Staatshilfe ruft.
Aus Sicht der Verwaltung wäre es also die beste Lösung, keine weiteren Kredite aufzunehmen, sondern die Investitionen zu 100 Prozent über Beiträge zu refinanzieren, sagte der Kämmerer. "Dies würde den städtischen Haushalt entlasten." Bei einer Abrechnung rein über die Verbrauchsgebühren müsste man hingegen über zig Jahre den Betrag abstottern und die kalkulatorischen Kosten würden die Gebühren deutlich steigen lassen. Und bei einer Finanzierung nur über Kredite würde die Verschuldung der Stadt auf elf Millionen Euro ansteigen und die freie Finanzspanne würde alleine durch die Tilgungszahlungen stark minimiert werden, so Borchardt.
Modellrechnung
Die Verwaltung legte dem Stadtrat auch eine Modellrechnung vor, welcher Betrag in etwa auf die Grundeigentümer zukäme, wenn man alles - also die bereits ausgegebenen drei Millionen und die weiteren drei Millionen Euro - komplett über Beiträge abrechnen würde: Bei einem Einfamilienhaus mittlerer Größe wären es rund 1200 Euro, bei einem Mehrfamilienhaus mit sechs Wohnungen rund 5000 Euro.
Allerdings zeigte sich in der Diskussion dann schnell, dass für den Stadtrat eine Umlage ausschließlich und vollumfänglich über Beiträge nicht in Betracht kommt. Die 100-Prozent-Lösung wurde verworfen. Die Verwaltung präsentierte daraufhin eine Alternative, die zur Grundlage für die weitere Diskussion wurde: 80 Prozent über Beiträge und 20 Prozent über eine Gebührenerhöhung beim Abwasser.
Flexible individuelle Lösung
Thomas Vizl (Geo-net) sagte: "Die Stadt braucht Geld – und zwar zügig." Er plädierte deshalb dafür, den Großteil der Ausgaben über Beiträge reinzuholen. Dabei dürfe man allerdings den sozialen Aspekt nicht vergessen. Man solle deshalb für die Zahlung der Beiträge eine flexible individuelle Lösung anstreben, die weiter gehe als ein bloßes Ratenzahlungsangebot. Wer momentan nicht alles bezahlen kann, so Vizl, dem müsste bei niedrigen Stundungszinsen unbürokratisch Aufschub gewährt werden. Ziel sei es, dass die Bürger "wegen der Stadt nicht zur Bank gehen müssten".
Hier grätschte Verwaltungsleiter Johannes Lang dazwischen. Die Idee Vizls sei rechtlich nicht umsetzbar. Man könne zwar per Bescheid durchaus mehrere Ratenzahlungen – etwa drei bis fünf Stück – ansetzen und für diesen Zeitraum auch auf Zinszahlungen verzichten. Wenn ein Bürger dann aber von diesem Bescheid abweiche, weil er wegen finanzieller Härten momentan nicht zahlen kann, dann könne höchstens noch ein Stundungsantrag ins Spiel kommen – dann allerdings verzinslich nach den derzeitigen Durchschnittszinsen.
Gegenteiliger Ansatz
Einen anderen, fast gegenteiligen Ansatz brachte Günter Iff für die Fraktion der Freien Wähler in die Diskussion ein. Wenn man über Beiträge abrechne, dann seien ausschließlich die Grundbesitzer betroffen. Da sei das Verursacherprinzip und somit die Abrechnung ausschließlich über Gebühren doch deutlich gerechter, meinte Iff. "Denn wer den Schmutz verursacht, der muss auch zahlen."
Auch hier schritt Verwaltungschef Lang ein. Eine Abrechnung künftig ausschließlich nur über Gebühren sei rechtlich ebenfalls nicht möglich, betonte er. Denn diese Regel würde die sogenannten "Alt-Anschließer", die bereits Herstellungsbeiträge gezahlt haben, klar benachteiligen gegenüber denjenigen, die erst jetzt ein Haus bauen und dann nur höhere Verbrauchsgebühren zahlen müssten. Wegen Langs Aussage legte Iff dann für die Freien Wähler eine "Lösung B" auf den Tisch: Beiträge und Gebühren im Verhältnis 50:50.
Sitzungsunterbrechung
Burkhard Wächter für die CSU-Fraktion betonte, man müsse genau abwägen, wer welche Belastungen zu tragen hat. Die Umlage ausschließlich über Beiträge würde die Eigentümer stark belasten. Setze man hingegen nur auf das Verursacherprinzip, dann würden die Verbrauchsgebühren stark steigen, viele Familien wären belastet und die Stadt wäre zudem auf lange Zeit finanziell gelähmt. "Die CSU Fraktion möchte, um das Verursacherprinzip nicht zu sehr zu vernachlässigen und den Wasserverbrauch zu reduzieren, aber nicht gänzlich auf die Erhöhung von Gebühren verzichten", sagte Wächter.
Um die Belastung für die Bürgerinnen und Bürger so moderat wie möglich zu halten, sollten bei der Erhebung von Beiträgen die Verbesserungsbeiträge auf drei Tranchen eingehoben werden - zu 40, 40 und 20 Prozent, bei niedrig verzinsten Stundungsmöglichkeiten. Nach einer Sitzungsunterbrechung, die die Fraktionen zu weiteren Besprechungen nutzten, legte die CSU einen neuen Vorschlag auf den Tisch: eine Quote der Beiträge und Gebühren von 70:30.
Zweiter Bürgermeister Erich Servatius (SPD) schloss sich dem Verwaltungsvorschlag von 80:20 an. Auch er forderte, dass unter sozialen Gesichtspunkten eine möglichst unkomplizierte Ratenzahlungen möglich sein müsse.
Drei Vorschläge zur Abstimmung
So standen am Ende einer langen Diskussion drei Vorschläge zur Abstimmung: eine Quote von 80:20 (von der Verwaltung und der SPD-Fraktion vorgeschlagen), eine Quote von 70:30 (von der CSU ins Spiel gebracht) und der Vorschlag der Freien Wähler mit 50:50. Der Vorschlag von Verwaltung und SPD wurde mit 10:10 Stimmen abgelehnt. Der CSU-Vorschlag mit 70 Prozent über Beiträge und 30 Prozent über Gebühren ging mit 13:7 Stimmen durch. Deshalb kam der Antrag der Freien Wähler nicht mehr zur Abstimmung.