Es ist schon fast eineinviertel Jahre her, dass der Stadtrat in seiner Sitzung am 18. November 2019 einstimmig den Grundsatzbeschluss fasste, die Abwassergebühren künftig zu splitten. Splitten heißt: Die Abwassergebühren werden in eine Schmutzwasser- und eine Niederschlagswassergebühr aufgeschlüsselt. Am vergangenen Montagabend ging es bei der Stadtratssitzung in der Stadthalle nun erstmals um die konkrete Frage, wie man die neue Niederschlagswassergebühr ermitteln und berechnen will.
Bislang war die Berechnung der zusätzlich zur Grundgebühr anfallenden Abwassergebühren relativ einfach. Grundsätzlich ging man davon aus, dass die gleiche Menge an Trinkwasser, die der Bürger von der Stadt abgekauft hat, irgendwann auch wieder als Abwasser anfällt. Ausnahmen von dieser Gleichung gab es beispielweise nur dann, wenn ein Grundstücksbesitzer nachweisen konnte, dass er einen Teil der Trinkwassermenge zum Gartengießen verwendet und somit nicht der Kläranlage zugeführt hat.
Ungerechtigkeiten
Nicht berücksichtigt wird dabei bislang allerdings das Oberflächenwasser, das auf den Dächern der Gebäude und auf den versiegelten Straßen, Flächen oder Höfen anfällt und über die Kanalisation ebenfalls in die Kläranlage gelangt und dort aufwändig bearbeitet wird. Dies führt letztlich zu Ungerechtigkeiten: Der Eigentümer einer großen Lagerhalle beispielsweise leitet erhebliche Mengen an Dachwasser in die Kläranlage ein und zahlt aber nach dem jetzigen Abrechnungsmodus – im Gegensatz zu einer Familie mit Kindern – nur eine geringe Kanalgebühr, weil in der Gewerbe-Immobilie kaum Trinkwasser verbraucht wird.
Nach Musterklagen von Bürgerinnen und Bürgern hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass im Sinne der Gebührengerechtigkeit und der Rechtssicherheit die Gemeinden die Abwassergebühren dann zwingend splitten müssen, wenn die Kosten für die Regenwasserbeseitigung mehr als zwölf Prozent der Abwasser-Gesamtkosten darstellen. Dies ist in Gerolzhofen der Fall.
Keine Mehreinnahmen geplant
Mit dem neuen gesplitteten Abrechnungsmodus werden diejenigen Nutzer von Grundstücken belohnt, die möglichst wenig von ihren Flächen versiegelt haben. Manche Bürgerinnen und Bürger werden mehr zahlen müssen, andere weniger als bisher. Unter dem Strich will die Stadt Abwassergebühren in der gleichen Summe wie bisher einnehmen. Die Änderung beim Abrechnungsmodus soll also nicht zu Mehreinnahmen führen.
Um die Gebühren für Schmutzwasser und Niederschlagswasser aber neu kalkulieren zu können, braucht man als Berechnungsgrundlage erst einmal die Größe der versiegelten Fläche für jedes der 2800 Grundstücke im Stadtgebiet. Das Grundproblem ist die Frage, wie die Stadt an diese Daten gelangen will. Es gibt hier zwei Möglichkeiten:
- Die künftige Niederschlagswassergebühr bemisst sich nach den überbauten und befestigten Flächen der Grundstücke, von denen aus Niederschlagswasser in die Kanalisation eingeleitet wird. Die Ermittlung dieser Flächen erfolgt zunächst anhand einer Befliegung des Stadtgebiets und auf dieser Grundlage werden dann im nächsten Schritt Selbstauskünfte von den Grundstückseigentümern eingeholt, um die Flächen individuell für jedes Grundstück zu berechnen.
- Die Alternative dazu: Die künftige Niederschlagswassergebühr wird nicht konkret für jedes individuelle Grundstück einzeln berechnet, sondern man nimmt dafür den so genannten "mittleren Gebietsabflussbeiwert" her. Dieser Wert bestimmt pauschal den durchschnittlich vorhandenen Anteil von bebauten und befestigten Flächen an der gesamten Grundstücksfläche, und dies je nach Gebietstypus, also zum Beispiel für ein reines Wohngebiet, für die Altstadt oder für ein Gewerbegebiet. Die Berechnung der Flächen erfolgt durch ein Fachbüro und auf dieser Grundlage werden noch Selbstauskünfte von den Grundstückseigentümern eingeholt.
Bürgersprechstunden
Bei beiden Alternativen kann es auf Antrag der Grundstückseigentümer natürlich zu abweichenden Einzelfallentscheidungen kommen, falls der Eigentümer nachweisen kann, dass seine befestigte Fläche geringer ist als die, die vom Flugzeug aus gemessen oder über den "Gebietsabflussbeiwert" pauschal berechnet wurde. Gleiches gilt, wenn er nachweisen kann, dass die Fläche zwar befestigt, aber nicht komplett an das Kanalnetz der Stadt angeschlossen ist. Es dürfte deshalb zu einer Masse an Einzelfallentscheidungen kommen, die bei speziell angebotenen Bürgersprechstunden abgeklärt werden sollen.
Wählt man Variante eins mit der Befliegung des Stadtgebiets muss man noch ein weiteres Problem lösen: Es gibt die unterschiedlichsten Arten von befestigten Flächen. Während ein betonierter oder asphaltierter Hof oder ein Hausdach kein Niederschlagswasser versickern lässt, sieht es hingegen bei Schotter, bei einem Pflaster mit Fugensteinen oder bei Rasengittersteinen völlig anders aus. Es wäre ungerecht, eine Fläche mit Rasengittersteinen, die kaum Abfluss in die Kanalisation hat, wie eine Dachfläche anzusehen. Hier behilft man sich, indem es für unterschiedliche "Befestigungsgrade" auch unterschiedliche Berechnungsfaktoren gibt. Beispiele: Die Dachfläche wird mit 100 Prozent angesetzt, eine Fläche mit Pflaster oder Rasenfugenpflaster mit 60 Prozent und Rasengittersteine oder wassergebundene Decken (Kies und Splitt) mit nur 35 Prozent.
Externes Fachbüro beauftragt
Egal, ob die neue Abrechnung über Variante eins oder Variante zwei laufen soll, die Stadt braucht dazu die Hilfe eines externen Fachbüros. Im Vorfeld wurde bereits das Ingenieurbüro "Planungsschmiede Braun" beauftragt, eine entsprechende Ausschreibung durchzuführen. Frank Braun stellte am Montagabend in der Sitzung noch einmal die Grundzüge der neuen Abrechnungsmethode vor und plädierte für Variante eins mit der Auswertung von Luftbildern (so genannte Orthophotos), obwohl dies etwas mehr kosten wird. Der Mehrwert für nachfolgende Berechnungen spare die Mehrkosten aber leicht wieder ein.
Für Variante eins
Der Stadtrat entschied sich einstimmig für die Abrechnungs-Variante eins auf Grundlage von Orthophotos. Die Vergabe an ein Fachbüro erfolgte dann in nichtöffentlicher Sitzung. Kosten entstehen in einer Größenordnung zwischen 70.000 und 80.000 Euro. Die Befliegung soll bereits spätestens im April erfolgen, weil bei einem späteren Fototermin manche Flächen wegen Bewuchs nicht mehr genau erkennbar wären. Wenn alles gut läuft, könnte das Fachbüro seine Ergebnisse vielleicht schon im September oder Oktober bei der Stadt abgeben. Dann wäre die Kämmerei gefordert, diese Daten schnellstmöglich einzupflegen, um ab dem Jahr 2022 die Kanalgebühren gesplittet abzurechnen. Allerdings ist es laut Bürgermeister Thorsten Wozniak unsicher, ob dieser Zeitplan eingehalten werden kann. Näheres wird man erst dann wissen, wenn es ein Gespräch mit dem nun beauftragten Fachbüro gegeben hat.
Vor der Abstimmung hatte Thomas Vizl (Geo-net) darauf hingewiesen, dass die gesplittete Abrechnung auf einen Antrag seiner Fraktion zurückzuführen ist. Neben der Beitragsgerechtigkeit dürfe man auch den ökologischen Aspekt nicht übersehen: In unserer regenarmen Region sei es wichtig, möglichst viel von den Niederschlägen "hier zu behalten, statt sie abzuleiten". Diejenigen Bürger würden nun einen monetären Vorteil erhalten, wenn sie sich für die Umwelt einsetzen. Günter Iff von den Freien Wählern entgegnete, dass der Grundsatzbeschluss des Stadtrats am 18. November 2019 über alle Fraktionen hinweg einstimmig getroffen worden war.