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Schweinfurt
"Jetzt habe ich endlich meine Freiheit": 5 Menschen aus Schweinfurt erzählen, was ihnen ihre Einbürgerung bedeutet
Rund 700 Menschen haben 2022/23 in Schweinfurt die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. Für viele bedeutet das vor allem Sicherheit. Doch der Weg dahin war oft hart.
Freiheit, Sicherheit, bürokratische Hürden – Raaed Al Ahmad, Kara Kitze, Raed Aljomah, Ghalia Bilal und Zakaria Daabul (von links) erzählen von ihrem langen Weg zur Einbürgerung und was ihnen der Status bedeutet.
Foto: Désirée Schneider | Freiheit, Sicherheit, bürokratische Hürden – Raaed Al Ahmad, Kara Kitze, Raed Aljomah, Ghalia Bilal und Zakaria Daabul (von links) erzählen von ihrem langen Weg zur Einbürgerung und was ihnen der Status bedeutet.
Désirée Schneider
 |  aktualisiert: 10.09.2024 02:36 Uhr

Deutschland braucht Einwanderung. Dass dem so ist und auch Schweinfurt davon keine Ausnahme darstellt, dafür fand Oberbürgermeister Sebastian Remelé jüngst anlässlich der Einbürgerungsfeier der Stadt Schweinfurt klare Worte. "Wir wollen Sie hier und wir brauchen Sie hier", verkündete er den anwesenden Neubürgerinnen und Neubürgern.

Rund 240 Menschen haben 2022 in Schweinfurt die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. 2023 waren es bereits 460. Der Großteil von ihnen stammt aus Syrien. Für die meisten von ihnen geht mit ihrer Einbürgerung ein langer und bürokratischer Weg zu Ende. Fünf von ihnen berichten, was ihnen ihre Einbürgerung bedeutet.

1. Raed Aljomah (22): "Die Einbürgerung ist wie ein Schlüssel zum Glück"

Raed Aljomah ist 2014 aus Syrien nach Deutschland geflohen – damals war er zwölf Jahre alt. Nach vielen Jahren in Berlin schätzt er in Schweinfurt vor allem das Gefühl von Sicherheit.
Foto: Désirée Schneider | Raed Aljomah ist 2014 aus Syrien nach Deutschland geflohen – damals war er zwölf Jahre alt. Nach vielen Jahren in Berlin schätzt er in Schweinfurt vor allem das Gefühl von Sicherheit.

"Für mich ist die Einbürgerung wie ein Schlüssel zum Glück. Damit habe ich ab jetzt viel mehr Möglichkeiten. Zum Beispiel kann ich viel freier reisen. Ich bin 2014 aus Syrien nach Deutschland gekommen – damals war ich zwölf Jahre alt. Ich habe dann lange in Berlin gelebt und bin dort auch zur Schule gegangen. Das hat mir sehr dabei geholfen, die Sprache zu lernen. Nach Schweinfurt bin ich wegen der Arbeit gekommen. Ich arbeite hier in der Lagerlogistik, habe jetzt aber eine einjährige Umschulung gemacht und will in Zukunft in der Personalabteilung arbeiten. In Schweinfurt gefällt es mir viel besser als in Berlin, weil ich mich hier viel sicherer fühle. Ich habe wirklich viel Mühe investiert, um mir hier ein neues Leben aufzubauen. Deswegen bin ich so stolz, dass ich jetzt offiziell ein Mitglied der deutschen Gesellschaft bin, und will hier viel Gutes tun."

2. Kara Kitze (30): "Wirklich eingebürgert bist du, wenn du ältere Deutsche zum Lachen bringen kannst"

Kara Kitze kam mit 19 Jahren der Liebe wegen aus den USA nach Schweinfurt. Als Barista sagt sie: 'Wirklich eingebürgert bist du, wenn du ältere Deutsche zum Lachen bringen kannst.'
Foto: Désirée Schneider | Kara Kitze kam mit 19 Jahren der Liebe wegen aus den USA nach Schweinfurt. Als Barista sagt sie: "Wirklich eingebürgert bist du, wenn du ältere Deutsche zum Lachen bringen kannst."

"Im Vergleich zu vielen anderen hier hatte ich wohl eine ziemlich privilegierte Einbürgerungsgeschichte. Die USA haben zwar viele Probleme, aber sie sind zumindest kein Kriegsgebiet. Ich bin 2013 mit 19 Jahren recht spontan wegen der Beziehung zu einer Deutschen nach Schweinfurt gekommen. Aber obwohl ich Sprachkurse gemacht und gejobbt habe, war es schwierig, sich zu integrieren. Auch mit den Behörden gab es immer Probleme. Wir haben dann geheiratet, obwohl ich damals schon wusste, dass sich das nicht richtig anfühlt. Aber ich hatte das Gefühl, um hierbleiben zu können, muss ich diese Entscheidung treffen.

Für die Einbürgerung habe ich mich aber erst entschieden, als klar war, dass ich die Scheidung möchte. Für mich bedeutet meine Einbürgerung jetzt vor allem Sicherheit. Sie nimmt mir ein riesiges Gewicht von den Schultern, weil ich endlich das Gefühl habe: Ich habe ein Recht hier zu sein. Außerdem mag ich Schweinfurt mit seinen netten kleinen Geschäften und die Franken. Ich arbeite als Barista in der kleinen Kaffeerösterei und da sage ich immer: Wirklich eingebürgert bist du, wenn du ältere Deutsche zum Lachen bringen kannst. Und das kann ich mittlerweile."

3. Raaed Al Ahmad (33): "Die Sprache ist das größte Problem für die Leute"

Raaed Al Ahmad schätzt an Schweinfurt besonders die Ruhe und die guten Arbeitsmöglichkeiten. Für viele Eingewanderte sei vor allem die Sprache ein Problem, sagt er.
Foto: Désirée Schneider | Raaed Al Ahmad schätzt an Schweinfurt besonders die Ruhe und die guten Arbeitsmöglichkeiten. Für viele Eingewanderte sei vor allem die Sprache ein Problem, sagt er.

"Es ist ein schönes Gefühl, dass es mit der Einbürgerung geklappt hat. Für mich ist Schweinfurt einfach die beste Stadt. Hier ist es nicht so laut wie in den größeren Städten und es gibt viel Arbeit. Ich arbeite seit 2018 als Schichtleiter in der Logistik. Am Anfang hatte ich mit der Sprache aber große Probleme. So geht es vielen – die Sprache ist das größte Problem für die Leute. Ich kenne viele, die deswegen die Staatsbürgerschaft nicht bekommen haben. Und ein Problem ist auch der Reisepass. In Syrien haben nicht alle Leute einen Reisepass, den braucht man hier aber für die Einbürgerung. Ich hatte auch keinen, als ich 2015 aus meiner Heimatstadt Al Qamischli in Syrien nach Deutschland gekommen bin. Ich musste dann für 400 Euro einen bei der Botschaft beantragen – und das, obwohl ich einen beglaubigten syrischen Ausweis hatte."

4. Ghalia Bilal (44): "Jetzt habe ich endlich meine Freiheit"

Ein Jahr musste Ghalia Bilal auf die Bearbeitung ihres Antrags warten. Jetzt bedeutet ihre Einbürgerung für sie vor allem Freiheit. Ihr Sohn Baz Achmad (8) wurde in Deutschland geboren.
Foto: Désirée Schneider | Ein Jahr musste Ghalia Bilal auf die Bearbeitung ihres Antrags warten. Jetzt bedeutet ihre Einbürgerung für sie vor allem Freiheit. Ihr Sohn Baz Achmad (8) wurde in Deutschland geboren.

"Ich bin 2013 mit meinem Bruder aus Syrien nach Deutschland gekommen. Wir sind Kurden und als Kurde hat man es in Syrien wirklich schwer. Es gibt viele Gruppen, die gegen uns sind. Sie haben viele unserer Männer genommen und Frauen vergewaltigt. Deswegen sind wir geflohen. Aber am Anfang war es auch hier schwer für uns. Ich kannte ja niemanden. In meiner Ausbildung zur Ernährungsberaterin waren alle viel jünger als ich, da war es schwierig, mit jemandem in Kontakt zu kommen. Später kam dann mein Mann nach und unser Sohn wurde zum Glück hier in Deutschland geboren. Auf meine Einbürgerung musste ich sehr lange warten. Fast ein Jahr hat es gedauert, bis mein Antrag bearbeitet wurde. Aber als dann die Antwort kam, war es für mich wie ein Traum. Es ist so ein schönes Gefühl – jetzt habe ich endlich meine Freiheit. Eine Freiheit, die ich in Syrien so nicht hatte."

5. Zakaria Daabul (30): "Eigentlich ändert sich nur auf dem Papier etwas"

Für Zakaria Daabul ändere sich mit seiner Einbürgerung nur formal etwas, sagt er. Er ist schon lange in Deutschland, fühlt sich gut integriert, hat viele Kontakte.
Foto: Désirée Schneider | Für Zakaria Daabul ändere sich mit seiner Einbürgerung nur formal etwas, sagt er. Er ist schon lange in Deutschland, fühlt sich gut integriert, hat viele Kontakte.

"Um ehrlich zu sein, fühle ich mich nach der Einbürgerung nicht wirklich anders als vorher. Ich bin schon lange in Deutschland und habe hier viele Freunde – Deutsche und Ausländer. Für mich ändert sich jetzt eigentlich nur auf dem Papier etwas. Das Schwierigste bei der Einbürgerung war, meinen syrischen Reisepass zu besorgen. Ohne den geht es nicht. Aber die Botschaft nimmt wirklich viel Geld dafür und es dauert Monate, bis man ihn bekommt. In Syrien muss man die Beamten bestechen, damit sie den Antrag überhaupt bearbeiten. Mein Bruder hat mir die Dokumente dann aus Syrien zugeschickt. 300 Euro habe ich dafür gezahlt, mittlerweile kostet es 800, wenn man den Pass schnell braucht. Ich bin 2014 aus Syrien geflohen und wurde von der Polizei im Zug von Budapest nach Berlin erwischt. Ich war in verschiedenen Camps und bin dann nach Schweinfurt gekommen. Hier hatte ich bis vor Kurzem einen syrischen Supermarkt, den habe ich jetzt aber abgegeben. Erst heute habe ich meinen neuen Arbeitsvertrag unterschrieben. Ich werde jetzt wieder in einem Sanitätshaus arbeiten, im Bereich Schuhtechnik, das habe ich auch in Syrien schon gemacht." 

 
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  • Erich Spiegel
    @Fatih Bulut:" Leben und Leben lassen". Ich bin ihrer Meinung. Erdogan anscheinend nicht. Er verfolgt die Opposition und unterstützt türkische Nazis ("Graue Wölfe"). Die Türken haben in Deutschland alle Freiheiten und leben in einem Land, das noch funktioniert. Es geht ihnen wirtschaftlich gut. Aber sie wählen Erdogan einen Despoten, der die Opposition verfolgt und einsperrt. Die Türkei hat er und seine Clique herunter gewirtschaftet. Die fleissige Bevölkerung leidet, während er in seinem goldenen Palast residiert und er mit seiner Clique das Land ausplündert. Wer Erdogan toll findet kann gerne wieder zurück in die Heimat. Niemand hält ihn auf. Wer sich an die Regeln in unserem Land hält, wie meine türkische Bekannte, gegen den hat Niemand etwas.
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  • Erich Spiegel
    Eine Frage: sind die Deutschtürken gut integriert, die täglich türkisches Propaganda TV schauen? Oder die 60% Russlanddeutschen am Würzburg er Heuchelhof, die vom russischen Putin TV "informiert" werden, wo über Deutschland und seine Wertvorstellungen geschimpft wird? Leute, die nach jahrzehnte langem Aufenthalt nur gebrochenen deutsch sprechen. Menschen, die die neu gegründete islamistische Partei "DAVA" wählen? Übrigens 60% der Deutschtürken,also einige Millionen Wähler, haben den Diktator Erdogan gewählt bei der letzten Wahl. Irgendwann sitzt DAVA im Bundestag, wenn es so weitergeht.
    Beim Thema "Migration" sind viele, vor allem Linke und Grüne, ziemlich blauäugig unterwegs. Wer in Zukunft noch mehr Unruhe im Land haben möchte muss noch mehr Migranten ins Land lassen. Ist meine Meinung rechtsradikal oder nur vernünftig?
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  • Fatih Bulut
    Egal was man von Herrn Erdoğan halten mag. Er wurde demokratisch gewählt von seinem Volk, ob dies ihnen passt oder nicht ist irrelevant. Daher ist ihre Aussage mit "Diktator" Realitätsfern und konterkariert mit einer "objektiven" und Meinung. Sie sollten anfangen zu akzeptieren, dass Menschen sich das anschauen können, wonach ihnen ist. Leben und Leben lassen. Diese Menschen werden sie nie wieder wegbekommen aus Deutschland, sie sollten anfangen damit klar zu kommen.
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  • Walter Stöckl-Manger
    Er wurde nicht demokratisch gewählt, da in Möchtegernsultans Türkei keine Demokratie existiert.
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  • Erich Spiegel
    Diesen Menschen möchte ich nichts unterstellen. Aber ist "gut integriert" wenn jemand auf die Arbeit geht und Steuern bezahlt? Ich denke dazu gehört auch seine Einstellung zur deutschen Gesellschaft und den Wertvorstellungen in diesem Land. Wie wer tickt stellt sich oft hinterher raus. Man wird nicht beim Grenzübertritt automatisch Demokrat. Eine Gesellschaft verträgt nur eine bestimmtes Maß an Verschiedenheit. Das ist meine Meinung und die Meinung eines großen Teils der Bevölkerung. Bin ich jetzt rechtsradikal?
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  • Martin Heberlein
    Ja.
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  • Stefan Fuchs
    Falsch Hr.Spiegel.
    Mein Ur-Grossvater wurde' 46 zum kommisarischen Bürgermeister von Mainberg von den Amerikanern ernannt.
    Er erzählte mir wie schwierig es war die deutschen Kriegsflüchtlinge zu integrieren.
    Diese deutschen Menschen waren das "Barackenvolk" für viele in Mainberg.
    Noch schlimmer,die meisten von ihnen waren Protestanten und sprachen einen anderen Dialekt.
    Soviel zur NS-Propaganda von der Volksgemeinschaft.

    Neh Hr Spiegel,da leb ich lieber in Schweinfurt als in Thüringen unter hasserfüllten Menschen.

    Obacht, Geschichte wiederholt sich.
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  • Erich Spiegel
    Auch in Schweinfurt wird Hass geschürt. Das passiert hinter den Gardinen. Auch in Würzburg Heuchelhof wird gegen die westliche Demokratie gehetzt. Was glauben Sie woher die 60 % AfD Stimmen am Heuchelhof kommen? Kann ich Ihnen sagen. Im Putin TV, das in vielen Wohnungen am Heuchelhof flimmert wird die AfD als einzige wählbare Partei bezeichnet, während über die demokratischen Parteien Lügen verbreitet werden.
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  • Manfred Englert
    Herr Fuchs, anscheinend stehe ich auf der "Leitung". Ich weiß leider nicht, was Sie mit Ihrem Kommentar ausdrücken wollen.

    Doch, eines fällt mir auf: Sie benennen das"Barackenvolk" als Kriegsflüchtlinge. Nein, das waren Sie meines Wissens nicht, sie waren und sind immer noch Heimatvertriebene, und so wollen diese auch benannt werden!
    In meinem Geburtshaus wuchs ich mit Kindern dieser Vertriebenen auf, und ja es stimmt, diesen wurde das Leben nicht einfach gemacht.
    Viele der Angestammten blickten neidisch (ohne Grund!!) auf "die Flüchtling", die ja für ihre Vertreibung aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten nichts konnten. Sie wurden alle nach und nach bestens integriert und Freundschaften zu diesen jetzt Erwachsenen bestehen noch immer.
    Und daß die einheimische Bevölkerung zunächst mißtrauisch die Gruppe der Vertriebenen beäugte dürfte nicht nur an den gepflegten Vorurteilen gelegen haben, sondern diese "Vorsicht" ist ganz tief im menschen Unterbewußtsein abgespeichert.
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  • Walter Stöckl-Manger
    Vielen Dank für diese interessanten Einblicke, hilft auch ein bisschen gegen Vorurteile und Pauschalisierungen, gegen die auch ich nicht gefeit bin.

    Nur aus Interesse: Wurde bei den Antworten sprachlich redigiert?
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