
Am Rande seines Feldes bei Ballingshausen kniet Norbert Hümmer neben einem Erdloch. Vor sich hat der Rentner einen Meterstab auf dem Boden ausgeklappt. Er ragt rund einen halben Meter vom Ackerrand über einen asphaltierten Weg zu einer roten Markierung hin.
Bei dem Loch handle es sich um einen Grenzstein, der zeigt, dass dort, wo heute ein Teil der Straße verläuft, eigentlich Hümmers Feld liegen soll. "Beim Bau des Wirtschafts- und Radweges wurde unsere Grundstückgrenze fahrlässig überbaut", sagt er. Bereits in der Vergangenheit hatte diese Redaktion über den Fall des Ballingshäuser berichtet. Jetzt, einige Jahre danach, tun sich neue Fragen dazu auf. Aber von vorne.
2008 begann der Markt Stadtlauringen als Auftraggeber, zusammen mit dem Amt für Ländliche Entwicklung als Planungsbehörde, mit der Realisierung eines neuen Rad- und Wirtschaftswegs von Ballingshausen nach Altenmünster. Mit dem Bau beauftragt wurde eine Baufirma aus dem Landkreis Haßberge. Doch während der Ausführung kam es zu einem Fehler, bei dem fälschlicherweise 254 Quadratmeter von Hümmers Acker überbaut wurden. Als der Irrtum auffiel, war der Weg bereits asphaltiert – zum Ärger für den Eigentümer.
254 Quadratmeter überbaut
Auch bei der Marktgemeinde löste der Fall keine Freudensprünge aus. Bürgermeister Friedel Heckenlauer bezeichnet die Überbauung heute noch als "unstrittiges Ärgernis". Um den Schaden zu begrenzen, legte die Gemeinde dem Betroffenen deshalb im Mai 2009 das Angebot vor, die 254 überbauten Quadratmeter nachträglich abzukaufen oder ihm diese Fläche auf der nördlichen Seite des Ackers ersatzweise zu übergeben.
Zudem bot die Gemeinde Hümmer an, die Fläche mit Mutterboden aufzufüllen und auf seinen Wunsch hin eine Drainage zur Entwässerung für das Stauwasser anzulegen. Aber Hümmer lehnte ab. Stattdessen reichte er Klage vor dem Landgericht Schweinfurt ein, um sein "Recht auf Eigentum zu verteidigen" und den entstandenen Schaden beheben zulassen, erklärt er. Zunächst mit Erfolg.
20.000 Euro Gerichtskosten
Das Landgericht sah in seinem Urteil einen Rückbau des Radwegs als gerechtfertigt an, sagt Hümmer. Doch der Fall ging in die nächste Instanz vor das Oberlandesgericht Bamberg. Dort ist es dann zum Vergleich gekommen, sagt Hümmer. Das Resultat: Der Ballingshäuser erhält eine Entschädigung für die Überbauung von zehn Euro pro Quadratmeter, muss allerdings – trotz Rechtsschutzversicherung – einen Anteil von 5000 Euro an den Prozesskosten von insgesamt 20.000 Euro zahlen.

"Jahrelang bin ich vor Gericht vom Amt für Ländliche Entwicklung als Lügner hingestellt worden. Das ärgert mich am meisten. Ich wollte eine Klärung, und die hat das Gericht nicht erbracht", schimpft Hümmer heute. Etwaige Beschwerden beim Landratsamt und Landwirtschaftsministerium haben die Behörden unter anderem mit Verweis auf das Angebot der Gemeinde an Hümmer in mehreren Schreiben abgewiesen.
Als Ende vergangenen Jahres ein ähnlicher Fall in Gerolzhofen aufschlägt, wirft dieser bei dem Rentner neue Fragen auf. Auf dem Radweg zwischen Gerolzhofen und Brünnstadt musste ebenfalls wegen einer Überbauung ein Streckenabschnitt von der Baufirma zurückgebaut werden. "Ich weiß heute noch nicht, wer Schuld ist und warum in Gerolzhofen ohne weiteres und ohne gerichtliche Auseinandersetzung zurückgebaut worden ist", sagt Hümmer.
Rückbau wäre deutlich teurer
Antworten auf die Fragen liefert auf Nachfrage der Redaktion die Gemeinde Stadtlauringen. Laut Geschäftsleiter Rene Schäd und Bürgermeister Heckenlauer unterscheiden sich die beiden Fälle in einem bestimmten Punkt. Beim Radweg in Gerolzhofen, so die Gemeindevertreter, habe die verantwortliche Baufirma unumwunden ihren alleinigen Fehler bei der Bauausführung zugegeben.
In Ballingshausen hingegen hätten sich, so die Vertreter weiter, das Planungsbüro, welches den Weg vermessen habe, und die ausführende Baufirma gegenseitig die Schuld zugeschoben. "Die Planung war korrekt, aber es gab keinen, der sich verantwortlich zeigte für die Ausführung", sagt Schäd.
Laut Gemeinde lag der Fehler beim Radweg in Ballingshausen letztlich bei der Bauaufsicht und menschlichem Versagen innerhalb des Planungsbüros. Die Schuldfrage konnte das Oberlandesgericht mit seinem Urteil nicht abschließend klären.
Was den Vergleich betrifft, hat das Amt für Ländliche Entwicklung Hümmer für den entstandenen Schaden ausbezahlt. Bürgermeister Friedel Heckenlauer fasst das Urteil wie folgt zusammen: "Eine gütliche Einigung kam nicht zustande, dann gab es eine gerichtliche Einigung, und die hat man in einem Rechtsstaat zu akzeptieren."