„Was Du nicht willst, das man Dir tut, das füg auch keinem anderen zu.“ Der Satz steht – leicht fehlerhaft – am Ende eines Protestplakats, das Norbert Hümmer aus dem Stadtlauringer Ortsteil Ballingshausen auffällig am Rand des Radwegs nach Altenmünster aufgestellt hat. Mit dem alten Leitsatz will Hümmer ausdrücken, dass die Ellenbogengesellschaft auch im beschaulichen Stadtlauringen angekommen ist. Er sagt weiter, dass er, David, sich dem Goliath nicht beugen will.
Und Goliath, das sind in seinen Augen die Behörden. Zum einen das Amt für ländliche Entwicklung und die Marktgemeinde, die ihm beim Bau des Radweges nicht nur ein Stück Land geklaut haben sollen. Sie sind wegen der Ausführung auch Schuld daran, dass auf dem „Krautgarten“, so der offizielle Flurtitel seines Ackers, nach starken Niederschlägen oder nach der Schneeschmelze am Ende eines jeden Winters Wasser stehen bleibt.
So steht es in einem Schreiben seiner Anwältin Doris Eckert (Schweinfurt) ans Landgericht, bei dem der Ballingshäuser Streitfall mittlerweile gelandet ist. Hümmer hat den Acker einem Landwirt verpachtet, der dadurch Ernteeinbußen habe. Der Bauer habe die Pacht zwar noch nicht reduziert, aber er müsse deshalb und wegen der nur noch eingeschränkt möglichen Nutzung für schwere Maschinen damit rechnen.
Unzählige Schreiben
Der Markt Stadtlauringen baute den Rad- und Wirtschaftsweg im Jahr 2008. Seitdem gibt es eine lebhafte Korrespondenz auch deshalb, weil Hümmer reklamierte, dass 280 Quadratmeter der zwei Hektar Acker ungerechtfertigterweise zum Radweg geworden sind. „Beim Bau des Wirtschafts- und Radweges wurde unsere Grundstückgrenze grobfahrlässig (...) überbaut“, steht in einem der unzähligen Schreiben an die Behörden. Man habe nicht verkauft, verlange deshalb, den „erlittenen Schaden“ zu beheben, sprich Rückbau.
Zu einem Ortstermin hat er den Reporter eingeladen. Hümmer erläutert, dass ein Feldweg weiter südlich die bessere Lösung gewesen wäre. Die Gemeinde habe sich aber der katholischen Kirche gebeugt, weil auf der kurvigeren Variante an seinem Acker vorbei der Liborius-Wagner-Pilgerweg verläuft. Die Diözese habe 10 000 Euro Zuschuss fürs Entgegenkommen bezahlt.
So erklärt sich auch ein Passus auf dem Protestplakat: „Mit rk. Kirchengeld u. Steuergeldern wurde unser Feld vorsätzlich überbaut“. „rk“ steht für römisch-katholisch. Hümmer schreibt „unser Feld“, weil Eigentümer des Ackers neben ihm weitere Geschwister sind.
Weit mehr regt sich der Ballingshäuser, der seine Brötchen als Fernfahrer verdient, aber übers Wasser auf dem verpachteten Feld auf. Für Hümmer ist das der Knackpunkt. Er sagt, dass für den Radweg der vorherige Feldweg aufgeschüttet, das Gelände dadurch höher wurde, was ursächlich für den Wasserzulauf sei, das wegen der Topografie nicht abfließen könne.
Was sagt die Gemeinde? Bürgermeister Friedel Heckenlauer räumt ein, dass die Grundstückgrenze beim Ausbau nicht beachtet wurde. Wegen dieses „unstrittigen Sachverhalts“ wurde der Erbengemeinschaft im Mai 2009 das Angebot unterbreitet, die genau 254 Quadratmeter nachträglich abzukaufen oder Hümmer diese Fläche auf der nördlichen Seite des Ackers ersatzweise zu übergeben. Dieser Eigentümer hätte an die Gemeinde verkauft, die die 254 Quadratmeter als Ersatz an Hümmer geben wollte und will. Es gab dafür sogar einen ausgearbeiteten Notarvertrag.
Nur: Die Offerte blieb zunächst unbeantwortet. Nach einer „Erinnerung“ durch die Gemeinde habe Hümmer im Januar 2010 sogar sein Ja signalisiert, aber im Februar 2010 mitgeteilt, dass er zusätzlich eine Entwässerung wünscht. Daraufhin sei man Hümmer auch hier entgegengekommen, habe den Bau einer Drainage auf Kosten der Marktgemeinde angeboten, obwohl es keine Rechtsgrundlage dafür gebe, sagt Heckenlauer.
Es sei außerdem einmal die Lieferung von Mutterboden – „selbstverständlich auf Kosten der Gemeinde und zusätzlich zu den bisherigen Angeboten“ – zur Aufschüttung angeboten worden, zählt Heckenlauer weiter auf. „Hümmer hat aber alles abgelehnt.“
Heckenlauer sagt, dass der im übrigen sehr gut angenommene Rad- und Wirtschaftsweg im Auftrag der Gemeinde geplant und gebaut worden sei. Es sei „sehr bedauerlich“, dass es zu einer Überbauung gekommen sei, das Planungsbüro und/oder die Baufirma nicht aufgepasst hätten. Dass zumal der Markt auf der anderen Wegseite Fläche „extra für den Radweg“ erworben habe.
Heckenlauer spricht von einem „Ärgernis“. Deshalb liege der Gemeinde weiter viel daran, den berechtigten Anspruch zu beheben. Hümmer müsse das Angebot (Zumessung der 254 Ersatz-Quadratmeter und Drainage) nur annehmen.
Der Ballingshäuser lehnt das aber ab. Wegen des Knackpunkts. Er beharrt, dass das Wasser vorher ablaufen konnte. Nach dem zu hoch errichteten Radweg komme es jetzt „zu Überschwemmungen und Staunässe“. In einem Schriftsatz ans Landgericht fordert seine Anwältin nun ein selbstständiges Beweisverfahren für diese Behauptung.
Gemeinde wehrt sich
Das deshalb, weil die Gemeinde, mittlerweile ebenfalls anwaltlich von Ludwig Christ (Schweinfurt) vertreten, zum „Wassereinbruch“ sagt, dass der zugegeben erhöht gebaute Radweg keinesfalls die Ursache für die Staunässe sei. Die Gemeinde stützt sich dabei auf eine Dokumentation des Amtes für ländliche Entwicklung, das in einem „Lage- und Höhenplan“ aufzeigt hat, dass auch schon der alte Feldweg höher gelegen habe als der Tiefpunkt des Ackers. Heißt in Kurzform: Einen Rückbau wird es nicht geben.
Die Gemeinde bestreitet im Schreiben ans Landgericht auch, dass es mehrere Wassereinbrüche gegeben hat. Hümmer und seine Anwältin nennen das eine Schutzbehauptung.
Wie geht es weiter? Das Landgericht hat noch nichts entschieden. Die Gemeinde sagt, dass ihre Angebote weiterhin gelten, „um Frieden zu schaffen“, so Heckenlauer. Hümmer scheint unnachgiebig. Er hat am alten Protestplakat ein weiteres Schild angebracht, auf dem steht, dass er eine Klage eingereicht hat. So weit ist es noch nicht, ausschließen will seine Anwältin diesen nächsten Schritt aber nicht.
Es geht mir mit Sicherheit nicht darum, dass der Euro rollt! Ich bin auch für den Ausbau der Radwege, da ich selber Radfahrer bin. Es geht mir nur darum, wie die ganze Angelegenheit abgelaufen ist! Bei Baubeginn hat meine Mutter noch gelebt und war Ansprechpartnerin. Sie hat wohl auf das Wort des Bürgermeisters vertraut und leider nicht darauf geachtet, etwas Schriftliches zu bekommen. Wir "Erben" können nichts dafür, was vor zwei Jahren schon schief gelaufen ist.
Mich wundert doch sehr, dass in unserer bürokratischen Welt, in der alles schriftlich dokumentiert und beantragt werden muss, die Gemeinde Stadtlauringen einfach auf fremde Grundstücke baut ohne auch nur einmal die Eigentümer angeschrieben zu haben.
Der Radweg ist übrigens schon vor einem Jahr eröffnet worden!
Ich würde wahrscheinlich nicht so weit gehen wie der betroffene Eigentümer aus Ballingshausen, aber er hat mein vollstes Verständnis. Es ist nicht in Ordnung einfach übergangen zu werden!