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Schweinfurt
Inzidenz über 100: Vorerst keine Maskenpflicht in Schweinfurter Innenstadt
In Stadt und Landkreis Schweinfurt steigen die Corona-Zahlen wieder deutlich. Und auch der Ton wird rauer. Wie es um Maskenpflicht, Testbereitschaft und Impfquote steht.
Über eine Maskenpflicht in der gesamten Schweinfurter Innenstadt wird derzeit heftig diskutiert.
Foto: Nicolas Armer, dpa | Über eine Maskenpflicht in der gesamten Schweinfurter Innenstadt wird derzeit heftig diskutiert.
Gerd Landgraf
 und  Nicolas Bettinger
 |  aktualisiert: 10.02.2024 04:44 Uhr

Eine "Sofortige Wiedereinführung der Maskenpflicht in der Schweinfurter Innenstadt" hat Stadtrat Stefan Labus (Freie Wähler) in einem Eilantrag gefordert und damit eine hitzige Debatte im Schweinfurter Rathaus entfacht. Wer darf eigentlich entscheiden, wann und warum sich solche Regelungen ändern können? Fest steht jedenfalls: Vorerst wird es keine Maskenpflicht für die gesamte Innenstadt geben. Davon ausgenommen ist aktuell nur die Keßlergasse. Doch der Reihe nach.

Laut Robert Koch-Institut (RKI) ist der Inzidenzwert in der Stadt Schweinfurt am Dienstag auf 104,8 geklettert. Noch am Vortag lag er bei 88. Damit drohen bei anhaltendem Überschreiten des Schwellenwertes 100 weitere Einschränkungen am Ende der Woche, wie etwa eine Verschärfung der Kontaktbeschränkung. Der Landkreis Schweinfurt bleibt am zweiten Tag in Folge über der 50er-Marke und hatte am Dienstag laut RKI einen Inzidenzwert von 60,6. Bleibt der Wert auch noch am Mittwoch über 50, so wird es dort ab Freitag Einschränkungen im Einzelhandel geben.

Stadtrat kritisiert Verhalten der Verwaltung scharf

Passend dazu behandelte der Schweinfurter Haupt- und Finanzausschuss am Dienstag den Anfang März eingegangenen Antrag vom FW-Fraktionsvorsitzenden Stefan Labus, der eine sofortige Maskenpflicht in der Schweinfurter Innenstadt forderte. Labus begründete dies mit täglich rasant ansteigenden Inzidenzwerten, mit fehlenden Medikamenten und der Möglichkeit, mit Hilfe von Masken die Virusausbreitung verhindern zu können. Dass man bereits vor einem Jahr zunächst nur in der Keßlergasse eine Maskenpflicht verhängte, sei "müde" gewesen und lasse auf mangelndes Gefahrenbewusstsein der Stadtverwaltung schließen. Auch das kürzliche Aufheben der Maskenpflicht in Schweinfurter Straßen sei falsch gewesen. "Leider gibt es in der Verwaltung niemanden, der eine schnelle und mutige Entscheidung treffen kann", so Labus.

In Schweinfurt ist der Inzidenzwert auf über 100 angestiegen, dennoch tummeln sich viele Menschen ohne Einhaltung der Abstandsregeln.
Foto: Sabine Finke | In Schweinfurt ist der Inzidenzwert auf über 100 angestiegen, dennoch tummeln sich viele Menschen ohne Einhaltung der Abstandsregeln.

Oberbürgermeister Sebastian Remelé wies diese Kritik entschieden zurück. Man habe die Maskenpflicht aufgehoben, als Schweinfurt die niedrigste Inzidenz bundesweit hatte. "Das war das Gebot der Stunde, und wir werden die Maßnahmen immer wieder mit den aktuellen Inzidenzen abgleichen", so Remelé. Dies sei notwendig, da Einschränkungen "teils heftige Eingriffe in die Grundrechte der Menschen" bedeuteten. Und auch in Zukunft müsse man von Fall zu Fall neu entscheiden und abwägen.

Infektionen durch "Grüppchenbildung"

Ordnungsreferent Jan von Lackum, der den Tonfall von Labus als "völlig unangemessen" bezeichnete, betonte, dass die Festlegung der Bereiche, in denen eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen ist, mittels Allgemeinverfügung erfolge. Es handele sich dabei – anders als bei Satzungen oder Verordnungen – um einen Verwaltungsakt. Der Stadtrat sei für diese Entscheidungen gar nicht zuständig. Laut OB Remelé müsste diese Entscheidung der laufenden Verwaltung obliegen, da ein Stadtratsgremium nicht täglich neu entscheiden oder abstimmen könne. Nur alle vier Wochen neue Regelungen zu beschließen wäre fahrlässig und könne der sich ständig ändernden Lage nicht gerecht werden.

Unabhängig von Zuständigkeitsdebatten ist für von Lackum eine Maskenpflicht für die gesamte Innenstadt derzeit nicht die Lösung. Gleichzeitig schloss er diese in Zukunft aber nicht aus. "Wir dürfen nicht auf einmal unseren Köcher leer schießen und brauchen noch weitere Eskalationsstufen, sollten die Werte noch weiter steigen." Wie auch Stadträtin Christiane Michal-Zaiser (proschweinfurt) anmerkte, sind für den Ordnungsreferenten nicht die Ausflüge ohne Maske durch die Innenstadt ursächlich für die Virusausbreitung. "In der Tat haben wir ein Problem mit Grüppchenbildungen", so von Lackum. Vermehrt seien Menschenansammlungen zu beobachten, wobei weniger die Maskenpflicht, vielmehr die Kontaktbeschränkung missachtet würde.

Ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes kontrolliert die Einhaltung der Maskenpflicht.
Foto: Nicolas Armer, dpa | Ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes kontrolliert die Einhaltung der Maskenpflicht.

Nach langen Diskussionen im Haupt- und Finanzausschuss änderte Stefan Labus seinen Antrag und empfahl der Verwaltung, die Maskenpflicht ab einem Inzidenzwert von 100 generell für die Innenstadt zu verhängen. Dieser Grundsatz wurde von der Mehrheit des Gremiums abgelehnt.

Astrazeneca-Impfstopp kommt zur Unzeit

Anders als bei der Maskenpflicht war man sich im Ausschuss einig darüber, dass letztlich nur flächendeckendes Testen und Impfen für Besserung sorgen werde. Gerade auch, weil in Schweinfurt derzeit fast alle Corona-Infektionen auf die sich schnell ausbreitende britische Virusvariante zurückzuführen seien, so von Lackum. Der vorübergehende Impfstopp mit Astrazeneca komme deshalb zur Unzeit. Über tausend Impftermine mussten bereits für diese Woche abgesagt werden. Im Raum Schweinfurt machten die Dosen von Astrazeneca bislang ein Drittel der Impfungen aus. Was mit ausstehenden Zweitimpfungen des besagtem Vakzins passiert, sei derzeit unklar, erklärte der Ordnungsreferent. 

"Manche können sich nicht mehr an alle Kontakte erinnern, manche verschweigen sie aber bewusst, um sie vor möglichen Konsequenzen wie Quarantäne zu bewahren."
Ordnungsreferent Jan von Lackum

Laut Oberbürgermeister Remelé seien bislang insgesamt 14 605 Menschen im Raum Schweinfurt geimpft worden, was einer Quote von 8,6 Prozent der Erstimpfungen entspricht. Die Zweitimpfung hätten bereits über 6700 Menschen erhalten (rund vier Prozent der Bevölkerung). Optimistisch stimmte den Oberbürgermeister vor allem die Personengruppe der über 80-Jährigen, von denen schon über 43 Prozent eine Corona-Impfung erhalten haben (laut Stadt etwa 6100 Personen). Ebenso seien die Einrichtungen sowie Ärzte weitestgehend abgedeckt worden. Und auch die Tatsache, dass derzeit nur vier an Corona erkrankte Menschen in den Schweinfurter Krankenhäusern behandelt werden müssen, freut Remelé.

Kontakte aus Angst vor Quarantäne verschwiegen

Sorgen bereitet dem Oberbürgermeister eher das Thema "Testen". Denn nicht nur die Bereitschaft, sich testen zu lassen, sinke in der Bevölkerung. Auch sei die Kontaktnachvervolgung nicht mehr möglich. "Wir müssen offen sagen, dass wir nicht wissen, wie es zu dem starken Anstieg gekommen ist", so Remelé. Laut Ordnungsreferent von Lackum liege dies jedoch nicht an Personalmangel des Gesundheitsamtes. Vielmehr offenbarten viele positiv Getesteten ihre Infektionsketten einfach nicht mehr. "Manche können sich nicht mehr an alle Kontakte erinnern, manche verschweigen sie aber bewusst, um sie vor möglichen Konsequenzen wie Quarantäne zu bewahren", so von Lackum.

Deshalb sei nun Überzeugungsarbeit gefragt, um Menschen wieder zum Testen zu animieren. Denn neben der Teststation würden inzwischen auch die Stadtwerke und das Rote Kreuz kostenlose Tests anbieten. Auch in einigen Apotheken und Arztpraxen sei dies möglich. "Derzeit prüfen wir die Möglichkeit, im Rathaus in der Ausstellungshalle eine Schnellteststation für die Allgemeinheit einzurichten", erklärt von Lackum. Man sei gerüstet, um 2,5 Prozent der Bevölkerung täglich mit Schnelltests zu versehen. Gleichzeitig würden aktuell Schweinfurter Schulen mit Schnelltests beliefert. Dabei soll jeder Schüler ein Paket mit einem Test pro Woche erhalten, für Lehrer sollen zwei wöchentliche Tests enthalten sein. "Wir müssen die Menschen aufklären, dass Testen sinnvoll ist und dabei hilft, Virusausbreitungen frühzeitig zu erkennen und einzudämmen."

 
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  • D. H.
    Erst 43 % derüber 80jährigen sind in Schweinfurt geimpft (6100 Personen über 80 seien impfberechtigt). Wie langsam geht das denn? Wer hat die ganzen Impfdosen erhalten. Wenn das so weitergeht können wir ja noch bis Ende des Jahres auf die Impfungen für die Gruppe 3 warten. In anderen Bundesländern werden schon die Impfgruppen 2 geimpft.

    Für mich nicht nachvollziebar wieso erst sowenige übe 80 in Schweinfurt geimpft wurden. Erklärungen wären angebracht. Herr Söder will schon die Impfreihenfolge aufbrechen. Dann warten die über 60jährigen noch sehr sehr sehr lange. Geht das mit rechten Dingen vor?
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  • M. S.
    Zitat Jan van Lackum: "In der Tat haben wir ein Problem mit Grüppchenbildungen"

    In diesen sogenannten Grüppchen ist sich jeder bewusst gegen die Regeln zu verstoßen! Allerdings ist das was in der Öffentlichkeit oder in der Fußgängerzone stattfindet nur die Spitze des Eisbergs!

    Hinter verschlossenen Wohnzimmertüren werden zukünftig vermutlich noch viel mehr solcher Treffen stattfinden. Das müssen auch nicht gleich Corona-Partys sein.

    Viele Familien und Einzelpersonen haben gelinde gesagt die "Schnautze voll" - wer will es ihnen auch verübeln?

    Corona bringt so viele negative Einschnitte mit sich (Arbeitsplatz, Schule, Kindergarten, Einkauf, Freizeit, Geld, Stress in den Familien, Bombardierung mit Coronathemen allerorten, keine Aussicht auf Besserung). Ich kenne Personen die haben mittlerweile psychisch kapituliert.

    Für einige ist so ein zufälliges, persönliches Treffen mit Bekannten in der Fußgängerzone oder sonst irgendwo der positive Höhepunkt der Woche.
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  • M. B.
    Nur 4 Erkrankte derzeit??? Wo nimmt der liebe Herr Oberbürgermeister seine Zahlen her???

    Mainpost berichtet just heute von 8 Patienten alleine im Leopoldina Krankenhaus und da sind noch nicht die Patienten aus dem Josef KKH dabei....es sieht so aus, als sei der OB sehr schlecht informiert.....aber das scheint ja normal zu sein in SW - alles wird besser dargestellt, als es ist oder schlichtweg gleich verheimlicht Bsp. Schule.....In diesem Jahr bisher ein Bericht der Mainpost letzte Woche....WÜ informiert darüber wöchentlich!!! Auch die Verteilung der positiv Getesteten erfährt man deutlich seltener als in anderen Landkreisen...
    Sw in der Pandemie - schlechter geht es nicht, dabei wäre gerade hier Offenheit mehr als wichtig!!!
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