
Wenn Melanie Hamm auf den Gehwegen in ihrer Heimatstadt Schweinfurt entlang läuft, geht Königspudel Nino mit seinem schwarz-lockigem Fell an der orangefarbenen Leine immer voraus. Fürsorglich leitet der Königspudel sein Frauchen an Menschengruppen vorbei, zum Einkaufen oder zum Arztbesuch. "Wenn er etwas nicht kennt oder Menschengruppen auf ihn zukommen, geht er erstmal auf die Seite, beobachtet und läuft dann weiter", sagt Hamm.
Hamm ist eine von 14.943 registrierten Menschen, die laut Daten des Bayerischen Zentrums für Familie und Soziales (ZBFS) 2021 in Bayern finanzielle Unterstützung nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz erhielten. 7001 davon empfingen das volle Blindengeld. In Deutschland als blind gilt, laut Angaben des ZBFS, wem das Augenlicht vollständig fehlt oder Personen, deren Sehschärfe auf keinem Auge mehr als zwei Prozent beträgt. Zu dieser Gruppe zählt auch Melanie Hamm.
Melanie Hamm war von Geburt an blind
Von Geburt an besaß sie nur rund zwei Prozent ihrer Sehkraft. 2005 erblindete sie vollständig . Seitdem ist die 41-Jährige auf einen Blindenhund angewiesen. Genaue Zahlen darüber, wie viele Menschen einen Assistenzhund haben, gibt es laut dem Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund nicht. Der zweijährige Königspudel Nino ist Hamms dritter Assistenzhund.
"Der Blindenführhund ist für mich nichts anderes wie die Brille auf der Nase", veranschaulicht Hamm. Mit Nino fühle sie sich im Alltag auf der Straße sicherer und unabhängiger. Ohne seine Führung bleibe ihr nur der Blindenlangstock oder die Hilfe ihres Mannes, um sich draußen zurechtzufinden. Doch auch Hamms Ehemann ist stark sehbehindert und auf Hilfsmittel angewiesen.
Die 41-Jährige arbeitet als Telefonistin bei einem Sozialverband und befindet sich derzeit in Elternzeit. Vor fünf Monaten brachte die Schweinfurterin ihren Sohn auf die Welt. "Nach der Geburt litt ich unter Schwangerschaftsdiabetes", sagt Hamm. Anfang des Jahres sollte sie deshalb einen Glukosetoleranztest bei einem Schweinfurter Arzt machen. Weil dieser Test den ganzen Vormittag dauere und viel Ruhe voraussetze, sei ihr untersagt worden, ihre Kinder mit in die Praxis zu nehmen, sagt Hamm. "Wir sind mit zwei Kindern im Alltag gut bedient. Deshalb konnte mein Mann auch nicht mit, weil einer ja auf die Kinder aufpassen muss."
Patientin mit Blindenhund: Unter Berufung des Hausrechts verwiesen
Um selbst zum Arzt zu finden, habe sie ihren Blindenführhund mitgenommen. "So, wie ich das bei meinen anderen Ärzten eben auch mache." Als sie jedoch mit Nino zum Termin erschien, sei sie unter Berufung des Hausrechts der Praxis verwiesen worden. Die Mitnahme von Hunden sei aus hygienetechnischen Gründen verboten, habe ihr der Arzt gesagt. "Gerade in einer Praxis ärgert mich das", sagt die Schweinfurterin. Seit einem Jahr sei sie dort als Patientin mit Beeinträchtigung gemeldet. Wo, wenn nicht dort, würden sich Menschen mit blinden Personen auskennen.
Auch abseits des Arztbesuchs kommen solche Vorfälle immer wieder vor, ärgert Hamm sich. Zum Beispiel beim Einkaufen. Einmal habe sie der Filialleiter eines Schweinfurter Discounters sogar aus dem Laden werfen wollen. "Ich kam mir vor wie die größte Ladendiebin." Was ihren Test betrifft, habe sie diesen bis heute nicht machen können und auch keinen alternativen Termin von der Praxis angeboten bekommen.
"Ich fühle mich diskriminiert", sagt Melanie Hamm. Als sie Hilfe beim Gesundheitsamt Schweinfurt suchte, sei sie an den Behindertenbeirat Schweinfurt verwiesen worden. Doch der habe sich nicht bei ihr zurückgemeldet. "Ich hatte das Gefühl, dass sich niemand dafür zuständig fühlt." Die Gesellschaft spreche immer von Gleichbehandlung und Inklusion, in Wahrheit fühlten sich aber viele Blinde ungerecht behandelt, sagt die 41-Jährige.
Arztpraxis verweist auf Hygieneregeln und Auslastung
"Wir leben in Corona-Zeiten und arbeiten mit verschärften Hygieneregeln", erklärt ein ärztlicher Sprecher der Praxis auf Anfrage der Redaktion. Hunde seien seit jeher aus hygienischen Gründen nicht in der Praxis erlaubt. Man betreue im Schnitt um die 200 Leute am Tag. "Darunter befinden sich viele ältere und kranke und Menschen unter Chemotherapie und Immuntherapie, die erheblich infektionsgefährdet sind." Da es sich bei dem Glukosetoleranztest lediglich um einen "reinen Routinetermin" handle, habe man kein gesundheitliches Risiko eingehen wollen und zum Wohl der anderen Patienten entschieden.
Man habe Melanie Hamm keineswegs diskriminieren wollen, versichert der Sprecher. Es habe sich lediglich um eine Abwägung gehandelt. Bei einem Notfall hätte man anders entschieden, erklärt der Sprecher. Der Test habe nicht akut erfolgen müssen und sei verschiebbar gewesen. Aufgrund der aktuell hohen Auslastung habe man der Patientin keinen alternativen Termin anbieten können.
Martina Hellriegel vom Blinden- und Sehbehindertenbund: "Das ist ganz klar eine Diskriminierung."
Aus Sicht von Martina Hellriegel, der stellvertretenden Referentin für Führhundangelegenheiten vom Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund (BBSB), ist der Fall eindeutig: "Das ist ganz klar eine Diskriminierung." Seit dem vergangenen Jahr gelte eine neue Assistenzhundeverordnung. Darin werde, so Hellriegel, den Halterinnen und Haltern umfassende Zutrittsrechte eingeräumt: "Der Blindenführhund ist als medizinisches Hilfsmittel anerkannt."
Wer auf ihn angewiesen sei, können demnach nicht mehr pauschal vom Arzt abgelehnt werden, sagt die BBSB-Referentin: "Leider hält sich noch immer hartnäckig die Idee, dass das Hausrecht generell über dem Zutrittsrecht steht. Das stimmt nicht." Das Hausrecht dürfe nicht ausgeübt werden, wenn dadurch jemand wegen seiner Behinderung diskriminiert werde. Im Falle von Melanie Hamm sei das jedoch der Fall, meint Hellriegel. Ähnliches gelte mit Assistenzhund beim Betreten von Behörden, Gerichten, Geschäften, Gaststätten, Gesundheits- und Kultureinrichtungen sowie Verkehrsmitteln.
Um gesunde Tiere bemüht: Assistenzhunde kosten bis zu 30.000 Euro
"Auch die Aussage, dass möglicherweise jemand anwesend sein könnte, der eine Allergie oder Phobie hat, ist kein Grund, den Zutritt mit Blindenführhund zu verweigern", sagt Hellriegel. In solchen Fälle müsse eine Lösung gefunden werden, mit der alle beteiligten Personen gut leben könnten. Andernfalls könnten Betroffene rechtliche Schritte einleiten. Die Referentin des Blinden- und Sehbehindertenbundes empfiehlt deshalb einen Besuch mit Assistenzhund rechtzeitig anzumelden. Bei Bedarf könnte dann ein passender Termin gefunden werden oder der Hund so lange in einem anderen Teil der Praxis warten.
Der Einwand, dass Hunde aus hygienischen Gründen generell nicht mitgebracht werden dürfen, sei nicht haltbar, sagt Hellriegel: "Ein durchschnittlich gut gepflegter Hund bringt nicht mehr Dreck hinein als ein Mensch mit Straßenkleidung." Nur wenn der Hund offensichtlich krank oder ungepflegt sei, könne der Zutritt verweigert werden. Das sei jedoch selten der Fall. "Blindenführhunde werden streng gecheckt". Zudem seien Halterinnen und Halter um gesunde Tiere bemüht. Ein ausgebildeter Blindenführhund koste immerhin zwischen 25.000 und 30.000 Euro.
Bei meinem Sohn (so gut wie blind) wird immer wieder beanstandet, dass sein Attest ja schon mehrere Jahre alt ist.
Ja, was ist denn an "unbefristet gültig weil Besserung nicht zu erwarten" nicht zu verstehen???
Was mich aber ensetzt ist, daß man der Frau keinen Ausweichtermin angeboten hat. Das ist ärztliche Nächstenliebe.
Auch die Aussage, dass man die Kinder nicht mitbringen darf finde ich ähnlich grenzwertig bzw. bodenlos unverschämt.
Ich glaube, ich als Betroffene würde rechtlich vorgehen, das ist ganz klar Diskriminierung.
Persönlich fällt mir gerade eine Zahnarztpraxis ein, die mir als HIV-Patient grundsätzlich nur den letzten Termin kurz vor Feierabend gegeben hat, mit der bemerkenswerten Begründung, man müsse nach mir ja schließlich die Gerätschaften desinfizieren ( wahrscheinlich wurden die Instrumente bei ALLEN anderen Patienten nach Gebrauch lediglich am Arztkittel abgewischt).
Oder die medizinische Fachangestellte, welche nach Lesen des Anamnesebogens lauthals quer durchs Wartezimmer gekräht hat: Was, Sie haben HIV?
Ich hätte noch mehrere Beispiele auf Lager, letztlich bleibt immer:
Wenn das Personal dumm ist, dann nützt kein Antidiskriminierungsgesetz und auch keine Datenschutzgrundverordnung, da bleibt einem nix anderes übrig, als sich nach einer vernünftigen Arztpraxis umzugucken.
Wäre es nicht so Diskriminierend, könnte man meinen das es ein übler Scherz aus einer Fernsehsendung wäre.
So sehr ich Ihnen in manchen Aussagen beipflichten würde: das gegeneinander Ausspielen verschiedener Gesellschaftsgruppen (hier:Geflüchtete) disqualifiziert Ihren Beitrag in Gänze.
Und da wäre der Hund reingekommen?
Aha, so wie Widerspruch in sich.
Was ist da dann anders?
Sie soll den VDK mit Frau Bentele einschalten. Die Frau und ihr Team wissen bestimmt wie sie an das Thema rangehen können.
die eigenen Bürger mit "kleinen Fehlern" ganz bewußt ausgrenzen und sich dabei auch noch ungestraft im Recht fühlen.
Andererseits führen wir Diskussionen über queere Menschen und Mnschen aus anderen Ländern und deren Kulturen.
Ist es wirklich normal, Menschen mit Behinderung, Übergewichtige, Zahnspangenträger u.ä. straffrei zu mobben, zu beleidigen und auszugrenzen?
Dieser Arzt ist offenbar ein gutes Beispiel dafür....oder war's vielleicht nur die übereifrige, schlecht bezahlte und gelaunte Sprechstundenhilfe???
Jeder Mensch hat das Recht, als solcher geachtet zu werden. Egal welche Herkunft, Hautfarbe, mit oder ohne "Fehler".
Wer diese Achtung und vorallem den Respekt vermissen läßt, muss zur Rechenschaft gezogen werden. Doch davon will man in Berlin, Leipzig und Karlsruhe nichts wissen.
Und das ist das eigentliche Problem an dieser Geschichte.