"Das ist ein besonderer Schatz", sagt Kreisarchivpfleger Hilmar Spiegel zu Michelaus Bürgermeister Michael Wolf und zeigt auf das alte Buch, das vor ihm auf dem Tisch liegt. Es ist ein richtig dicker Schinken. Die Seitenzahlen des Werks reichen bis 939. Hinzu kommt ein 66-seitiges Register am Ende des Buches. In Summe sind es also gut 1000 bedruckte Seiten.
Doch was dieses knapp 300 Jahre alte Werk zu einer lokalen Rarität macht: Der Kreisarchivpfleger kennt weitere Exemplare des Werks nur aus dem Fundus des Würzburger Staatsarchivs. Zumindest in den Gemeindearchiven, die er im Landkreis Schweinfurt überblickt, ist ihm kein zweites solches Buch bekannt. Und dass das Buch in Michelau bis heute überlebt hat, ist vielleicht nur dem Umstand geschuldet, dass es viele Jahre lang nicht in dem auf dem Dachboden des Rathauses mehr schlecht als recht untergebrachten Gemeindearchiv deponiert war. Es lag vielmehr zuhause bei einer Michelauer Familie. Die genauen Umstände, wie es dorthin kam, sind ungeklärt.
Gemeindearchiv wird derzeit gesichert
Doch ganz gleich, wie es sich zugetragen hat, die Zukunft des Buches ist vorerst einmal gesichert. Denn das Exemplar wurde nun von Buchrestauratorin Regine Ullein aus Breitengüßbach auf Kosten der Gemeinde Michelau für circa 1400 Euro fachmännisch repariert und wird künftig in dem Gemeindearchiv, das gerade neu geordnet und sortiert wird, eine sichere und wohlbehütete Bleibe finden.
Doch worum handelt es sich bei dem wohl um das Jahr 1730 gedruckten Buch eigentlich? Vereinfacht gesagt ist es der zweite Teil eines zwei- oder dreibändigen Verordnungsbuches, das der Würzburger Fürstbischof Friedrich Karl von Schönborn während seiner Regentschaft (1729-1746) herausgegeben hat. In dem Wälzer, das man etwas salopp als "Dorf-Gesetzbuch" bezeichnen könnte, ist bis in viele Details hinein "alles geregelt, was das politische, rechtliche, strafrechtliche, kulturelle, wirtschaftliche, religiöse, aber auch das gesellige Leben in den Gemeinden des Bistums betraf", beschreibt Spiegel den Sinn und Zweck des Buches.
Fürstbischof wollte Klarheit schaffen
Wer durch die Seiten blättert, findet beispielsweise Vorgaben, wie Wiesen und Äcker zu verpachten sind, welche Gebühren ein Arzt verlangen darf und wie hoch die Besoldung von Beamten auszufallen hat. Es ist davon auszugehen, dass dieses gedruckte Werk irgendwann einmal an alle fürstbischöflichen Gemeinden verteilt wurde, um allerorten eine identische Grundlage zu schaffen, wie in Streitfragen des täglichen Lebens zu entscheiden ist. Genau diesen Zweck haben Gesetzeswerke bis heute.
Nur liest sich das alte Buch unter heutigen Gesichtspunkten durchaus amüsant, wenn dort beispielsweise vom Verbot die Rede ist, "Vieh oder Eßwaren in und durch die Kirchen zu tragen". Des Weiteren wird Privatpersonen vorgeschrieben, sich während "öffentlicher Lustbarkeiten keiner Trompeten und Pauken (zu) bedienen" – dies scheint seinerzeit ein echtes Problem gewesen zu sein. Solch niedergeschriebenen Verhaltensmaßregeln bieten Historikern und Volkskundlern wertvolle Einblicke in die Lebensumstände der Menschen früherer Jahrhunderte, verweist Spiegel auf den eigentlichen Wert derartiger Bücher aus gegenwärtiger Sicht.
Schädlinge nagten am Buch
Wie Restauratorin Ullein während der Untersuchung des Buches aus Michelau festgestellt hat, wies dieses nicht nur einen Wasserschaden auf, sondern war auch von Schimmel befallen. Das Papier hatte Flecken und die Seiten waren an vielen Stellen verschmutzt. Das Papier hatte zudem Risse und an den Rändern hatte sich das Hadernpapier teilweise bereits abgebaut, und im Filz entdeckte die Fachfrau Spuren von Schädlingsbefall: Anobienfraß.
Das Buch besteht aus gedruckten Doppelblättern, die zu Lagen aufeinander geklebt und mit Hanffäden zusammengebunden waren, wie es im Restaurationsbericht heißt. "Durch den Wasserschaden haben sich die Verklebungen gelöst, viele Doppelblätter sind lose", beschreibt Ullein den Zustand des Buches, bevor sie sich an die Arbeit machte. Mehrere Seiten zu Beginn des Buches, darunter das Deckblatt, aber auch Blätter des Vorworts fehlten.
Neuer Ledereinband und frischer Leim
Im Zuge der Restaurierung nahm Ullein den Buchblock auseinander, trocknete und reinigte die Blätter und sicherte Risse an den Rändern mit dünnem Japanpapier. Die Doppelblätter wurden dann mit Japanpapier zu Lagen zusammengefügt. Ein neuer Ledereinband hält die frisch geleimten Blätter wieder fest zusammen und schützt diese.
Bürgermeister Wolf kann sich gut vorstellen, dieses für die Dorfgeschichte wertvolle Dokument bei passender Gelegenheit und in geeignetem Rahmen zugänglich zu machen. Der Blick hinein dürfte nicht nur für Hobbyhistoriker interessant sein, sondern sich auch für diejenigen lohnen, die gerne Schmankerl aus alten Zeiten lesen.