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Frankenwinheim
Hilfslieferung für Menschen in der Ukraine: Überleben ist im Krieg eine Frage des Glücks
Natascha Göb aus Frankenwinheim berichtet von der gnadenlosen Realität des Überlebens in der Ukraine. Der Krieg fordert seinen Tribut, weit entfernt von der Frontlinie.
In der ukrainischen Kleinstadt Nadwirna hat Natascha Göb 113 Plakate gezählt, die ein Bild und den Namen der Einwohner zeigen, die im anhaltenden Krieg gefallen sind.
Foto: Natascha Göb | In der ukrainischen Kleinstadt Nadwirna hat Natascha Göb 113 Plakate gezählt, die ein Bild und den Namen der Einwohner zeigen, die im anhaltenden Krieg gefallen sind.
Michael Mößlein
 |  aktualisiert: 31.03.2024 03:42 Uhr

Dass ihre Reise nach Dobrotiv keine leichte wird, das ist Natascha Göb aus Frankenwinheim bereits klar gewesen, bevor sie am 9. Februar dorthin aufbrach. Ihr Heimatort liegt zwar im Westen der Ukraine, etwa 250 Kilometer südlich von Lwiw (Lemberg). Doch der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hält das ganze Land seit über zwei Jahren fest im Griff. Die Folgen für die Menschen in der Ukraine sind überall im Land extrem.

Bereits vor einem Jahr war Natascha Göb in die Ukraine, die sie vor gut 20 Jahren verlassen hat, aufgebrochen, um Osterpäckchen an die Familien in ihrem Heimatort zu verteilen. Es war die erste Fahrt in die alte Heimat nach Kriegsbeginn. Schon damals berichtete sie nach ihrer Rückkehr vom Leid und dem Schmerz der Menschen, die sie getroffen hat. Doch dieses Mal, sagt sie, sei es noch furchtbarer gewesen, "viel schlimmer, als ich gedacht hatte".

Mehr als doppelt so viele Gefallene

Besonders greifbar war der Schrecken des Krieges für sie erneut in Nadwirna, einer Kleinstadt mit rund 22.000 Einwohnerinnen und Einwohnern, nicht weit von Dobrotiv entfernt. Vor einem Jahr standen dort an einem öffentlichen Platz 48 Plakate mit großformatigen Bildern von Männern, manche noch ganz jung, andere älter.

Jedes Plakat steht für einen im Krieg gefallenen Einwohner des Städtchens. Ein knappes Jahr später, im Februar 2024, hat Natascha Göb dort 113 Plakate gezählt, in drei Reihen. Die Zahl der Gefallenen allein aus diesem Ort hat sich in gut zehn Monaten mehr als verdoppelt. "Da kriegst du einen Schock", beschreibt Natascha Göb den Anblick.

Ihor Jazko ist eines der ungezählten Opfer des Ukraine-Krieges. Natascha Göbs Cousin ist im Dezember 2023 in Cherson gefallen.
Foto: Natascha Göb | Ihor Jazko ist eines der ungezählten Opfer des Ukraine-Krieges. Natascha Göbs Cousin ist im Dezember 2023 in Cherson gefallen.

Auf einem der Plakate ist das Bild ihres Cousins Ihor Jazko zu sehen. Der 41-Jährige ist im Dezember 2023 in Cherson gefallen, knapp 1000 Kilometer von seiner Heimat entfernt im Süden der Ukraine, am Schwarzen Meer.

Ein weiterer Verwandter, ihr ältester Neffe Iwan Bilous (36), kämpft noch als Soldat. Zweimal wurde er bereits in einem Bunker verschüttet und hat überlebt, berichtete er Natascha Göb, als sie sich trafen. Seine Frau ist mit Zwillingen schwanger.

Iwan Bilous ist Natascha Göbs ältester Neffe. Der 36-jährige Familienvater kämpft als Soldat gegen die russischen Invasoren und ist dem Tod mehrfach nur knapp entkommen.
Foto: Göb | Iwan Bilous ist Natascha Göbs ältester Neffe. Der 36-jährige Familienvater kämpft als Soldat gegen die russischen Invasoren und ist dem Tod mehrfach nur knapp entkommen.

Pickups verteilen die Hilfsgüter 

Natascha Göb war nicht mit leeren Händen in die Ukraine gefahren. Wie im vergangenen Jahr hatte sie zuhause Hilfsmittel gesammelt und einen Transport organisiert. 60 bis 70 Kartons sind zusammengekommen, berichtet sie. Darin: Hygieneartikel, Medikamente, Verbandszeug, Schlafsäcke, Taschenlampen, Batterien, haltbare Lebensmittel. Sie hatte aber auch einfache Liegen und Einwegauflagen für Feldlazarette erhalten sowie medizinische Geräte.

Die Hilfsgüter wurden in der Ukraine in Pickups geladen und dorthin gebracht, wo sie dringend gebraucht werden. Die Soldaten, die die Güter abgeholt haben, waren mehrfach verwundet, berichtet Göb. Die Männer hätten auf sie "wie Roboter" gewirkt.

Ewald Kopp von den Veteranenfreunden Herlheim brachte ein Auto voller Hilfsgüter zu Natascha Göb.
Foto: Natascha Göb | Ewald Kopp von den Veteranenfreunden Herlheim brachte ein Auto voller Hilfsgüter zu Natascha Göb.

Natascha Göb ist allen Spenderinnen und Spendern sehr dankbar für deren Hilfe. Namentlich nennt sie die Veteranenfreunde Herlheim, den Rotary-Club Gerolzhofen sowie Dietlinde Wolf und Anja Iff aus Gerolzhofen für die wiederholt geleistete Unterstützung.

Erlebnisse machen betroffen

In diesem Jahr hat Natascha Göb nur gut eine Woche in der Ukraine verbringen können und ist am 18. Februar die rund 1400 Kilometer lange Rückreise angetreten. In der Ukraine hat sie neben Angehörigen ihrer Familie auch ein Kinderheim besucht, in dem sie früher gearbeitet hat. Die Erlebnisse in ihrer früheren Heimat haben die Frankenwinheimerin, die von ihrer Tochter begleitet wurde, hörbar getroffen. "Viele in unserem Land haben keine Ahnung, wie belastet die Menschen in der Ukraine sind", sagt sie.

In der Ukraine haben Soldaten die Hilfsgüter mit Pickups abgeholt und dorthin gebracht, wo sie dringend gebraucht werden.
Foto: Natascha Göb | In der Ukraine haben Soldaten die Hilfsgüter mit Pickups abgeholt und dorthin gebracht, wo sie dringend gebraucht werden.

Trotz der Strapazen und des Kriegsterrors habe Natascha Göb bei den Menschen, die sie getroffen und mit denen sie gesprochen hat, keine Kriegsmüdigkeit feststellen können. Dabei sehe es gerade für ihr Heimatland nicht gut aus, sagt sie. Dennoch ist sie vom Durchhaltewillen des ukrainischen Volkes überzeugt: "Die Ukraine wird weiterkämpfen, bis der letzte Russe das Land verlassen hat. Die Ukraine wird sich verteidigen bis zum letzten Mann." Für sie steht fest: Russland möchte die ukrainische Nation vernichten.

 
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