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Schweinfurt
Globale Kunstbewegung in Schweinfurt: Wie Urban Sketcher ihre Heimat in Skizzen einfangen
Grobe Striche, schnelle Farbgebung – und schon ist aus dem Motiv Kunst geworden. Eine Schweinfurter Künstlergruppe zeigt, wie sie durch Kunst ihre Heimat neu entdeckt.
Beim Urban Sketching halten Zeichnende ihre Umgebung in schnellen Skizzen fest. Axel Weisenberger (links) hat Gruppen in Schweinfurt und Würzburg gegründet. Die Mitglieder treffen sich regelmäßig und zeichnen Szenen ihrer Heimat – wie hier das Zeughaus.
Foto: Josef Lamber | Beim Urban Sketching halten Zeichnende ihre Umgebung in schnellen Skizzen fest. Axel Weisenberger (links) hat Gruppen in Schweinfurt und Würzburg gegründet.
Désirée Schneider
 |  aktualisiert: 24.05.2023 02:33 Uhr

Die Hälse werden länger, hier und da huscht ein verstohlener Blick herüber – wenn Axel Weisenberger und seine Künstlerkolleginnen und -kollegen in den Schweinfurter Straßen zeichnen, erregen sie meistens Aufsehen.

"Es passiert mir oft, dass Leute mir beim Zeichnen über die Schulter schauen. Manchmal drücke ich ihnen dann einfach mein Skizzenbuch in die Hand und sage: Hier, schau mal rein", sagt Axel Weisenberger und lacht.

Der 58-jährige Wernecker ist Urban Sketcher. Das heißt, er fängt Szenen, Motive und Orte, die ihm in seinem Alltag in seiner unterfränkischen Heimat oder auf Reisen begegnen, in schnellen Skizzen ein. "Urban Sketching ist kein Stil; es ist eine Zeichenmethode. Und total individuell: Jeder hat seinen ganz eigenen Stil", sagt er.

Urban-Sketching-Gruppen in Schweinfurt und Würzburg

"Urban Sketching", was übersetzt so viel bedeutet wie "städtisches Zeichnen", ist eine aus Amerika stammende Kunstbewegung, die weltweit immer mehr Anhängerinnen und Anhänger findet. So auch in Unterfranken: Mittlerweile gibt es unter anderem in Schweinfurt und Würzburg Urban-Sketching-Gruppen, die sich regelmäßig zum gemeinsamen Zeichnen in den Innenstädten der Region treffen.

Gegründet hat sie Axel Weisenberger. Als ehemaliger IT-Mitarbeiter habe er einen Ausgleich gesucht zu seinem technischen Beruf, der viel logisches Denken erfordere. Beim Urban Sketching könne er abschalten: "Zeichnen ist mir wichtig, weil der Prozess etwas mit mir macht. In dem Moment bin ich fokussiert, kann mich wirklich vertiefen und alles andere vergessen."

Farben spielen beim Urban Sketching eine wichtige Rolle. Viele Urban Sketcher kolorieren ihre Skizzen mit handlichen Farbmalkästen und speziellen Pinseln mit Wassertank.
Foto: Josef Lamber | Farben spielen beim Urban Sketching eine wichtige Rolle. Viele Urban Sketcher kolorieren ihre Skizzen mit handlichen Farbmalkästen und speziellen Pinseln mit Wassertank.

Einmal im Monat trifft sich die Schweinfurter Gruppe nun an immer anderen Orten im Stadtgebiet. Zwischen zehn und fünfzehn Hobbyzeichnerinnen und Zeichner sind mittlerweile dabei – meist kommen bei den Treffen etwa eine Handvoll von ihnen zusammen. Im Vorfeld wird sich auf ein Motiv geeinigt, und vor Ort sucht sich jede und jeder einen Platz und beginnt, einen Ausschnitt der Umgebung zu zeichnen.

"Zeichne nicht zu viel, lass möglichst viel weg."
Axel Weisenberger, Urban Sketcher aus Werneck

Als Motiv eigne sich dabei fast alles, meint Weisenberger: moderne Architektur, historische Gebäude, Straßenzüge, Natur oder Menschen, die in Cafés sitzen. "Nur Kirchtürme sind eine Katastrophe", sagt er und lacht. Deren Proportionen würden oft falsch eingeschätzt und am Ende passe der Turm nicht mehr auf den kleinen Zeichenblock. Dann sei Kreativität gefordert: "Es gibt Sketcher, die zeichnen ihren Kirchturm dann auch mal um die Ecke", sagt Weisenberger schmunzelnd.

Konzentriert blickt der 58-Jährige zwischen dem Skizzenbuch auf seinem Schoß und dem heutigen Motiv der Gruppe, dem Schweinfurter Zeughaus, hin und her. "Was mir hier gut gefällt, sind die roten Stühle und die grünen Pflanzen davor – das ist der maximale Kontrast", sagt er. Dann setzt er den Stift auf dem Papier an und das Zeughaus beginnt, Gestalt anzunehmen.

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Dabei käme es gar nicht darauf an, dass jede Einzelheit stimmt, sagt Weisenberger: "Beim Urban Sketching kommt es nicht darauf an, möglichst detailgetreu zu zeichnen. Es soll einfach Spaß machen. Ich muss nicht jedes Fenster oder jeden Ziegel zeichnen; oft reicht es, wenn ich es nur andeute, der Kopf ergänzt dann den Rest. Das macht auch den Charme von Urban Sketching aus: das Weglassen."

Zeichnen verbindet: Beim Urban Sketching neue Leute kennenlernen

Das versuche er auch in seinen Urban-Sketching-Kursen an der Volkshochschule in Schweinfurt und Würzburg zu vermitteln: "Zeichne nicht zu viel, lass möglichst viel weg." Das Wichtigste sei, ein Gefühl für Perspektive zu entwickeln. Der Rest sei Übung.

Beim Urban Sketching komme es vor allem darauf an, Perspektiven richtig einzuschätzen, meint Urban Sketcher Axel Weisenberger.
Foto: Josef Lamber | Beim Urban Sketching komme es vor allem darauf an, Perspektiven richtig einzuschätzen, meint Urban Sketcher Axel Weisenberger.

"Am Anfang muss ich den meisten erst einmal die Angst nehmen, zusammen zu zeichnen. Wir sind alle keine Profis. Aber ich behaupte immer: Wer schreiben kann, kann auch zeichnen", so Weisenberger.

Viele der Zeichnenden sind über seine Kurse in die Schweinfurter Gruppe gekommen. So auch Ulrike Täubert. "Ich zeichne schon immer gerne, und die Treffen sind ein Anlass, es auch wirklich zu machen. Außerdem ist es schön, neue Leute kennenzulernen; das Zeichnen verbindet uns", sagt die Bad Neustädterin.

Linda Gahn-Becker ist ganz frisch in der Gruppe. Die Schweinfurterin versucht noch, sich dem Urban Sketching anzunähern. "Ich zeichne sehr detailgetreu. Mit dem Skizzenhaften, was das Urban Sketching ja ausmacht, tue ich mir noch schwer", sagt sie. Doch sie ist guter Dinge: "Zeichnen ist ein Handwerk. Wenn man Freude daran hat, dann findet man seinen eigenen Stil – ganz egal, wie der aussieht. Es ist ein Prozess."

Mit dem groben, skizzenhaften Stil des Urban Sketchings tut Linda Gahn-Becker aus Schweinfurt sich noch schwer. Sie zeichnet gerne detailreich.
Foto: Josef Lamber | Mit dem groben, skizzenhaften Stil des Urban Sketchings tut Linda Gahn-Becker aus Schweinfurt sich noch schwer. Sie zeichnet gerne detailreich.

Am Ende wird sich die Gruppe ihre Zeichnungen im Zeughaus mit einem Stempel versehen lassen und sie danach in den Sozialen Medien teilen. Das sei ein wichtiger Teil des Urban Sketchings. "Reiseskizzen hat es schon immer gegeben. Was neu ist, ist das Teilen mit anderen", sagt Weisenberger.

 
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