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Schweinfurt
Gewollte Provokation? Den Verfassungsschutz beschäftigt ein Plakat in Schweinfurt
In der Nähe des Friedhofs wurde an Ostern auf einer Plakatwand eine Botschaft plakatiert, die in den Sozialen Medien für Aufregung sorgte. Was die Hintergründe sind.
Dieses Plakat hängt in Schweinfurt in der Rhönstraße. Die Hintergründe des Plakats sind unklar und beschäftigen sogar den bayerischen Verfassungsschutz.
Foto: Steffen Krapf | Dieses Plakat hängt in Schweinfurt in der Rhönstraße. Die Hintergründe des Plakats sind unklar und beschäftigen sogar den bayerischen Verfassungsschutz.
Steffen Krapf
 |  aktualisiert: 15.07.2024 21:05 Uhr

War es eine gewollte Provokation? Ein großflächiges Plakat in der Schweinfurter Rhönstraße, in unmittelbarer Nähe zum Hauptfriedhof, sorgte in Teilen des Internets über das Osterwochenende hinweg für Aufregung. Und es folgte Vandalismus. Das Plakat hängt heute immer noch. Über die Hintergründe der Plakataktion rätselt aber auch der bayerische Verfassungsschutz.

Am Morgen des Ostersonntags veröffentlichte ein Mann auf der Social-Media-Plattform "Instagram" ein Video. Es trägt die Unterschrift: "Islamhass in Schweinfurt". Von ihm selbst waren nur seine Turnschuhe zu sehen, sowie ein Plakat, das offenbar teilweise mit schwarzer Farbe beschädigt wurde. Der Mann erklärte, das Plakat sei mit Spendengeldern ermöglicht worden, und nachdem es auf Twitter (gemeint ist "X", wie die Social-Media-Plattform mittlerweile heißt) viral ging, hätten ihn Hassnachrichten und Morddrohungen erreicht. Wer der Mann ist, oder welche Organisation hinter dem Plakat steckt, bleibt unklar.

Auf dem Plakat unweit des Schweinfurter Friedhofs ist ein kniender Mann auf einem Gebetsteppich zu sehen. Oben auf dem Plakat steht ein Bibelvers ("Jesus fiel auf sein Angesicht und betete zu Gott ..."), darunter "Nimm dir Jesus zum Vorbild, und werde Muslim." Die letzten drei Wörter wurden in besagter Nacht unter anderem übermalt.

Aus seiner Sicht "eine Hassaktion", findet der Mann in seinem Instagram-Beitrag. Vorgeblich sehe man so, was passiere, wenn man in Deutschland dazu aufrufe, zum Islam zu konvertieren. Der Urheber des Videos reagierte auf Anfragen über sein Social-Media-Profil durch diese Redaktion nicht. Auch die Kontaktaufnahmeversuche über die auf dem Plakat angegebene Telefonnummer und E-Mail-Adresse liefen ins Leere.

Rund 500.000 Menschen sahen den Beitrag auf der Plattform "X"

Verifizieren lässt sich zweifelsfrei, dass das Plakat auf "X" viral ging. Eine Nutzerin teilte ein Foto am Karfreitag mit dem Text: "Dieses Plakat hängt in Schweinfurt. Geht es noch unverschämter?". Fast eine halbe Million Menschen sahen den Beitrag, fast 1000 kommentierten ihn, knapp 900 teilten ihn auf ihren Profilen. Dazu gehörte auch der Bad Kissinger Michael Stürzenberger, den der bayerische Verfassungsschutz als zentrale Figur der verfassungschutzrelevanten islamfeindlichen Szene in Bayern beschreibt. Auch der frühere AfD-Geschäftsführer Georg Pazderski teilte ein Bild des Plakats und vermengte es in seinem Beitrag auf "X" mit der Debatte um ein Bild des deutschen Nationalspielers Antonio Rüdiger, auf dem dieser eine religiöse Geste zeigt.

Die Pressestelle der Stadt Schweinfurt antwortete auf Nachfrage, dass es sich in der Rhönstraße um eine genehmigte Privatwerbeanlage handele und die Stadt bei solchen keinen Einfluss auf die Art der dargestellten Werbung habe. Die rechtliche Einflussnahme der Stadt sei begrenzt. Eine Jugendgefährdung wäre in diesem Fall beispielsweise wohl nicht erfüllt, so die Stadt. Auch die Firma, die die Plakatwand vermietet, ließ das Plakatmotiv vor dem Aushang durch ihren Hausjuristen prüfen, heißt es auf Nachfrage.

Verfassungsschutz sieht Parallelen zu einer Aktion aus dem Jahr 2022

Also viel Wirbel um Nichts und ein gefundenes Fressen für den politisch rechten Rand? So einfach ist es nicht. Auch der bayerische Verfassungsschutz wirft ein genaues Auge auf das Plakat in der Rhönstraße, wie eine Nachfrage dieser Redaktion ergibt. Man erkannte Parallelen in der inhaltlichen Diktion des Plakats mit einer vom salafistischen Predigers Pierre Vogel initiierten Street-Da'wa-Aktion aus dem Jahr 2022.

Beim Salafismus handelt es sich um eine ultrakonservative Strömung innerhalb des Islam, der ein intolerantes, antidemokratisches und gewaltverherrlichendes Weltbild zugrunde liegt. Damals rief Vogel dazu auf, deutschlandweit an möglichst vielen Standorten gut sichtbare Plakate anzubringen. Die Aufschrift seinerzeit – deckungsgleich zum Schweinfurter Plakat heute: "Jesus fiel auf sein Angesicht und betete zu Gott ... Nimm dir Jesus zum Vorbild, und werde Muslim!"

Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz konnte bislang die tatsächliche Urheberschaft des Plakats in Schweinfurt und somit auch einen möglichen Extremismushintergrund nicht abschließend feststellen, teilt es dieser Redaktion mit. Schweinfurt sei aber kein Schwerpunkt salafistischer Agitation oder salafistischer Struktur, erklärt der Verfassungsschutz. Auch liegen derzeit keine Hinweise vor, dass andernorts in Bayern vergleichbare Plakate verbreitet wurden.

Das beschmierte Plakat in der Rhönstraße wurde übrigens mittlerweile durch ein frisches, unbeschädigtes Plakat ausgetauscht.

 
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Kommentare
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  • Edith Kram
    @GF:

    Man beachte Art. 4 und Art. 5 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland.
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  • Irmgard Engert
    Schon allein der zitierte Bibelvers zeigt, wie absurd dieses Plakat ist!
    Er lautet nämlich in Gänze: "Und er (= Jesus) ging ein Stück weiter, warf sich auf sein Gesicht und betete: Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst." Und die Anrede Gottes als "Vater" ist etwas, das im Islam undenkbar ist, sondern etwas Spezifisch christliches!
    Und damit ist dann auch klar: Jesus war kein Moslem, wenn er Gott als Vater angesprochen hat - was damit auch die Unsinnigkeit dieses Plakats belegt, oder sollte es einfach ein Ausdruck dafür sein, dass der Verfasser des Plakats weder eine Ahnung vom Christentum noch vom Islam hat? Scheint für mich fast so!
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  • Peter Koch
    Es wird doch wohl herauszufinden sein welcher Staatsfeind hinter dem Plakat steckt. Egal ob Islamist oder Nazi, das Plakat gehört abgehängt.
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  • Daniela Mahler
    Das sieht aber schon recht deutlich nach gewollter Provokation wegen dem Fußballspieler aus. Das kommt m.E. nicht von Muslimen sondern erinnert viel mehr an eine provokante Plakataktion aus dem Jahr 2017.
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