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WIESTHAL
Der Wunsch der AfD nach „Germany first“
Großes Polizeiaufgebot: Rund 30 Polizisten und etliche Streifenwagen waren am Mittwochabend vor dem Wiesthaler Hof positioniert. Drinnen fand eine AfD-Wahlveranstaltung statt. Draußen protestierten Gegendemonstranten.
Foto: Johannes Ungemach | Großes Polizeiaufgebot: Rund 30 Polizisten und etliche Streifenwagen waren am Mittwochabend vor dem Wiesthaler Hof positioniert. Drinnen fand eine AfD-Wahlveranstaltung statt. Draußen protestierten Gegendemonstranten.
Johannes Ungemach
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:22 Uhr

Das hat die beschauliche 1400-Seelen-Gemeinde Wiesthal wohl noch nicht erlebt. Rund 80 AfD-Anhänger waren am Mittwochabend – teilweise aus ganz Unterfranken – zu einer Wahlveranstaltung der rechtspopulistischen Partei in den Wiesthaler Hof angereist. Vor der Gaststätte gab es eine Gegendemo der Initiative „Spessart kunterbunt“ mit rund 60 Teilnehmern.

Polizei mit rund 30 Beamten vor Ort

Die Polizei war mit rund 30 Beamten vor Ort, musste jedoch nicht eingreifen. Beide Veranstaltungen verliefen frei von Zwischenfällen. Bereits auf den Zufahrtsstraßen hatte es Polizeikontrollen gegeben. Auch im Saal des Wiesthaler Hofes begleiteten Polizisten in Zivil die Veranstaltung und überwachten den Zugang.

Im AfD-Publikum überwog die ältere Generation deutlich, jedoch waren auch etliche Jüngere im Saal. Laut Gottfried Walter, seit kurzem im Stimmkreis Main-Spessart/Miltenberg AfD-Direktkandidat für die Bundestagswahl, hatte die Partei in ganz Unterfranken per Flyer für die vom Kreisverband Main-Spessart angemeldete Veranstaltung geworben. Es seien Teilnehmer aus Kitzingen und Schweinfurt angereist. In Main-Spessart hat die AfD 78 Mitglieder.

Deutschland als kranker Mann

Hauptredner des Abends war Georg Pazderski (65), ehemaliger Bundeswehroffizier und heute AfD-Landesvorsitzender in Berlin. In einem zweistündigen politischen Rundumschlag skizzierte er ein Bild von Deutschland „auf dem besten Weg zum kranken Mann Europas“. In der Bundesregierung seien „Dilettanten am Werk“.

Von der Terrorgefahr über das organisierte Verbrechen und die Krise des Euroraumes bis hin zur Sicherheitspolitik reichte die Palette der Themen, bei denen Pazderski den Regierenden Versagen vorwarf. Es müsse wieder das „Wohl des deutschen Volkes“ in den Mittelpunkt der Politik rücken. Er wünsche sich, „dass auch ein deutscher Politiker mal ,Germany first' sagt“, so Pazderski mit Blick auf die Linie des US-Präsidenten Donald Trump. Staaten hätten „keine Freunde, sondern Interessen“, so Pazderskis Vorstellung von Außenpolitik.

Deutscher Wohlstand durch Flüchtlinge gefährdet

Die Zukunft von Gesellschaft und Wohlstand in Deutschland sei durch die Massenmigration bedroht. Neun von zehn Flüchtlingen seien Wirtschaftsflüchtlingen, vom „Füllhorn des Sozialstaats“ angelockt, so Pazderski. Die betriebswirtschaftliche Kostenrechnung ergebe Kosten für Flüchtlinge in dreistelliger Milliardenhöhe. Geld, mit dem sich die Ursache der Flucht in den Herkunftsländern viel effektiver bekämpfen lasse, so Pazderski. Auch in Europa sei Deutschland Zahlmeister. Ohne grundlegende Reform der Europäischen Union müsse Deutschland aus dieser austreten, sagte er und erntete Applaus.

Ein Schwerpunkt im Vortrag des ehemaligen Militärs war die Bundeswehr. Diese sei zu klein, schlecht ausgestattet und schlecht angesehen,. Was könne man auch anderes erwarten, wenn eine Gynäkologin Verteidigungsministerin sei, so Pazderski.

Dienstpflicht auch für Frauen?

Den Deutschen hielt er vor, dass gemäß einer Umfrage nur ein Fünftel von ihnen bereit wäre, im Ernstfall für die Heimat zu kämpfen. Der Stolz auf die Nation werde in der Gesellschaft unterdrückt.

Pazderski forderte eine deutliche Vergrößerung der Bundeswehr, eine erhebliche Aufstockung des Wehretats und die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Auch für Frauen könne man über eine Dienstpflicht nachdenken, die jedoch auch im sozialen Bereich abgeleistet werden könne. Allerdings solle die Pflicht nur für solche Frauen gelten, die keine Kinder haben. Mit der Begründung, dass die Kindererziehung Aufgabe der Frau sei, schlug Pazderski vor, dass Kita-Plätze reduziert und das gesparte Geld den Müttern ausgezahlt werden solle.

In der abschließenden Fragerunde wurde es kurzfristig turbulent, als zwei Zuhörer mit Pazderski in Streit über die Rollen von Russland und der USA im aktuellen Weltgeschehen gerieten. Während die beiden Zuhörer wutentbrannt den Saal verließen, beendete der AfD-Kreisvorsitzende Cartsburg die Veranstaltung.

Klage über Anfeindungen

Zu deren Beginn hatte der 39-jährige Justizvollzugsbeamte vor allem über die Anfeindungen geklagt, die die AfD im ganzen Land zu ertragen habe. Das alles werde gedeckt durch die Medien. Den öffentlich-rechtlichen müsse man daher die Gebührenquelle abdrehen. Von der rechtsextremen NPD könne „man halten, was man will“, so Cartsburg. Wenn diese jedoch keine Steuergelder mehr bekommen würde, wäre dies „äußerst antidemokratisch“.

Walter: Fleisch muss das Fünffache kosten

Der AfD-Bezirksvorsitzende Christian Klingen forderte eine umgehende Schließung der Grenzen für Flüchtlinge und eine Sicherung notfalls durch Zäune. Der AfD-Direktkandidat Gottfried Walter warnte vor einem Ausverkauf der deutschen Industrie und vor der Terroranfälligkeit der geplanten Stromtrasse Südlink. Die Landwirtschaft müsse hin zu mehr Respekt für Tier und Natur kommen. Fleischkonsum sei vertretbar, aber nur dann, wenn der Verbraucher selbst am Tötungsakt teilnehme. Der Preis für Fleisch müsse um das Fünffache über dem heutigen liegen. Abschließend warb Walter um die Gunst der Wähler: „Ich bin der Diener Eurer Werte.“

Auf der AfD-Bühne: (von links) Kreisvorsitzender Stefan Cartsburg, Bezirksvorsitzender Christian Klingen, Direktkandidat Gottfried Walter und Gastredner Georg Pazderski.
Foto: Ungemach | Auf der AfD-Bühne: (von links) Kreisvorsitzender Stefan Cartsburg, Bezirksvorsitzender Christian Klingen, Direktkandidat Gottfried Walter und Gastredner Georg Pazderski.
 
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