
War es Mord oder Totschlag, als die 28-jährige Somalierin im August 2022 ihre drei Monate alte Tochter laut Anklageschrift im Ankerzentrum in Geldersheim mit mehreren Messerstichen so schwer verletzte, dass diese wenig später im Krankenhaus starb? Hätte der Vater des Kindes die Tat erahnen und eingreifen können? Es sind Fragen wie diese, die in der zweiten Hauptverhandlung im Prozess gegen die junge Frau vor der Vierten Großen Strafkammer des Landgerichts Schweinfurt im Zentrum stehen.
Im Frühjahr war der Fall schon einmal in Schweinfurt verhandelt worden. Damals hatte das Gericht die vermutlich 28-Jährige wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Grund dafür: Die Kammer sah das Mordmerkmal der Heimtücke als erfüllt an. Damit lag das Gericht über der Forderung von Staatsanwaltschaft und Verteidigung, die jeweils auf Totschlag plädiert hatten.
Im Sommer dann die überraschende Wendung: Die Verteidigung hatte gegen das Urteil Revision eingelegt. Was das Tatgeschehen angeht, widerspricht der Bundesgerichtshof (BGH) zwar nicht, der Einstufung als Mord hingegen schon – und verwies den Fall zurück an das Landgericht Schweinfurt, wo er nun neu verhandelt wird.
Vater zum Tatzeitpunkt mehrere hundert Meter entfernt
Der BGH zweifelt vor allem an der Feststellung des Landgerichts, dass das Mordmerkmal der Heimtücke erfüllt sei. Voraussetzung dafür ist nämlich, dass der Täter oder die Täterin die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt. Bei Kleinkindern liegt der Fall jedoch anders: Da sie noch nicht zu Argwohn und Gegenwehr fähig sind, kommt es auf die Arg- und Wehrlosigkeit eines sogenannten "schutzbereiten Dritten" an.
Den definiert der Gesetzestext als eine Person, "die den Schutz eines Besinnungslosen vor Leib- und Lebensgefahr dauernd oder vorübergehend übernommen hat und diesen im Augenblick der Tat entweder tatsächlich ausübt oder es deshalb nicht tut, weil sie dem Täter vertraut". In diesem Fall hatte das Landgericht in der ersten Verhandlung den Vater des Opfers als schutzbereiten Dritten identifiziert.
Doch genau an dieser Feststellung zweifelt der BGH. Der Vater soll zum Tatzeitpunkt mehrere hundert Meter entfernt gewesen sein und habe daher keine Möglichkeit gehabt, einzugreifen. In der zweiten Hauptverhandlung geht es nun noch einmal um die Frage, ob der damals vermutlich 29-Jährige die Tat seiner Frau hätte erahnen können und sie dennoch mit dem Kind allein ließ.
Wollte die Angeklagte auch sich selbst töten?
Die Angeklagte vertritt in ihrer Aussage eine klare Ansicht: Sie sei sich sicher, ihr Mann hätte den psychischen Ausnahmezustand, in dem sie sich am Tatabend befunden haben will, erkennen müssen. "Er kennt mich gut. Er muss in meinem Gesicht gesehen haben, dass es mir nicht gut ging", übersetzt die Dolmetscherin die Worte der jungen Frau. Sie habe ihn angefleht, nicht zu gehen. Doch wie so oft habe er sie mit dem Kind allein gelassen, so die Angeklagte.
Ihr Mann will davon vor Gericht nichts wissen. Sie sei vollkommen unauffällig gewesen, habe sich normal verhalten, versichert er den Vorsitzenden. Das Gericht hält dies für wenig glaubhaft. Immerhin berichtet die Angeklagte mehrfach, dass ihr alles "über den Kopf gewachsen" sei. Ihr Mann habe sie misshandelt, von ihrem Umfeld fühle sie sich alleingelassen. Zudem leide sie seit ihrer Kindheit unter psychischen Problemen, habe zuletzt ihre Medikamente nicht mehr genommen.
"Meine Welt ist geschrumpft", sagt sie. Deshalb habe sie an jenem Tag beschlossen, sich und ihr Kind zu töten. Eine Aussage, die im Prozess für Aufsehen sorgt. "Dass sie auch sich selbst töten wollten, haben Sie bisher niemandem erzählt", hält der Vorsitzende Richter ihr vor. Die Angeklagte macht dafür die angeblich fehlerhafte Übersetzung der damaligen Dolmetscherin verantwortlich.
Auch der anwesende Gutachter weist darauf hin, "unter welch massiv belastenden Lebensumständen" die Angeklagte zum Tatzeitpunkt gestanden habe. Er diagnostiziert ihr eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Typ Borderline. Sie neige dazu impulsiv zu handeln, ohne über Konsequenzen nachzudenken; sei unfähig vorauszuplanen. Eine Schuldunfähigkeit ergebe sich daraus jedoch nicht.
Die Verhandlung wird am Freitag, 24. November, fortgesetzt.
Der BGH wird sich wohl seine Gedanken gemacht haben, und die scheinen nachvollziehbar, was das Mordmerkmal angeht.
...."Für uns als Steuerzahler schon unverschämt, auf unsere Kosten die Verhandlung erneut aufzurollen."....
Das ist keine "Unverschämtheit", das ist ein Grundprinzip des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates, dem auch bayerische Richter und Anklagebehörden unterliegen.
Als "Steuerzahler" sollten Sie froh und dankbar sein, dass dieser Rechtsstaat auch Sie ggf. schützt.