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Schweinfurt
Prozess vor dem Landgericht Schweinfurt: Mutter gesteht, ihre drei Monate alte Tochter getötet zu haben
Ein Baby kommt im Ankerzentrum zu Tode, die angeklagte Mutter sagt, sie sei hoffnungslos und verzweifelt gewesen. Ihr Mann spricht von psychischen Problemen.
Mehr als ein halbes Jahr, nachdem sie ihr Baby getötet haben soll, muss sich eine junge Frau vor dem Landgericht Schweinfurt wegen Mordes verantworten. 
Foto: Daniel Vogl, dpa | Mehr als ein halbes Jahr, nachdem sie ihr Baby getötet haben soll, muss sich eine junge Frau vor dem Landgericht Schweinfurt wegen Mordes verantworten. 
Lisa Marie Waschbusch
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:19 Uhr

Ihr Leben sei geprägt gewesen von Angst und Sorgen. In Frankreich, wo die junge Frau aus Somalia zuerst mit ihrem Mann Asyl gesucht hatte, später dann in Deutschland, in der Ankereinrichtung in Geldersheim (Lkr. Schweinfurt), in der die Familie zu dritt ein Zimmer bewohnte. Irgendwann, sagt die vermutlich 28-Jährige vor Gericht, die Dolmetscherin übersetzt, seien ihr "die Probleme über den Kopf gewachsen".

Und dann bestätigt die junge Frau: Ja, sie habe ihre drei Monate alte Tochter im August 2022 mit einem Küchenmesser getötet. Sie sei hoffnungslos und verzweifelt gewesen, habe sich alleingelassen gefühlt, von ihrem Mann, den Menschen im Ankerzentrum, von ihrer Familie, sagt sie unter Tränen. Der Ehemann habe sie geschlagen, überall herumerzählt, sie sei verrückt.

Nachdem er am Abend des 6. August 2022 vom Einkaufen zurückgekommen sei, habe sie ihn angefleht, bei ihr zu bleiben, doch er sei wieder gegangen – raus zu seinen Kumpels. "Ich hatte sehr starke Angst", erklärt die junge Frau vor Gericht. Wovor führt sie nicht weiter aus. Sie habe "kein Leben für meine Tochter, kein Leben für mich" gesehen. Die 28-Jährige sagt: "Dann habe ich beschlossen, meine Tochter zu töten."

Staatsanwaltschaft wirft der 28-Jährigen Körperverletzung und Mord vor

Es ist eine lange, schwierige Vernehmung vor der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts als Schwurgericht, in der die Vorsitzende Richterin immer wieder an die junge Frau appelliert, zu schildern, wie es zu der Tötung gekommen ist, und vor allem, warum. Der psychiatrische Gutachter fragt die Angeklagte schließlich: "Wollten Sie einfach ein Problem weniger haben, nämlich das Kind?" Die Frau sagt lediglich: Sie habe ihre Tochter vor den Problemen, die sie selbst hatte, bewahren wollen.

Die Staatsanwaltschaft wirft der 28-Jährigen gefährliche Körperverletzung und Mord vor. An jenem Abend im August habe sie, so steht es in der Anklageschrift, dem circa drei Monate alten Baby mehrere oberflächliche Stichverletzungen am Bauch zugefügt, es anschließend mit zwei Messerstichen am Hals tödlich verletzt. Ihr Mann, der Vater des Mädchens, habe das Zimmer in der Ankereinrichtung zuvor verlassen. Ihr sei bewusst gewesen, dass er den Raum nicht verlassen hätte, "wenn er mit einem Angriff der Angeklagten auf das Leben des gemeinsamen Kindes gerechnet hätte", heißt es in der Anklageschrift weiter.

Der Ehemann schildert vor Gericht eine andere Version des ehelichen Zusammenlebens. Probleme, anders als die Frau es sagt, habe es in der Ehe nicht gegeben. Er habe sie zwar im Streit auch mal geschlagen, allerdings nur um sich zu verteidigen – weil sie so schnell sauer geworden sei. Der vermutlich 29-Jährige sagt, seine Frau habe das Mädchen sehr geliebt.

"Ich hätte niemals gedacht, dass sie dem Kind etwas antut", erklärt er auf Somali. Auch ihm kommen mehrmals die Tränen. Er liebe seine Frau und verzeihe ihr, sagt der junge Mann, während er sie ansieht. Doch sie sieht nicht zurück. 

Die junge Frau soll psychische Probleme gehabt haben

Der Mann gibt auch Einblicke in die Vergangenheit der Frau: Sie sei krank, in Griechenland kurzzeitig in einer Psychiatrie untergebracht gewesen, weil sie zwei Menschen und sich selbst mit einem Messer verletzt haben soll. Da sei er allerdings noch nicht mit ihr zusammen gewesen. Während der Ehe habe sie Medikamente genommen.

An jenem Abend im August 2022, sagt ein Kriminalbeamter, habe die Frau bereits gesagt, dass sie das Kind getötet habe. Das Messer fand die Polizei im Zimmer der Familie. Der Vater des Kindes habe dem Beamten erzählt, es sei ein Wunschkind gewesen und es habe keinerlei Probleme gegeben. Fotos auf dem Handy, das die Polizei ausgewertet hat, zeigen eine glückliche Familie. Doch der Beamte sagt auch: In Frankreich, wo die Familie zuvor war, habe es ein Ermittlungsverfahren gegen den Mann wegen Körperverletzung gegeben. Laut Rechtsmediziner ist das Mädchen verblutet, gestorben ist es im Krankenhaus.

Für den Prozess sind zwei Verhandlungstage angesetzt. Am kommenden Donnerstag könnte bereits das Urteil gesprochen werden.

 
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