Die neue Woche hat gerade erst begonnen, da reicht es Bernd Hofmann schon wieder. "Es ist unglaublich, was da an Lastwagen-Verkehr durchkommt", sagt er. Wie ihm ergeht es derzeit den allermeisten Anwohnerinnen und Anwohnern der Berliner Straße in Gerolzhofen, deren Häuser im Abschnitt zwischen der Kreuzung zur Schallfelder bzw. Wiebelsberger Straße und der Dingolshäuser Straße stehen. Sie fühlen sich als Opfer des Straßenverkehrs, der sich aufgrund der wegen Brückenbauarbeiten gesperrten B 286 neue Wege sucht.
Die Schnellstraße ist seit Anfang August zwischen den Anschlussstellen Gerolzhofen-Süd und Neuses am Sand blockiert. Bis Ende Oktober soll die Sperre gelten. Wer die stark frequentierte Verbindungsroute zwischen der A 3 bei Wiesentheid und der A 70/A 7 bei Schweinfurt nutzt, ist gezwungen, eine andere Strecke zu fahren. Und viele halten sich nun einmal nicht an die ausgeschilderte offizielle Umleitungsstrecke, sondern suchen die kürzeste Strecke, was dank Navigationsgerät auch für Ortsunkundige kein Problem darstellt.
Umleitungsstrecke ist grundsätzlich nicht verbindlich
Die vom Staatlichen Bauamt Würzburg, die für die Baustelle auf der B 286 verantwortlich ist, ausgewiesene Umleitung beschränkt sich vorschriftsgemäß ausschließlich auf Staats- und Bundesstraßen. Deshalb ist diese Route auch deutlich länger als die direkte Strecke über andere Straßen. Denn es ist durchaus möglich – und auch nicht verboten – mehr oder weniger parallel zur B 286 durch die dortigen Ortschaften zwischen Neuses am Sand und Gerolzhofen zu fahren.
Offiziell jedoch sollen die Fahrzeuge ab der Anschlussstelle Neuses auf der B 22 bis Laub und von dort über die Staatsstraße 2274 über Eichfeld bis zur Ortsumgehung von Volkach fahren. Von dort geht es dann über die schmale Staatsstraße durch Obervolkach, Krautheim und Frankenwinheim nach Gerolzhofen zur Auffahrt Gerolzhofen-Nord.
Böse Erinnerungen wiederholen sich gerade
Zum Vorortgespräch in der Berliner Straße sind neben Bernd Hofmann, Mariette Kohlhaupt, Barbara Lang, Josef Meyer, Thomas Steinhauer, Dieter Gaiser und Wolfgang Föhst erschienen. Was sie berichten, das betonen sie, stünde auch für die Erlebnisse weiterer Nachbarn. Alles in allem fühlen sie sich zurückversetzt ins Jahr 2016. Damals war die B 286, die auf einer Böschung in Wurfweite der Berliner Straße entlangführt, schon einmal wegen Bauarbeiten für mehrere Monate gesperrt. Auch damals wälzte sich der Ausweichverkehr durch die Berliner Straße und brachte für die Anwohner eine Menge Lärm mit sich. Diese Situation wiederholt sich soeben. Vor allem nachts würden die Fahrer Gas geben und fahren "was das Zeug geht", sagt Wolfgang Föhst.
Er hat Zahlen einer Verkehrszählung mitgebracht, die die Anwohner durchgeführt haben. Sie belegen den gefühlten Wahnsinnsverkehr mit Fakten. Schon in normalen Zeiten, wenn die B 286 nicht gesperrt ist, ist das Verkehrsaufkommen auf der Berliner Straße immens. Am 27. Juli, kurz vor Einrichtung der Straßensperre, zählten die Anwohner zwischen 5 und 19 Uhr 2495 Autos und 118 Lastwagen, die vorbeifuhren. Die Zahlen gleichen weitgehend denen vom 19. Juli 2017, ebenfalls ein Monat ohne Sperrung und Ferien. Damals waren es im gleichen Zeitraum 2535 Autos und 99 Lastwagen.
Interessant sind die Zahlen vom 9. August 2016. Damals, als die B 286 erst kurze Zeit gesperrt war, fuhren zwischen 5 und 19 Uhr 3558 Autos und 83 Lastwagen durch die Berliner Straße. Am 6. Oktober 2016 – noch während der Sperrung, aber außerhalb der Ferienzeit – waren es dann 4428 Autos und 81 Lastwagen.
Anwohner kommen kaum noch vom eigenen Grundstück
Für die Zeit der aktuellen Sperrung liegen noch keine Zahlen vor. Die Anwohner möchten diese allerdings nach den Sommerferien erheben. Unabhängig davon sind sie sich sicher: Der Verkehr vor ihren Haustüren ist auch dieses Mal mit Beginn der Straßensperre ebenso sprunghaft angestiegen wie vor sechs Jahren, Tendenz steigend. Mit spürbaren Folgen. Dieter Gaiser berichtet, dass er neulich fast zehn Minuten warten musste, bis er eine Lücke im Verkehrsfluss fand, um mit seinem Wohnmobil vom Grundstück zu kommen.
Besonders belastend ist aus Sicht der Anwohner der in erster Linie mit dem Schwerlastverkehr verbundene Krach. Vor allem unbeladene Anhänger und Sattelzug-Auflieger scheppern bei jedem Deckel von Gullis oder Wasserschiebern, über die sie fahren. Auch wenn die Fahrzeuge die Stellen passieren, wo die Straße nach dem Einbau zusätzlicher Versorgungsleitungen geflickt wurde, ist das das Rumpeln deutlich hörbar. "Das Familienleben spielt sich ausschließlich hinterm Haus ab", beschreibt Thomas Steinhauer die Flucht der Anwohner vor dem Lärm.
Wann kommt eine Beschränkung von Höchstgewicht und Tempo?
"Wir sind nicht grundsätzlich gegen den Umleitungsverkehr", sagt Josef Meyer. Er und seine Nachbarn wissen: Irgendwohin müssen die Fahrzeuge ja ausweichen. Doch sie wünschen sich, dass die Stadt die vorhandenen Schäden in der Straßendecke umgehend beseitigt, um den Lärm zu reduzieren. Zudem sehen sie das Problem, dass die Schäden, die vor allem der Schwerlastverkehr auf der Berliner Straße anrichten dürfte, an der Stadt und somit den hiesigen Einwohnern hängen blieben wird. Ihr Vorschlag lautet: Die Stadt soll – wie im Jahr 2016 geschehen – für die Berliner Straße schnellstmöglich ein Durchfahrtsverbot für Fahrzeuge mit einem Gewicht über 3,5 Tonnen ausweisen und die zulässige Geschwindigkeit einschränken.
Eine Nachfrage dieser Redaktion beim amtierenden Zweiten Bürgermeister, Erich Servatius, lässt wenig hoffen, dass es auch dieses Mal zu einem Durchfahrtsverbot schwerer Laster kommen wird. Servatius sagt: Eine Rückfrage beim Bauhof der Stadt habe ergeben, dass die Beschränkung im Jahr 2016 letztlich wenig bewirkt hat. Grund ist laut Servatius die unzureichende Kontrolle des Verbots. "Neun von zehn der Lastwagen würden trotz Verbots durchfahren", meint er. Und selbst wenn ein auswärtiger Sattelzug unberechtigterweise in der Berliner Straße erwischt wird, dann müsste man dem Fahrer erst einmal nachweisen, dass er kein berechtigtes Anliegen hat, die gesperrte Straße dennoch zu nutzen. In der Theorie sei dies sicherlich möglich, doch in der Praxis im notwendigen Umfang kaum umsetzbar, stellt Servatius fest. Das gelte auch für den Fall, falls man Verursacher für mögliche Schäden an der Straße haftbar machen wolle. Auch hier scheitere dies wohl an den kaum zu erbringenden eindeutigen Beweisen.
Verantwortlichen sind die Probleme bekannt
Seiner Meinung nach verleite die mit deutlichen Umwegen verbundene offizielle Umleitung Verkehrsteilnehmer dazu, nach einer kürzeren Alternative zu suchen. Dies sei letztlich auch grundsätzlich nicht zu verbieten.
Dass Ortskundige oder Navi-Nutzer statt der ausgewiesenen Umleitung die kürzeste Strecke wählen, ist auch Johanna Klein, der zuständigen Abteilungsleiterin des Staatlichen Bauamts in Würzburg, natürlich bekannt. "Dies bereitet uns leider vielerorts immer wieder Probleme", teilt sie mit. Allerdings habe ihre Behörde gegen diesen Ausweichverkehr keine Handhabe. Ihnen bliebe nur die Möglichkeit, die ausgeschilderte Umleitungsstrecke in regelmäßigen Abständen zu kontrollieren.
Nach Intervention: Hinweisschild wurde versetzt
Deshalb sei man auch in Kontakt mit der Stadt Gerolzhofen. Der Zweite Bürgermeister hat so etwa veranlasst, dass im Lauf dieser Woche die Verkehrstafel, die in der Schallfelder Straße auf die in Richtung Neuses am Sand gesperrte B 286 hinweist, versetzt wurde. Bislang stand diese auf Höhe des Kreisbauhofs. Nun steht sie von Schallfeld kommend kurz vor der Kreuzung zur Berliner Straße. Erhoffter Effekt: Die Verkehrsteilnehmer kommen erst gar nicht auf die Idee, an der Kreuzung rechts abzubiegen, um auf direktem Weg zur B 286 zu fahren. Stattdessen mögen sie der Umleitung U 11 folgen, die über die Hermann-Löns-Straße und Kolpingstraße Richtung Nördliche Allee und von dort an der Anschlussstelle Gerolzhofen-Nord auf die B 286 führt.
Vernunft und Rücksicht den Anwohnern gegenüber gebiete es, so appelliert Servatius, wegen einer um ein paar Hundert Meter kürzeren Strecke nicht durch die Berliner Straße zu fahren und die dortigen Anwohner zu belasten. Einwerfen ließe sich an dieser Stelle, dass selbstverständlich auch entlang der ausgeschilderten Strecke Menschen wohnen. Letztlich bleibt festzuhalten: Egal wie und wo die Fahrzeuge fahren, sie sorgen in jedem Fall für mehr Lärm und belasten Straßen zusätzlich.
Am 12 bzw. 13.09.22 beginnt das neue Schuljahr, da sind viele Kinder auf der Straße unterwegs zur Bushaltestelle. Ich hoffe, und da spreche ich bestimmt vielen aus der Seele, muss nicht erst was passieren, dass etwas unternommen wird. Das wäre fatal. Passt alle gut auf euch auf, egal wo ihr seid.