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Gernach
Gemeinschaftstat: Vier Männer retten einem Mann mit Herzinfarkt das Leben – mit Hilfe eines Defibrillators
Bei einem Tischtennisspiel in Gernach kippt ein Spieler um mit Herzkammerflimmern. Die Anwesenden handeln professionell und schnell. Sonst wäre der Mann jetzt tot.
Sechs Wochen nachdem sie gemeinsamen einem Mitspieler das Leben gerettet haben, treffen beim Nachholspiel des Tischtennismatches in Gernach Kevin Weimer, Florian Weber und Alfred Glos wieder aufeinander.
Foto: Michael Mößlein | Sechs Wochen nachdem sie gemeinsamen einem Mitspieler das Leben gerettet haben, treffen beim Nachholspiel des Tischtennismatches in Gernach Kevin Weimer, Florian Weber und Alfred Glos wieder aufeinander.
Michael Mößlein
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:22 Uhr

Das Tischtennismatch in der Halle des TSV Gernach läuft am Freitagabend, 17. November, seit einiger Zeit. Zu Gast ist der FC Geldersheim. Gespielt wird parallel an zwei Tischen. Gegen 21 Uhr spielt Florian Weber (37) aus Gernach gegen Kevin Weimer (33) aus Geldersheim, als er am Nachbartisch einen Schlag hört. Als er hinüberschaut, sieht er, dass ein Spieler der Gäste am Boden liegt. Von da an nimmt der Abend einen dramatischen Verlauf.

Denn der 48-Jährige aus Geldersheim hat nicht nur das Bewusstsein verloren, wie Weber mit ein paar Wochen Abstand erzählt. Kaum haben Weimer und er den Bewusstlosen in die stabile Seitenlage gebracht, atmet der Tischtennisspieler nicht mehr. Die Helfer drehen den Bewusstlosen auf den Rücken und beginnen mit der Herzdruckmassage.

"Es war für mich die erste reale Reanimation", sagt Weber. Er arbeitet hauptberuflich bei einer Werkfeuerwehr in Schweinfurt und ist ausgebildeter Rettungssanitäter. Doch jetzt, in seiner Freizeit, steht er das erste Mal in der Verantwortung, einen Menschen am Leben zu erhalten. "Da blendest du alles um dich herum aus und rufst das ab, was du in er Ausbildung gelernt hast", erinnert er sich und ist ein wenig überrascht, dass alles so funktioniert hat. "Man denkt da nicht großartig nach, man handelt einfach."

Alle Helfer arbeiten gut zusammen

Kevin Weimer ist ehrenamtlich als Sanitätshelfer im Bereich Hausnotruf tätig und bei der Feuerwehr. Er hat schon mehrfach Menschen reanimiert, "aber noch nie einen so jungen", sagt er. Die Zusammenarbeit mit Florian Weber habe reibungslos funktioniert.

Während Weber und Weimer sich um das Leben des am Boden liegenden Mannes kümmern, funktioniert die Rettungskette auch an anderer Stelle beinahe mustergültig. Denn sofort hatte der anwesende Winfried Nickel den Notruf abgesetzt und der Integrierten Leitstelle in Schweinfurt alle wichtigen Informationen zur laufenden Reanimation durchgegeben.

Adrian Treutlein steht neben dem Defibrillator, der in Gernach neben einer Autowerkstatt hängt. Damit hat er mit drei weiteren Helfern einem Mann mit Herzkammerflimmern das Leben gerettet hat.
Foto: Michael Mößlein | Adrian Treutlein steht neben dem Defibrillator, der in Gernach neben einer Autowerkstatt hängt. Damit hat er mit drei weiteren Helfern einem Mann mit Herzkammerflimmern das Leben gerettet hat.

Fast noch wichtiger ist: Alfred Glos (67) denkt in diesem Moment daran, dass nicht weit vom Sportheim entfernt, an der Außenwand der Kfz-Werkstatt Treutlein, ein öffentlich zugänglicher Defibrillator  – kurz Defi – hängt. Diesen haben Martina und Werner Treutlein vor vier Jahren auf eigene Kosten angeschafft, nachdem die Gemeinde Kolitzheim kein Gerät bezahlen wollte.

Im Sprint das rettende Gerät geholt

Jetzt erweist sich der Defi als Glücksfall. Denn als Adrian Treutlein, der Sohn der Werkstattbesitzer, telefonisch von dem Notfall erfährt und das Gerät zum Sportheim bringen möchte, sieht er: Der Defi ist weg. Glos war bereits die 200 Meter zur Werkstatt gespurtet und hat das Gerät geholt.

Treutlein rennt trotzdem zur Sporthalle. Er arbeitet als Pflegefachkraft und kennt Reanimationen aus der Praxis. Er übernimmt jetzt das Beatmen des 48-Jährigen, während Weber und Weimer weiter die Herzdruckmassage übernehmen. Als die Elektroden des Defis am Bewusstlosen aufgebracht sind, stellt das Gerät Herzkammerflimmern fest – eine lebensbedrohliche Situation. Das Gerät versetzt dem Bewusstlosen, dessen Herz nicht mehr funktioniert, einen Stromstoß, um es wieder in einen normalen Rhythmus zu bringen.

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Bis Rettungswagen und Notarzt aus Gerolzhofen nach knapp 20 Minuten, wie die Beteiligten schätzen, vor Ort ist, schockt der Defi den Bewusstlosen viermal. Dazwischen führen die drei Retter die Herzdruckmassage fort. Der Rettungswagen bringt den Spieler aus Geldersheim ins Leopoldina-Krankenhaus in Schweinfurt.

Nach Not-OP folgt jetzt die Reha

Der 48-Jährige kommt erst im Rettungswagen wieder zu Bewusstsein. An das, was vorher war, erinnert er sich nicht mehr, wie er im Gespräch mit dieser Redaktion sagt. Seinen Namen möchte er nicht öffentlich machen. Nach der Not-OP und knapp zwei Wochen Krankenhausaufenthalt muss er sich noch schonen, es geht ihm aber wieder gut. "Ich hatte nach meinem Herzinfarkt viel Glück. Es waren die richtigen Leute vor Ort, und die haben alles richtig gemacht", sagt er. Nach Weihnachten wird er drei Wochen auf Reha gehen.

Die Lebensretter Weber und Treutlein sind überzeugt: In einer solchen Situation kann niemand etwas falsch machen – solange gehandelt wird. "Nur nichts zu tun, ist falsch", sagt Weber.

Dem stimmt Professor Karl Mischke zu. Er ist Chefarzt am Leopoldina Krankenhaus und sagt: "Wichtig ist es im Fall eines Herzstillstands, sofort mit der Wiederbelebung zu beginnen und gleichzeitig jemanden zu bitten, einen Notruf abzusetzen." Doch auch dann lägen die Überlebenschancen bei Herzkammerflimmern, das oft durch einen (akuten) Herzinfarkt ausgelöst wird, bei nur 20 bis 30 Prozent, sagt der Arzt und Herzspezialist. Der frühe Einsatz eines Defis ermögliche dagegen häufig eine effektive Behandlung und biete dem Herzen die Chance, wieder alleine Blut zu pumpen. Auf diese Weise erhöhe sich die Überlebenschance teilweise auf über 50 Prozent.

Anwendung des Defi erklärt

Auch deshalb sind sich alle an der Rettungstat Beteiligten einig: Mindestens ein Defi sollte in jeder Ortschaft an zentraler Stelle hängen, am besten auch in jeder Sporthalle, meint Weimer. Als Familie Treutlein in Gernach den Defi im Jahr 2019 für etwa 1500 Euro angeschafft hat, hat sie auch eine öffentliche Informationsveranstaltung organisiert. Die Menschen vor Ort sollten nicht nur erfahren, wo das Gerät zu finden ist, sondern auch, wie es im Ernstfall einzusetzen ist. Dazu sei jeder Laie in der Lage, sagt Treutlein.

Der Gernacher Defi ist wieder mit frischen Elektroden versehen, geprüft und einsatzbereit. Derzeit wird überlegt, den Standort des Geräts ans Feuerwehrgerätehaus zu verlegen. Dort hinge der Defi noch etwas zentraler und wäre auch leichter einsehbar, bestätigt Kommandant Michael Berchtold auf Nachfrage dieser Redaktion. Der Umzug sei jedoch noch nicht endgültig beschlossen.

Noch einen wichtigen Punkt spricht Treutlein an: Defis müssen gemeldet sein. Denn nur dann taucht der Standort eines Defis in Datenbanken auf, auf die Notfall-Apps zugreifen. Solche ermöglichen es jeder Nutzerin und jedem Nutzer, in Sekundenschnelle festzustellen, wo sich der nächstgelegene Defi befindet, egal, wo man sich gerade aufhält.

 
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Kommentare
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  • Stefan Krug
    ich hab mir die App mal runtergeladen
    und geschaut wo hier in der Nähe der nächste Defi ist?

    schaut nicht gut aus
    wenn man nicht in der Stadt oder auf der Autobahn wohnt .

    Wo muss man sich hinwenden
    wenn man im Wohnort auch nen Defi haben möchte...

    Gemeinde? Feuerwehr? BRK?
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  • Hubertus Kiesel
    Hallo,
    Am besten an die Gemeinde wenden. Der Defi ist nicht kostenlos. BRK kann ihnen sagen welches Modell gut geeignet ist.
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  • Matthias Braun
    Im Bericht steht ja indirekt , dass Gemeinden offensichtlich kein Interesse haben einen Defi. anzuschaffen (so kann man das jedenfalls für die Gemeinde Kolitzheim aus dem Bericht interpretieren) . Meisten sind es Organisatoren wie (Sportvereine, freiwillige Feuerwehren, private Organisatoren ...) die einen Defi anschaffen und Spenden dazu sammeln. Bestenfalls unterstützt die Gemeinde mit einem Zuschuss. Wenn noch kein Defi. in einer Gemeinde vorhanden ist am Besten Sportverein, Feuerwehr ... ansprechen dann sollte ein Defi. schnellstmöglich angeschafft werden können. Wie man dem Bericht entnehmen kann rettet das schnelle Eingreifen von Ersthelfern in Verbindung mit einem Defi. Leben.
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  • Thomas Vizl
    Auch ich musste bei einer öffentlichen Veranstaltung gemeinsam mit dem damals zufällig anwesenden Chefarzt der Geomedklinik reanimieren. Leider gab es damals (vor über 30 Jahren) noch keine öffentlich zugänglichen Defibrilatoren. Der Mann ist verstorben.
    Danke an die entschlossenen Helfer, die nicht weggeschaut haben!
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  • Gerald Effertz
    Eine solche Hilfsbereitschaft ist beispielslos ! Gott sei Dank haben alle Beteiligten hervorragend reagiert. GROSSARTIG !
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