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Schweinfurt
Gegen Krieg und für Verhandlungen: Wie kommt Sahra Wagenknecht bei Schweinfurts Linken an?
Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht spricht vor über 500 Besuchern in der Schweinfurter Stadthalle. Für welche Aussagen sie besonders gefeiert wird.
Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht kam auf Einladung des Bundestagsabgeordneten Klaus Ernst nach Schweinfurt und sprach vor über 500 Gästen in der vollbesetzten Stadthalle.
Foto: Anand Anders | Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht kam auf Einladung des Bundestagsabgeordneten Klaus Ernst nach Schweinfurt und sprach vor über 500 Gästen in der vollbesetzten Stadthalle.
Oliver Schikora
 |  aktualisiert: 15.07.2024 11:19 Uhr

Nimmt man die Schlagzeilen in den vergangenen Tagen, dann dürfte Sahra Wagenknecht, Linken-Bundestagsabgeordnete und Ehefrau des Parteigründers Oskar Lafontaine, die derzeit umstrittenste deutsche Politikerin sein. In der Schweinfurter Stadthalle war davon nichts zu spüren. Nach einem einstündigen Parforceritt mit linker Seelenmassage und den bekannten Aussagen zum Krieg in der Ukraine gab es stehend dargebrachte Ovationen.

Kurz bevor Wagenknecht, schwarzer Rock, blaues Sakko, Hochsteckfrisur, den Saal betrat, spielte die DGB-Songgruppe ein Lied der Biermösl Blosn, geschrieben 1985. Der Refrain: "Der Russ, der kommt, der Russ, der kommt, des is ganz gwies". Ist Sahra Wagenknecht die Vorhut? "Ganz gwies" nicht, würden ihre Anhänger sagen. "Ganz gwies" aber auch ihre Position zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine: "Diplomatie statt Krieg."

Fotoserie

Um zu verstehen, warum eine Politikerin wie Wagenknecht in einer Stadt wie Schweinfurt so gut ankommt, ist der 18. Februar 2003 wichtig. Da lud der damalige IG Metall-Bevollmächtigte und jetzige Schweinfurter Bundestagsabgeordnete Klaus Ernst Oskar Lafontaine ein. Es ging um soziale Gerechtigkeit und die Hartz-IV-Reformen des damaligen SPD-Kanzlers Gerhard Schröder, den man wohl unwidersprochen einen Putin-Freund nennen darf.

Dieser Abend war die Keimzelle der WASG und späteren Linken. Und so ist auch zu verstehen, warum die traditionell linke Arbeiterschaft in der Wälzlagerstadt auch heute noch in Scharen kommt, wenn ihre Partei-Ikonen sprechen.

Wagenknecht und Ernst verurteilen Angriff auf die Ukraine, ohne Russland zu nennen

Ernst als auch Wagenknecht verurteilen den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, ohne Russland oder Präsident Wladimir Putin konkret beim Namen zu nennen. Man sei "nicht unsolidarisch mit der Ukraine", betont Ernst, "aber wir müssen den Krieg durch Verhandlungen lösen. Wenn weiter gekämpft wird, sterben Menschen."

Wagenknecht nennt das Geschehen auf den Schlachtfeldern "barbarisch", "verbrecherisch". Aus ihrer Sicht sei ihre Forderung nach Verhandlungen und dem Stopp von Waffenlieferungen "kein Putinismus, sondern Vernunft."

Der Schweinfurter Linken-Bundestagsabgeordnete Klaus Ernst wirft der Bundesregierung vor, die Energiekrise selbst verursacht zu haben.
Foto: Anand Anders | Der Schweinfurter Linken-Bundestagsabgeordnete Klaus Ernst wirft der Bundesregierung vor, die Energiekrise selbst verursacht zu haben.

Ihre Argumentation kommt an: Es sei kein nationalistisch motivierter Krieg, sondern ein geopolitischer Konflikt. Sprich: NATO vs. Russland, Der Westen vs. Putin. Wagenknecht warnt vor den Gefahren eines Atomkriegs, "sie spielen mit unserer Existenz, wenn Russland gedemütigt wird." Es sei "zynisch" mit immer mehr Waffen die Ukraine in einen jahrelangen Abnutzungskrieg zu zwingen.

Unter welchen Bedingungen kann es Friedensverhandlungen mit Russland geben?

Wagenknecht liefert gut eine Stunde eine rhetorisch geschliffene Rede ab. Doch was bedeuten Verhandlungen für die Ukraine? Soll sie Teile ihres Staatsgebietes abgeben, damit Präsident Putin nicht gedemütigt wird, bevor er seine Armee zurückzieht? Diese Fragen werden nicht beantwortet.

Wagenknecht spricht von zwei Friedensinitiativen aus Israel und der Türkei im vergangenen Jahr, von einem Rückzug Russlands auf die Frontlinie vor dem 24. Februar 2022, dem Beginn des derzeitigen Krieges. Für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyi unvorstellbar. 

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Sahra Wagenknecht wirft deutschen Medien "Scheinheiligkeit" vor

Die Linken-Politikerin geht auch auf die Aufregung nach der Demonstration am 25. Februar in Berlin ein, zu der mehrere zehntausend Menschen kamen. Sarkastisch listet sie auf, wie Fernseh-Journalisten auch Teilnehmende mit rechtem Gedankengut fanden. Es sei eine "scheinheilige" Diskussion, "dümmer geht's nicht mehr, als zu behaupten, wir seien rechts unterwandert." 

Eine Spitze auf einer ihrer größten Kritiker im Ausland darf nicht fehlen: Der frühere ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrji Melnyk, hat stets scharfe Worte für Wagenknecht in sozialen Medien parat. Sie auch live in Schweinfurt für ihn, als sie ihm seine Verehrung von Stepan Bandera vorwirft ein Ukrainer, der im Zweiten Weltkrieg für tausende ukrainische Opfer verantwortlich war. Wer der wahre Nazi sei, sei klar.

Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht wurde in der Schweinfurter Stadthalle nach ihrer Rede vom Publikum gefeiert.
Foto: Anand Anders | Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht wurde in der Schweinfurter Stadthalle nach ihrer Rede vom Publikum gefeiert.

Vor allem Annalena Baerbock und Robert Habeck stehen in der Kritik

Interessant an Wagenknechts Auftritt: Nicht die CDU/CSU steht im Fokus der Kritik, sondern vor allem die Grünen: Außenministerin Annalena Baerbock ("Trampelt wie ein Elefant auf internationalem Parkett") und Wirtschaftsminister Robert Habeck ("Klimaziele erreichen, indem es keine Industrie mehr in Deutschland gibt?").

Klassisch linke Herzensangelegenheiten baut Wagenknecht auch ein: Das Geld, das für Aufrüstung genommen wird, lieber in Krankenhäuser, Pflege, Bildung stecken. Klaus Ernst bringt die Sichtweise auf den Punkt: "Nicht die Russen, sondern wir selbst sind für die gestiegenen Energiepreise verantwortlich. Weil uns nicht gefällt, was der macht, hauen wir uns selbst eine rein."

Zu ihrer Ankündigung, nicht mehr für die Linke kandidieren zu wollen, verlor Sahra Wagenknecht in Schweinfurt kein Wort.

 
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  • T. K.
    @bacigalupo
    Wo haben Sie in den letzten 10 Jahren gelebt?
    Wie kommen Sie auf die Idee, dass Putin Russland in der Ukraine verteidigen muss?
    Russland führt einen Angriffskrieg auf fremdem Territorium und nicht Russland wurde angegriffen.
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    Wie war, wie war! Diese Kommentare zeigen, wie viel Blindgänger es doch gibt! Befremdlich diese Gefolgschaft von der Schwätzerin Automagd! Widerlich!
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  • L. W.
    @ anna.mpnews

    Es sind leider viele Blindgänger, die auf schwierige Fragen einfache Lösungen wollen und daher denen nach laufen, die dies einfachen Lösungen versprechen.

    Leider funktionieren diese Versprechungen in der Realität dann nie.

    Schuld sind nachher trotzdem die Politiker, die vorher die Wahrheit gesagt haben.
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  • J. H.
    Die Frau hatte gefühlt noch nie mit irgendetwas recht. Am Tag vor der Invasion hat sie z.B. noch die Warnungen der westlichen Geheimdienste als westliche Propaganda abgetan.

    Nun labert sie, dass es "unrealistisch sei, dass sich Russland je wieder aus der Ukraine zurückzieht" und man solle sich damit abfinden und an den Verhandlungstisch.

    So ein Unsinn. Nur weil Putin meint, Fakten geschaffen zu haben, heißt es noch lange nicht, dass man die so akzeptieren muss. Greueltaten geschähen nur auf dem Schlachtfeld..., ja Frau W, erzählen Sie das den vergewaltigten Frauen und verschleppten Kindern. Wie kann man nur über sowas hinwegsehen, noch dazu als Frau?

    Wagenknecht ist eine Speichelleckerin Putins, sonst nichts. Ansonsten geht es ihr nur darum, das sie wieder beruhigt schlafen kann. Der Preis, den ANDERE dafür zahlen, ist ihr egal. Dazu macht sie sich die Angst vor einem Atomkrieg in Teilen der Bevölkerung zu Nutze. Eine Schande!
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  • K. W.
    Populistische Figuren können in Krisenzeiten erfolgreich sein, indem sie einfache Antworten auf komplexe Probleme bieten und Feindbilder präsentieren. Sie sprechen die Emotionen der Menschen an und geben sich als Verteidiger des Volkes gegen eine korrupte Elite oder andere als Schuldige infrage kommend aus. Ich wünsche mir eine kritische Überprüfung sowie Faktenchecks, damit nicht so viele Menschen blind diesen populistischen Versprechungen folgen, weil es einfacher ist als Zusammenhalt und Solidarität zu fördern, um in diesen von Falschmeldungen geprägten Zeiten nachhaltige Lösungen zu finden. Hierzu sind die vernünftigen Menschen in unserem Land immer in der Lage.
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  • H. H.
    Könnte ja sein

    wenn man all diese Leute, die da meinen, man müsse mit Putin nur reden, in ein Flugzeug nach Moskau setzt, irgendeine/r dabei tatsächlich Erfolg hat, und wenn nur deswegen, weil Putin es nicht mehr hören kann...

    Ansonsten sei die Frage gestellt, wo die Welt heute stünde, wenn man mit Hitler immer "nur" geredet (bzw. dies versucht) hätte statt sich seinen Feldzügen entgegenzustellen. Es muss allen Imperialisten auf der Welt klipp und klar sein, dass ein Angriffskrieg zu keinem Erfolg führen kann, sonst hören die Versuche nie auf.
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  • A. M.
    Schwarzer und Wagenknecht sind einfach nur ekelhaft.
    Wie soll das denn mit denn mit Friedensverhandlungen klappen, wenn der russische Möchtegern-Zar sich gerade nicht danach fühlt?
    Ihr solltet euch für eure Heuchelei schämen. Eure Friedenstauben scheißen auf ukrainische Gräber!
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    Die Geschichte mit dem Rattenfänger von Hameln wiederholt sich immer wieder. Diesmal sind es keine Kinder. Es sind Erwachsene, die eigentlich alle Sinne beisammen haben sollten, die dieser verblendeten Schwätzerin folgen.
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  • L. W.
    Sarah Wagenknecht

    spricht von Scheinheiligkeit.

    Denkt diese Frau eigentlich jemals nach?

    Warum hatte sie denn für die Demo in Berlin Polizeischutz für sich und die Kollegin Schwarzer organisiert?

    Sie hätten doch mit einem potentiellen Angreifer verhandeln können!
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    Vielleicht hätte sie dann die Polizei auch noch schützen müssen. Bei Ausschreitungen am Rande eines Rechtspopulistenparteitages in Baden-Württemberg wurden 53 Polizisten und 2 Gegendemonstranten verletzt.

    Kritiker werfen der Polizei jetzt zu hartes Durchgreifen vor. Ich weiß nicht ob ich da weinen oder lachen soll.
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  • H. G.
    Könnten alle mal ein Jahr SED vertragen, danach Neuwahl.
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  • L. W.
    @ henner59

    Ein Jahr SED und die anstehenden Wahlen wären so wenig demokratisch wie einst in der Deutschen "Demokratischen" Republik, genauso wenn die Apokalypse für Deutschland jemals an die Macht käme.

    Wir haben heuer den 80. Jahrestag der Machtergreifung der Nazis, wer dieses Jahr studiert, der weiß, dass Extremisten uns ins Verderben stürzen wollen. Auch damals dachten alle gemäßigten Politiker, dass der Spuk mit Hitler nur wenige Monate dauern könnte. Aber die Nazis geben so leicht eine errungene Position so wenig wieder her wie es einst die Bolschewiken in Russland es taten. Wir wurden nach dem von den Nazis ausgelösten Krieg von den Alliierten befreit. Die DDR ging pleite und der große Bruder Sowjetunion konnte sie auch nicht mehr retten.

    Das sind alles keine guten Perspektiven für unser Land.

    Ich möchte in keinem Pleiteland leben, selbst wenn Putin es mit seinem unermesslichen Reichtum an Rohstoffen retten könnte, würde er es vermutlich nicht tun.
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    Waren das nicht 90 Jahre?
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  • L. W.
    Stimmt!

    Danke für die Korrektur!
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  • L. W.
    @ anna.mpnews

    Dass Sie die Gefahren für unsere Demokratie nicht sehen, wenn extremistische Parteien an die Macht kämen müssen Sie nicht noch mal betonen!

    Ein Jahr AfD oder Linke an der Macht wäre das Ende unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung, wie wir sie wertschätzen und nicht verlieren wollen.

    Sie können ja eine Veränderung unseres Staates anstreben, aber ich hoffe, dass es dafür nie eine Mehrheit gibt.
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    Mir hat ein Jahr "Ampel" gereicht.
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