
Hätte der Rückert-Bau Ohren und eine Seele, er hätte sich im vergangenen Jahr wohl sehr angegriffen und verletzt gefühlt, wie schlecht er gemacht wurde. Der altehrwürdige Bau am Martin-Luther-Platz, einst Anfang der 1960er-Jahre unter SPD-Oberbürgermeister Georg Wichtermann gebaut, beherbergt heute das Stadtarchiv und das Kulturforum, die Wissenswerkstatt und Start-up-Unternehmen.
Doch wenn es nach den Plänen von Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) im Wahlkampf gegangen wäre, wäre der Rückert-Bau abgerissen worden und für ihn in den nächsten Jahren dort ein Neubau des Friederike-Schäfer-Heimes entstanden. Kein gutes Haar ließen die Kritiker damals am Rückert-Bau, nicht sanierbar sei das Gebäude, überdies ja auch nicht sonderlich hübsch, ums mal höflich zu formulieren.
Jetzt aber, wenige Monate nach der Wahl und eine schlimme und andauernde Corona-Krise später, ist alles anders. Der Rückert-Bau ist auf einmal das Objekt der Sanierungsbegierde Nummer eins im Herzen der Stadt. Warum? OB und Sozialreferent Jürgen Montag haben kürzlich die Idee, das Friederike-Schäfer-Heim dort neu zu bauen, ganz offiziell zu den Akten gelegt. Das Schäfer-Heim soll nun in der Judengasse saniert werden. Stellt sich also die Frage, wie es mit dem Rückert-Bau weitergeht.
Die neueste Idee brachten nun Freie Wähler und FDP in einem gemeinsamen Antrag. Adi Schön, der den Antrag verschickte, verweist darauf, dass Finanzminister Albert Füracker Ende Juli in Schweinfurt zu Gast war und die Verlegung von 300 Arbeitsplätzen des Finanzamtes München nach Schweinfurt ankündigte (wir berichteten).

Diese Verlagerung sei "zu begrüßen", so Freie Wähler und FDP. Noch mehr begrüßen würden sie, wenn die Schweinfurter Stadtverwaltung ihre Pläne ändert und das Finanzamt nicht in der alten Ledward Kaserne ansiedelt, sondern im Herzen der Stadt. Der Rückert-Bau sei dafür sicher geeignet und sollte als Option geprüft werden, fordern Adi Schön, Stefan Labus, Dagmar Bebersdorf und Georg Wiederer.
"Arbeitsplätze, insbesondere Büro- und Behördenarbeitsplätze, sind ein Wirtschaftsfaktor für die innerstädtischen Betriebe, wenn sie so angesiedelt sind, dass die Innenstadt in Pausen oder nach der Arbeit fußläufig gut erreichbar ist", heißt es im Antrag. "Aus diesem Grund wurde auch schon vor vielen Jahren mit erheblichem Aufwand von politischer Seite, das Hauptzollamt in der Innenstadt angesiedelt", so Schön. Zudem mache gute Infrastruktur diese Arbeitsplätze für die Beschäftigten deutlich attraktiver, wenn sie auch noch gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln wie Bus und Bahn erreichbar seien. "Wir sollten die Chance auf diese Weise die Innenstadt zu stärken, nicht ungenutzt verstreichen lassen", finden Freie Wähler und FDP.
Ein weiterer Vorschlag zum Thema Rückert-Bau stammt von den SPD-Stadträten Julia Stürmer-Hawlitschek und Peter Hofmann. Sie schlagen die Sanierung des Gebäudes und den Ausbau des Stadtarchivs vor, wenn die Wissenswerkstatt in die Ledward-Kaserne gezogen ist. Außerdem sollte ein archivpädagogisches Konzept erarbeitet werden, um das Stadtarchiv einer breiteren Öffentlichkeit und vor allem den Schulen zugänglicher zu machen.
Aber muss denn das Finazamt unbedingt in die Innenstadt und diese tolle Lage?
Wer geht denn heute noch zum Finanzamt? Wo die Anträge doch maschinell übermittelt werden.