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Schweinfurt
Frauenwochen in Schweinfurt: Wie acht Frauen mit ihrem Leben die Stadt geprägt haben
Gemeinsam tauchte die Gruppen in die Lebensgeschichten von acht Schweinfurterinnen auf der Friedhofsführung im Rahmen der Schweinfurter Frauenwochen ein.
Foto: Jannika Lechner | Gemeinsam tauchte die Gruppen in die Lebensgeschichten von acht Schweinfurterinnen auf der Friedhofsführung im Rahmen der Schweinfurter Frauenwochen ein.
Bearbeitet von Jannika Lechner
 |  aktualisiert: 24.03.2024 02:41 Uhr

Sie waren keine Prominenten, doch haben Schweinfurt durch ihr Engagement und Leben bis heute geprägt. Um mehr über die Lebensgeschichten verschiedener Schweinfurter Frauen zu erfahren, versammelten sich etwa 25 Frauen auf dem Schweinfurter Zentralfriedhof zur Führung "Frauennamen in Stein gemeißelt". Im Rahmen der Frauenwochen ließ die Schweinfurter Gästeführerin Claudia Helldörfer die Teilnehmerinnen an Gräbern und Grabsteinen in das Leben von acht Frauen aus Politik, dem Sozialen oder der Kultur eintauchen.

So standen beispielsweise zwei Musikerinnen im Rampenlicht der Führung: Emma Bamberg und Kitty Martin. Beide studierten sie an Musikhochschulen, wurden staatlich geprüfte Klavierlehrerinnen und prägten die Schweinfurter Musikszene des 20. Jahrhunderts. Wie Helldörfer erzählte, war Bamberg (1910-1967) neben ihrem Beruf als Klavierlehrerin und Solistin eine der Hauptbegründerinnen des Tonkünstlervereins Schweinfurt im Jahr 1957 gewesen, dem Berufsverband für Musikerinnen und Musiker.

Kitty Martin hingegen, geboren 1895 in München, machte ihr Haus zu einem kulturellen Mittelpunkt Schweinfurts, indem sie dort regelmäßige Konzertabende für ihre Schüler und andere Musiker, wie auch Emma Bamberg, organisierte. Neben Konzerten in Schweinfurt gab Martin als freie Pianistin deutschlandweit Konzerte mit großen Orchestern wie beispielsweise den Bamberger oder Münchner Symphonikern. Sie blieb unverheiratet und widmete ihr ganzes Leben der Musik.

Etwas ganz Besonderes: Die Berufsbezeichnung 'Pianistin' auf dem Grabstein vom Emma Bamberg. Denn solche Betitlungen finden sich vorwiegend nur auf Gräbern von Männern.
Foto: Jannika Lechner | Etwas ganz Besonderes: Die Berufsbezeichnung "Pianistin" auf dem Grabstein vom Emma Bamberg. Denn solche Betitlungen finden sich vorwiegend nur auf Gräbern von Männern.

Als junges Mädchen aus Schweinfurt geflohen, als Künstlerin zurückgekehrt

Besonders bewegte das Schicksal von Margarita Calvary (1922-2016) die Teilnehmerinnen der Führung. Geboren als "Gretl Silberstein" und Tochter eines jüdischen Ehepaares in Schweinfurt, wuchs sie zunächst glücklich mit ihren Eltern und zwei Brüdern auf. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 änderte sich das: Die Fabrik der Familie wurde enteignet, der Vater starb 1937 an Herzversagen und die junge Margarita wurde immer mehr aus dem sozialen Leben ausgeschlossen.

Rechtzeitig schickte die Mutter ihre Kinder ins Ausland in Sicherheit. So arbeitete die damals 17-jährige Margarita als Kindermädchen in London. Kurz darauf holte ihr Bruder sie und ihre Mutter zu sich nach Buenos Aires in Argentinien, wo sie auch ihren zukünftigen Ehemann Ernesto Calvary kennenlernte. Per Zufall kam Margarita zur bildenden Kunst, nahm Lehrstunden und präsentierte ihre Werke schließlich auch bei Ausstellungen. Einige Jahre nach Kriegsende kam sie über Umwege wieder zurück nach Schweinfurt und verbrachte ihren Lebensabend im Augustinum, wo bis heute Bilder der Künstlerin hängen.

Das Grab der jüdischen Künstlerin Margarita Calvary (geborene Gretl Silberstein) auf dem Schweinfurter Zentralfriedhof. Die hebräischen Schriftzüge lassen sich nur noch schwer erkennen.
Foto: Jannika Lechner | Das Grab der jüdischen Künstlerin Margarita Calvary (geborene Gretl Silberstein) auf dem Schweinfurter Zentralfriedhof. Die hebräischen Schriftzüge lassen sich nur noch schwer erkennen.

Großes Engagement in Politik und Sozialem

Die beiden Frauen Amanda Käß (1919-2014) und Elisabeth Rauhut (1909-1997) stellten ihr Leben in den Dienst von Politik und Sozialem. So arbeitete Käß nicht nur 66 Jahre lang beim Schweinfurter Juwelier Edelmann & Belschner und erlebte dort die Bombardierung der Stadt im Zweiten Weltkrieg, sondern war als Mitglied der SPD auch sozialpolitisch als Stadträtin und Vorsitzende der Arbeiter-Wohlfahrt aktiv. Elisabeth Rauhut setzte sich als Vorsitzende des evangelischen Frauenbundes seit den 1950er-Jahren 26 Jahre lang für mehr demokratische Prozesse und die Emanzipation der Frau ein. 

Auch Amalia Wagner widmete ihr Leben ihren Mitmenschen. Sie leitete 40 Jahre lang im Haus Mariental das "Johanneum", ein Internat für zwölf- bis 18-jährige Jungen aus dem Landkreis Schweinfurt. Wie Helldörfer erzählte, sei "Fräulein Wagner" die Seele des Hauses gewesen. Unter ihrem Leitspruch "das Wichtigste ist der Charakter, nicht die schulischen Leistungen", habe sie die Jungen liebevoll, aber auch gleichermaßen streng erzogen. Bis zu ihrem Tod im Jahr 1975 blieb sie unverheiratet und war doch zeit ihres Lebens der Familienersatz vieler junger Männer.

Buchhandlung als kultureller Mittelpunkt Schweinfurts

Leider kaum leserlich – der Grabstein von Heide Trebst-Kämmerling. Jedoch lässt sich auch so schnell erkennen, dass sie ihr Leben der Literatur in der Rückert-Buchhandlung gewidmet hat.
Foto: Jannika Lechner | Leider kaum leserlich – der Grabstein von Heide Trebst-Kämmerling. Jedoch lässt sich auch so schnell erkennen, dass sie ihr Leben der Literatur in der Rückert-Buchhandlung gewidmet hat.

Aber auch als innovative Geschäftsführerinnen zeichneten sich zwei der vorgestellten Frauen aus. Zwar hat sie kein Grab auf dem Zentralfriedhof, spielt aber bis heute eine wichtige Rolle in Schweinfurt: die Gastwirtin Susanne Magdalena Schwanhäuser (1823-1871), die 1840 die Schweinfurter Schlachtschüssel erfunden hat.

Hingegen studierte Heide Trebst-Kämmerling (1927-2005) in Marburg, machte eine Ausbildung zur Buchhändlerin und übernahm die Rückert-Buchhandlung ihres Vaters. "Sie hat angefangen, die Buchhandlung nicht nur als reines Geschäft, sondern auch als kulturellen Mittelpunkt zu führen", erzählt Helldörfer. Trebst-Kämmerling sei bemüht gewesen, die Leute zum Lesen zu begeistern. Sie  veranstaltete deshalb viele Lesungen oder Vorlesewettbewerbe.

Die Idee für eine Führung dieser Art hatte Heide Wunder, die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Schweinfurt. Da die Schicksale von Frauen in der Geschichte oft nicht gehört werden, sollte die Führung im Rahmen der Frauenwochen den Schweinfurter Frauen eine Stimme geben.

Auch Claudia Helldörfer liegt die Tour sehr am Herzen: "Ich finde es besonders interessant, wenn man Geschichte an Personen festmachen kann, nicht nur an Gebäuden. An Menschen, die hier gelebt haben und Schweinfurter Geschichte mitgestaltet haben."

 
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