Zu seiner konstituierenden Sitzung kommt der neu gewählte Kreistag am Donnerstag, 14. Mai, um 10 Uhr zusammen. Dabei werden unter anderem die 21 neuen Kreisräte vereidigt und die Stellvertreter von Landrat Florian Töpper (SPD) gewählt. Wegen der Coronavirus-Pandemie findet die Sitzung in der Kulturhalle in Grafenrheinfeld statt. Dort soll jeder der 60 Gewählten, der Landrat und die Mitarbeiter des Landratsamts eigene Tische bekommen, um die nötigen Abstandsregeln einzuhalten, hieß es auf Anfrage dieser Redaktion aus dem Landratsamt. Auch für die Zuhörer sollen Plätze in der notwendigen Distanz zueinander eingerichtet werden. Im Sitzungssaal des Landratsamts sind die Vorgaben nicht umsetzbar. Ob Maskenpflicht besteht, teilte das Amt nicht mit; Hygienehinweise soll es auf Informationstafeln und mündlich zu Sitzungsbeginn geben.
Keine klaren Mehrheiten
So ungewöhnlich die Rahmenbedingungen sind, so speziell ist auch die politische Ausgangslage für das Gremium, dessen Amtszeit offiziell am 1. Mai begann. Denn zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte gibt es keine klaren Mehrheitsverhältnisse: Über Jahrzehnte stellte die CSU mindestens die Hälfte aller Kreistagsmitglieder und bis 2013 auch den Landrat. In der zu Ende gegangenen Amtszeit hatte sie mit der FDP eine nummerische Überlegenheit von 32:29 Stimmen. Nachdem die CSU aber bei der Wahl 2020 fünf Sitze eingebüßt hat, bleibt sie zwar die mit Abstand größte Fraktion, doch es gibt nun keine eindeutigen Kräfteverhältnisse.
Denn auch die "bunte Mehrheit" aus SPD, Freien Wählern und Grünen, die Landrat Töpper bei dessen erfolgreicher Wiederwahl unterstützt hatten, hat es nicht ins Ziel geschafft. Mit Töpper zusammen kommen sie auf 30 von 61 Stimmen. Zünglein an der Waage könnten somit die "Einzelkämpfer" Wolfgang Gutgesell (Linke) oder sogar Daniel Stark (FDP) sein.
SPD und CSU eint Wille zur Zusammenarbeit
Eindeutiger ist das Bild im Kreisausschuss, dem derzeit einzigen beschließenden Ausschuss des Kreistags. Der Kreisausschuss hat 13 Mitglieder, tagt meistens monatlich und erledigt das politische Tagesgeschäft, während der Kreistag in seiner Gesamtheit üblicherweise nur drei- bis viermal im Jahr zusammentritt. Im Kreisausschuss stellen die "Bunten" aus SPD, Freien und Grünen (jeweils zwei Sitze) zusammen mit Landrat Töpper die Mehrheit. Die CSU entsendet fünf Vertreter, die AfD stellt einen Kreisrat.
Die Signale von Töpper und seiner SPD gehen allerdings nicht in die Richtung, die Mehrheit auch ausspielen zu wollen: Man strebe die Zusammenarbeit mit allen Kräften im Kreistag an – außer mit der AfD, hatte Landrat Töpper unmittelbar nach der Kommunalwahl betont. Gegenüber dieser Redaktion sagte er, dass es jetzt eine Chance für eine offene Zusammenarbeit gebe. Man sollte sich von manchen Ritualhaltungen verabschieden. Auch der neue Fraktionschef Stefan Rottmann (SPD) formuliert das Ziel, dass die Fraktionen stärker als bisher aufeinander zugehen: "Wir müssen zu einer respektvollen und umgänglichen Sacharbeit finden und dabei effizienter werden." Er plädiert dafür, Profilierungen hintanzustellen und vielmehr die inhaltlichen Schwerpunkte des Landkreises herauszuarbeiten. Auch die neue Fraktionsführung der CSU hat in Richtung Töpper eine konstruktive Zusammenarbeit angekündigt. Man verstehe das Wahlergebnis als Gestaltungsauftrag, hatte die neue Fraktionsvorsitzende Gabriele Jakob geäußert.
Kommen beschließende Ausschüsse?
Auf Anfrage der Redaktion bestätigte Töpper auch, dass er gerne die Arbeitsstruktur des Kreistags der anderer Kreise anpassen möchte. Das geht in die Richtung, dass es neben dem Kreisausschuss weitere beschließende Ausschüsse geben könnte. Diesen Vorstoß hatten 2014 bereits SPD und Grüne im Kreistag gemacht, waren aber hauptsächlich an der CSU gescheitert. Details wollte Töpper vor dem Abschluss der Arbeiten an einer neuen Geschäftsordnung nicht erläutern, sagte aber: "Das System war mir immer sympathisch." Diese Einstellung habe sich nicht geändert.
Bedeckt gab sich der Landrat auch in der Frage, ob er wieder für zwei Stellvertreter plädiert, wie er es 2014 getan hatte. Daraufhin war Peter Seifert (Freie Wähler) als zusätzlicher Vertreter zu Christine Bender (CSU) gewählt worden. Als größte Fraktion dürfte die CSU erneut den ersten Vertreterposten für sich beanspruchen. Die SPD ist zwar zweitstärkste Fraktion, erhebt aber laut Rottmann keine Ansprüche. Deswegen könnte es erneut auf die Freien Wähler zulaufen.
Verjüngte Fraktionsspitzen
Was fast alle Parteien eint: Sie haben an den Fraktionsspitzen eine Verjüngung eingeleitet, zum Teil als Folge der verlorenen Landratswahl (CSU) oder weil die Fraktionssprecher nicht mehr ins Gremium gewählt worden sind (Grüne und Freie Wähler). Neue Chefin der 25-köpfigen CSU-Delegation ist Gabriele Jakob (Euerbach), die von Thorsten Wozniak (Gerolzhofen) vertreten wird. Bei der SPD hat wie erwartet Stefan Rottmann (Schonungen) das Zepter von Hartmut Bräuer (Gerolzhofen) übernommen, Stellvertreter sind Martina Braum (Röthlein) und Hans Fischer (Schwebheim).
Bei den Freien Wählern beerbt Oliver Brust (Geldersheim) als Fraktionssprecher Ewald Öftring (Werneck), der nicht mehr in den Kreistag gewählt worden ist. Bei den Grünen waren zunächst kommissarisch Kathrin Tröster (Niederwerrn) und Udo Rumpel (Werneck) im Amt; Änderungen sind wahrscheinlich. Bei der AfD wird wohl Kreisvorsitzender Bernd Schuhmann (Schwebheim) die Chefrolle übernehmen. Linke und FDP haben ihren Fraktionsstatus verloren.
Fast alle Gewählten haben ihr Mandat angenommen. Nur Michael Galm (FDP) verzichtete ebenso wie der erste Nachrücker Norbert Sauer. Für die FDP nimmt nun der drittplazierte Daniel Stark die Aufgabe im Kreistag wahr. Die meisten Stimmen aller Kandidaten erhielt Florian Töpper (SPD, 53 908); weil er seinen Posten als Landrat verteidigt hat, rückt für ihn als Kreisrat Markus Hümpfer nach. Die Amtszeit des Kreistags läuft bis 30. April 2026.