Beständigkeit und Wandel zugleich. So kann man das Endergebnis der Kreistagswahl interpretieren, das am Dienstag um 14.30 Uhr Uhr feststand. Auffälligste Erkenntnisse: Die CSU muss massiv Federn lassen, während die Grünen deutlich zulegen konnten. Die AfD schaffte bei ihrer Premiere wie erwartet den Sprung ins Gremium. SPD und Freie Wähler zeigten Stabilität. Eine neue Mehrheit könnte es auch geben.
Historisches CSU-Ergebnis
Die CSU kam nur noch auf 41,7 Prozent. 2014 hatte sie mit 50,2 Prozent noch die Mehrheit der Stimmen geholt. Das jetzige Resultat ist ihr mit Abstand schlechteste in der 74-jährigen Geschichte des Schweinfurter Kreistags. Die SPD hat Grund zum Aufatmen: Sie überraschte mit deutlich weniger Verlusten als erwartet und bleibt zweitstärkste Kraft. Die Sozialdemokraten des wiedergewählten Landrats Florian Töpper erhielt 17,9 Prozent, nur 0,6 Punkte weniger als 2014.
Auch die Freien Wähler hielten ihr Terrain und legten leicht auf 15,8 Prozent zu (2014: 15,1). Die Grünen profitierten vom allgemeinen Trend zu Gunsten der Ökopartei und legten zu. Sie kamen auf 14,1 Prozent, vor sechs Jahren hatten sie mit 10,1 Prozent ihr bislang bestes Ergebnis.
Drei Neue bei der CSU
Die AfD, die erstmals angetreten ist, schaffte 6,2 Prozent. Die kleinen Parteien verzeichnen Verluste: Die Linken erhielten 2,4 Prozent (2014: 3,8) und die FDP 1,9 Prozent (2014: 2,2).
Die Sitzverteilung zwingt die CSU möglicherweise in eine neue Rolle: Sie ist nicht mehr so stark und muss fünf Sitze abgeben, bleibt aber mit 25 Mandaten größte Fraktion. Und dies mit fast unverändertem Personal, denn es kamen mit Thomas Siepak, Manuel Kneuer und Ludwig Nätscher nur drei Neulinge dazu.
SPD und Grüne wollen neue Mehrheit
Andererseits reicht es für das anvisierte Bündnis zwischen Freien, Grünen und SPD im Verein mit der Landratsstimme nicht, eine eigene Mehrheit zu bilden. Die Grünen verbesserten sich auf acht Sitze (plus zwei), Freie Wähler zehn (plus eins) und SPD hielt ihre elf Sitze. Daher könnten die Linken, die wie die FDP ein Mandat abgeben müssen, mit ihrem einzigen Kreisrat Wolfgang Gutgesell das Zünglein an der Waage spielen. Die Grünen wären dazu bereit, sagte der stellvertretende Fraktionschef Walter Rachle. Sein SPD-Kollege Stefan Rottmann sprach am Dienstag erfreut von einer "bunten Mehrheit".
Eine Mehrheit jenseits der CSU wäre allenfalls dazu da, wenn es um Ausschussbesetzung und Posten geht. Denn am Montag sagte Töpper gegenüber dieser Redaktion, dass er die Chance für eine "konstruktive und unkomplizierte Zusammenarbeit" im Kreistag sehe. Er versteht dies als Angebot an alle Gruppen außer der AfD. Diese Kooperation möchte Töpper mit Leben füllen. CSU-Fraktionsvorsitzender Friedel Heckenlauer und Kreisvorsitzende Anja Weisgerber haben dies am Dienstag gegenüber dieser Redaktion in Aussicht gestellt. Sie habe die Stärke der Fraktion nie "als Dominanz" empfunden, sagte Weisgerber; vielmehr habe sie Brücken im Kreistag gebaut, und man habe den Wählerauftrag umgesetzt.
Wählerwanderung zur AfD
Für die CSU hielten Heckenlauer, der sich von Platz 60 auf 22 vorgschoben hat, und Weisgerber fest, dass sie das zweitbeste Kreistagsergebnis ihrer Partei in Unterfranken eingefahren hätten. Das Ergebnis jenseits von 40 Prozent belege den Status der CSU als Volkspartei, so Weisgerber. Beide sind überzeugt, dass ein Teil der Wähler zur AfD abgewandert ist. Als Demokrat müsse man das akzeptieren, sagte Heckenlauer, auch wenn die AfD "ohne ernsthafte Aussage" angetreten sei und es bei dieser Wahl nur einen Gestaltungsauftrag für den Landkreis gegeben habe und nicht für andere Ebenen.
Töppers Landratseffekt
Dass die SPD gut da steht, liegt auch am Landratseffekt: Florian Töpper kandidierte als Spitzenkandidat für die Kreistagsliste. Auf ihn allein entfielen 53 830 Einzelstimmen, die meisten aller 311 Kreisratskandidaten. Sie machen über neun Prozent der Gesamtstimmen für die SPD aus, die ohne Töppers Sogwirkung wahrscheinlich schlechter abgeschnitten hätte. Als wiedergewählter Landrat sitzt Töpper dem Kreistag vor und kann das Kreistagsmandat nicht annehmen. Für ihn rückt Markus Hümpfer nach. Er ist ebenso neu in der Fraktion wie Martina Braum, Manfred Klein, Gottfried Schemm und Johannes Grebner. Man habe einen Generationswechsel vorgenommen, sagte Vize-Fraktionschef Stefan Rottmann.
Rachle hat Mandat knapp verpasst
Die SPD habe ihr Minimalziel erreicht, die Mandatszahl zu halten, so Rottmann. Er sehe es auch als Beleg dafür, dass Einsatz und Engagement der Kandidaten gewürdigt worden seien. Auch wenn Töppers Einzelergebnis herausrage, sei das Abschneiden eine Teamleistung.
"Mit einem lachenden und weinenden Auge" betrachtete der stellvertretende Grünen-Fraktionschef Walter Rachle das Resultat. Lange hatte es nach neun Sitzen, dem Wunschergebnis, ausgesehen. Es wurden dann doch acht. "Wegen 0,1 Prozent", sagte Rachle, der dieses neunte Mandat gewonnen hätte. Es habe sich gezeigt, dass die Grünen dort stark gewesen seien, wo es "keine weißen Flecken" in der Organisationsstruktur gebe. Diese gelte es daher auszubauen. Neulinge sind Brigitte Lenhard-Scheithauer, Johannes Weiß, Kathrin Tröster und Stefanie Döpfner.
Oliver Brust überrascht
Völlig überraschend hat Oliver Brust – trotz Abwahl als Bürgermeister von Geldersheim – das beste Resultat der Freien Wähler geschafft und zieht erstmals in den Kreistag ein. Neu sind auch Oliver Schulze, Alexander Bönig und Rainer Krapf. Die Parteilosen haben es in der sechsten Kreistagswahl in Folge geschafft, ihr Ergebnis zu verbessern. Damit haben sie ihr ausgegebenes Wahlziel punktgenau erreicht.
Alles neu ist auch für die AfD, die mit vier Mandaten ihre eigenen Erwartungen erfüllt hat. Die anderen Gruppen werden genau beobachten, wie sich die Fraktion, in der bislang nur Bezirksrat Alfred Schmitt Erfahrungen in politischen Gremien hat, im Kreistag verhält.
Nicht mehr gewählt: CSU: Norbert Hart, Walter Weinig, Barbara Wiederer, Nicole Weissenseel-Brendler. SPD: Thomas Wohlfahrt, Zehra Akcay, Peter Pfister, Rudolf Müller, Ruth von Truchseß. FW: Sabine Lutz, Otto Kunzmann, Ewald Öftring. Grüne: Walter Rachle, Birgid Röder. Linke: Klaus Schröder. FDP: Norbert Sauer.
> Hiergeht es zu den Wahlergebnissen der Kommunalwahl
• Landrat Töpper 53.860 SPD
• Herr Rottmann 29.653 SPD
• Herr Brust 17.676 Freie Wähler
• Frau Bärmann 16.074 Freie Wähler
• Herr Knoblach 16.015 Grüne
• Frau Krammer 15.257 Freie Wähler
=> Keiner von der AfD
=> Keiner von der FDP und
=> Keiner von den Linken
Das heißt 29 Mitglieder des neuen Kreistag haben weniger Stimmen!?