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Schweinfurt
Ertappte Straftäter, Schlägereien und immer wieder Müllprobleme: So arbeitet die Schweinfurter Sicherheitswacht
Sie schauen in der Stadt nach dem Rechten. Ehrenamtlich. Den Helden wollen und sollen sie nicht spielen. Auf Streife mit Christian Mayer und Hellmuth Polreich.
Christian Mayer (links) und Hellmuth Polreich arbeiten ehrenamtlich bei der Schweinfurter Sicherheitswacht.
Foto: Josef Lamber | Christian Mayer (links) und Hellmuth Polreich arbeiten ehrenamtlich bei der Schweinfurter Sicherheitswacht.
Lisa Marie Waschbusch
 |  aktualisiert: 14.03.2025 02:39 Uhr

Einen "richtig gravierenden Einsatz" habe er noch nicht gehabt, sagt Christian Mayer. Der Großteil der Streifendienste der Sicherheitswacht verlaufe ruhig. Doch einmal, erinnert sich der 45-Jährige, sei er mit einem Kollegen in der Schweinfurter Innenstadt unterwegs gewesen, als jemand versucht habe, eine Scheibe einzuschlagen. Sie hörten die Beschreibung des Täters über Funk – und es dauerte nicht lange, da sahen sie tatsächlich jemanden, auf den diese zutraf. 

"Wir haben dann eine Polizeistreife verständigt", erzählt Mayer. Die Person konnte gefasst werden. "Aber ich muss einfach sagen, wie's ist: Wir haben ihn zuerst gefunden." Ein Erfolg, an den sich der 45-Jährige, der seit 2018 bei der Schweinfurter Sicherheitswacht ist, gerne erinnert. 

An diesem Mittwoch ist Christian Mayer mit Hellmuth Polreich (60) zur Schicht eingeteilt. Wie so oft. "Bei uns haut es sehr oft zeitlich hin, deshalb tragen wir uns gerne zusammen ein", sagt Mayer. Um 15 Uhr ist Schichtbeginn. Zuerst geht es zum Büro ihrer Chefin Miriam Wagner, dort liegt die Ausrüstung für die Sicherheitswacht: Dienstplan, Funkgeräte, Erste-Hilfe-Material, Pfefferspray, Infomaterial.

Zwei getrennte Funkgeräte – nicht nur für Notfälle

"Wir wissen, heute geht es in die Dunkelheit, also nehmen wir eine Taschenlampe mit", sagt Polreich, seit 2007 bei der Schweinfurter Sicherheitswacht. Dann checkt er im Funkgerät, ob der richtige Rufname eingestellt ist. Christian Mayer nimmt ein zweites Gerät. "Falls wir uns doch mal trennen sollten", sagt Polreich. Oder im Notfall, damit einer Hilfe anfordern kann, während sich der andere zum Beispiel um eine verletzte Person kümmert.

Funkgeräte, Infomaterial: Vor jeder Schicht stattet sich die Sicherheitswacht unter anderem damit aus.
Foto: Josef Lamber | Funkgeräte, Infomaterial: Vor jeder Schicht stattet sich die Sicherheitswacht unter anderem damit aus.

Bevor es hinausgeht in die Innenstadt, tragen sich Mayer und Polreich in einen Streifenplan ein, fragen bei den Polizeikolleginnen und -kollegen nach, ob es besondere Vorkommnisse gibt. Eine vermisste Person, ein flüchtiger Ladendieb? Nichts davon ist der Fall an diesem Mittwoch. Also los.

4039 Stunden war die Schweinfurter Sicherheitswacht im Jahr 2024 im Einsatz. Angefangen im Mai 1996 mit drei Frauen und neun Männern, engagieren sich mittlerweile 25 Ehrenamtliche im Alter zwischen 27 und 73 Jahren. Für ihren Einsatz bekommen sie eine Aufwandsentschädigung von acht Euro die Stunde. Viele sind berufstätig, können nur vormittags oder abends, am Wochenende oder in ihrem Urlaub. Wie Polreich und Mayer. Ihre Hauptjobs haben sie bei ZF beziehungsweise beim Ordnungsamt. 

Am Paul-Rummert-Ring, Ecke Rückertstraße, schauen Polreich und Mayer vom Brückengeländer Richtung Marienbach. Ob jemand da liegt, ob es viel Verschmutzung gibt, Fahrräder, E-Scooter. "Manche werfen ihren Müll dahin", sagt Polreich. Das werde dann gemeldet und an die Stadt weitergegeben.

Am Roßmarkt schauen sich Polreich und Mayer immer die öffentlichen Toiletten an. Denn dort hat niemand rumzustehen. 
Foto: Josef Lamber | Am Roßmarkt schauen sich Polreich und Mayer immer die öffentlichen Toiletten an. Denn dort hat niemand rumzustehen. 

Es geht über die Rückertstraße zum Marktplatz, dann zum Roßmarkt. Erstmal von weitem schauen, eine Übersicht schaffen. Ist irgendwo eine laute Gruppe? Streit? "Passt, niemand schreit rum", sagt Polreich. "Ein Augenmerk von uns liegt auch auf ganz jungen Menschen mit Zigarette oder Alkohol", erklärt der 60-Jährige. "Wenn ich der Meinung bin, derjenige ist vielleicht zwölf, dann darf ich nach dem Ausweis fragen."

Einen Blick werfen die beiden am Roßmarkt immer in die öffentlichen Toiletten, die Treppe hinunter. "Da sollen sich keine Gruppierungen ansammeln", sagt Polreich. "Dann kommen viele Frauen hoch und sagen, sie haben Angst, unten aufs Klo zu gehen, weil da 20 Leute in einer Gruppe stehen. Hier unten hat keiner rumzustehen."

Und dann, mitten im Trubel, eine auffällige Situation: Zwei Jugendliche rennen sich hinterher. Polreich und Mayer beobachten. Entwarnung. Die jungen Männer lachen, die Sicherheitswacht geht weiter. Gleich darauf spricht eine Passantin die beiden an, zeigt etwas auf ihrem Handy. Müll vor einem Haus. Polreich und Mayer beschließen: ab, hin.

Sicherheitswacht als Bindeglied zwischen Polizei und Bevölkerung

Die Augen offen halten, hinschauen, wo andere wegschauen. Gefährdungspotenziale erkennen. Das macht die Sicherheitswacht. Und: mit den Menschen sprechen. Mayer und Polreich sind keine Polizisten, sie sind Zivilisten. Und sie sind ein Bindeglied zwischen Bevölkerung und Polizei. "Es kommt häufiger vor, dass Leute uns etwas melden, aber sagen, sie wollen keinen Ärger haben", berichtet Mayer. "Bei uns ist die Hemmschwelle nicht so hoch."

Eine Frau spricht die Sicherheitswacht an. Sie hat Müll vor einem Haus gesehen.
Foto: Josef Lamber | Eine Frau spricht die Sicherheitswacht an. Sie hat Müll vor einem Haus gesehen.

Eine Gruppe junger Männer hält sich auf dem Weg zum Theaterpark an einer Treppe auf. Einer sitzt zusammengekauert in der Ecke. Polreich und Mayer schauen nach. Es geht ihm gut, und auch den Müll, den die Männer dabei haben, räumen sie weg. Wäre die Musik laut gewesen, hätten sie herumgegrölt oder Passanten belästigt: "Dann dürften wir denen einen Platzverweis erteilen", erklärt Mayer. "Das müssen sich die Anwohnenden oder die Leute, die hier zum Einkaufen gehen, nicht gefallen lassen."

An dem Haus angekommen, begutachten Polreich und Mayer den Müll. Auf dem Bild der Frau sah es "schlimmer aus", sagt Polreich, während sein Kollege einige Bilder macht. Ein kurzer Blick auf den Müll: Sind da Spritzen oder sowas dabei? "Deshalb haben wir auch immer Handschuhe dabei. Und dann kann man da auch mal hinlangen", erklärt Polreich.

Die Sicherheitswacht spricht eine Gruppe Männer an und weist sie daraufhin, ihren Müll zu entsorgen.
Foto: Josef Lamber | Die Sicherheitswacht spricht eine Gruppe Männer an und weist sie daraufhin, ihren Müll zu entsorgen.

Eine gestürzte Fahrradfahrerin, ein nicht ansprechbarer Mann im Straßengraben. Mayer und Polreich haben so etwas schon erlebt. Dann heißt es: Rettungswagen alarmieren, da bleiben, gut zu sprechen. "Ansonsten sind wir bestens geschult", sagt Polreich. Auch, wie man mit einem Defibrillator umgeht. "Ich habe überhaupt keine Hemmung, mir den am Roßmarkt zu nehmen." Die Sicherheitswacht bekommt regelmäßige Schulungen, genau für solche Notfälle. "Ich schleppe immer mein Täschchen mit", fügt Mayer hinzu. Mit Druckverband und Erste-Hilfe-Material. 

Präsenz zu zeigen, soll Ladendiebe abschrecken

Präsenz zeigen, das will die Sicherheitswacht auch in der Stadtgalerie. "Wir schauen immer in die Geschäfte rein, ob alles in Ordnung ist", sagt Polreich. "Den ein oder anderen Ladendieb schreckt es doch ab, wenn jemand mit Dienstkleidung durch die Räumlichkeiten läuft." Was sie hier aber auch schon hatten: Kinder, die ihre Eltern nicht mehr gefunden haben. An diesem Tag ist es ruhig. 

Müll neben einem Haus: Christian Mayer macht ein Foto, das später an den Bauhof weitergegeben wird.
Foto: Josef Lamber | Müll neben einem Haus: Christian Mayer macht ein Foto, das später an den Bauhof weitergegeben wird.

Draußen ist es jetzt dunkel. Über den Schillerplatz geht es zum Alten Friedhof. Eine Gruppe junger Männer hält sich oben auf dem Turm an der Mauer auf. "Schönen guten Abend, Sicherheitswacht, bei Ihnen alles soweit okay?", fragt Polreich, als er die Treppe zu ihnen hinaufgeht. Die Männer bejahen. "Einen schönen Abend Ihnen noch", sagt Mayer. "Ja, gleichfalls, tschüss", sagen die Männer. Oben auf dem Turm, sagt Polreich, sei im Sommer immer viel los. "Und wenn's zu laut wird, rufen die Anwohner an."

Richtig angegangen worden seien Polreich und Mayer noch nicht, sagen sie. Nicht immer reagieren alle entspannt auf den Hinweis, dass man hier keinen Alkohol trinken dürfe, oder auf die Bitte, die Musik leiser zu machen. Auch Beleidigungen seien schon öfter vorgekommen. Was sie dann tun? "Wenn es eine Gruppe Jugendlicher ist, die aus der Ferne im Halbdunkeln etwas schreit, rennen wir nicht nach", sagt Polreich. Schlage es über die Stränge, spreche man die Personen aber an und weise daraufhin.

Streife rufen, statt selbst Schlägereien zu schlichten

Überhaupt, sagt Mayer, sei es nicht vorgesehen, "dass wir uns auf der Straße mit Gewaltverbrechern auseinandersetzen". Wenn sie so etwas beobachten würden: "Streife rufen, nicht den Helden spielen", sagt Polreich. Auch bei Schlägereien, nicht dazwischengehen. "Weil, da ist die Gefahr doch recht hoch, dass ich die nächste Faust im Gesicht habe." Mayer ergänzt: "Wir möchten natürlich auch an einem Stück nach Hause kommen."

Die Schicht von Polreich und Mayer ist zu Ende. Zurück in der Polizeiinspektion tragen sie sich für heute aus, melden sich bei der Zentrale ab. "Heute war nicht viel", sagt Mayer, während sein Kollege schon anfängt, den Einsatzbericht zu schreiben. "Der Hellmuth ist da fit, dementsprechend ist das in ein paar Minuten erledigt." Auch ihre Utensilien legen sie zurück an ihren Platz im Büro ihrer Chefin. Die sagt: "Bei der Sache mit dem Müll sage ich dem Bauhof Bescheid und schicke das Bild mit."

Kleine Geschichten, sagt Mayer, werden nicht explizit im Bericht vermerkt. Anders wäre es bei Platzverweisen, festgestellten Personalien, oder bei einem Fahndungserfolg. Einmal, erinnert sich Polreich, habe er aufgrund einer sehr guten Funkbeschreibung ein vermisstes Kind auf dem Volksfest finden können. Die Eltern haben sich sehr gefreut. Sein Kollege ergänzt: "Wegen sowas machen wir das Ganze ja, und freuen uns, wenn wir irgendwo helfen konnten."

Die Sicherheitswacht

Wer zur Sicherheitswacht möchte, durchläuft eine 40-stündige Ausbildung, die sich über ungefähr vier Wochen erstreckt. Vermittelt werden rechtliche Aspekte in der Theorie sowie praktische Inhalte. Abgeschlossen wird die Ausbildung mit einer mündlichen Prüfung. Die nächste Ausbildung findet im Herbst 2025 statt. Weitere Infos unter: www.polizei.bayern.de
Quelle: Polizei
 
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