Als dem „größten Feldherrn aller Zeiten“ in seinem gerade mal zwölf Jahre währenden „Tausendjährigen Reich“ mit fortschreitender Kriegsdauer die Soldaten ausgehen, werden unter Adolf Hitler als letzte Reserve mehr und mehr blutjunge Oberschüler rekrutiert. Bis zu 2500 15- bis 17-Jährige aus ganz Nordbayern werden bei der Verteidigung Schweinfurts in den Flakstellungen als Luftwaffenhelfer eingesetzt. Sieben von ihnen sterben allein beim verheerenden Dreifach-Angriff am 24./25. Februar 1944 in ihrer Flakbatterie bei Oberndorf den „Heldentod für Führer, Volk und Vaterland“.
Zum 65. Mal jährte sich in diesem Jahr einer der schwärzesten Tage und eine der schwärzesten Nächte im Zweiten Weltkrieg für Schweinfurt und umliegende Dörfer wie Grafenrheinfeld, Bergrheinfeld, Sennfeld, Hergolshausen, Schwebheim, Niederwerrn und Ettleben als am schlimmsten betroffene Ortschaften.
Bei den beiden ersten schweren Luftangriffen auf Schweinfurt am 17. August und 14. Oktober 1943 sind die deutschen Jagdflugzeuge in der Luft sowie die Flakstellungen am Boden noch in der Lage, den Amerikanern unverhältnismäßig hohe Verluste zuzufügen und die US-Luftwaffe in eine Krise zu stürzen. Während die Amerikaner nämlich auf bessere Ergebnisse bei der Bombardierung durch die Angriffe am Tag setzen, ziehen es die Briten vor, im Schutz der dunklen Nacht zu fliegen.
Erst als ihre mit Zusatztanks ausgestatteten Begleitjäger mit genügender Reichweite zur Verfügung stehen, wagt sich die US-Luftwaffe Ende Februar 1944 wieder tief ins Herz Süddeutschlands vor, um sich erneut die kriegswichtige Kugellagerindustrie in Schweinfurt vorzunehmen.
Doch die Amerikaner kommen diesmal nicht alleine. Den Alliierten reicht es auch nicht aus, einen Doppelschlag auszuüben. Man entscheidet sich dafür, eine noch schlimmere Taktik zu erproben. Hierzu wird das britische Kontingent noch einmal geteilt, so dass am Ende drei Angriffswellen geflogen werden. Die von den Amerikanern am Tag, gefolgt von den zwei der Briten in der Nacht im Abstand von nur zwei Stunden.
Den Anfang machen die in Ostengland stationierten Einheiten der amerikanischen Luftwaffe am Donnerstag, 24. Februar 1944. Von 13.26 bis 13.45 Uhr werfen 238 der 266 von den verschiedenen Stützpunkten aufgestiegenen B-17-Bomber ihre zerstörerische Ladung vorwiegend über das Industrieviertel ab.
Stadt und Außenbezirke stehen in Flammen, als die Briten von 22.59 bis 23.35 Uhr und nochmals in den frühen Morgenstunden des Freitags, 25. Februar 1944, von 1 bis 1.40 Uhr nachlegen. Nehmen beim ersten Nachtangriff 392 Bomber Kurs auf Schweinfurt, so sind es beim „Abschluss-Feuerwerk“ mitten während der laufenden Rettungs-, Lösch- und Aufräumarbeiten 342 Flugzeuge.
So entladen fast 1000 amerikanische und britische Bomber bei gleich drei Luftangriffen innerhalb von etwas mehr als zwölf Stunden ihre todbringende Fracht auf die Stadt mit ihren wie an einer Perlenkette am Main aufgereihten Fabriken. Da die Trefferquote der beiden Nachangriffe aber bei Weitem hinter dem Tagangriff hinterherhinkt, werden mehrere umliegende Ortschaften schwer heimgesucht. Luftminen und Sprengbomben von bis dahin nicht gekannter Wirkung sowie Stabbrand- und Phosphorbomben verwandeln Stadt und Dörfer in eine glühende Hölle (wir berichteten).
Laut offizieller Statistik verlieren allein in der Stadt 362 Menschen bei den drei Angriffen ihr Leben, darunter 218 ausländische Kriegsgefangene. Die tatsächliche Zahl der Opfer dürfte um einiges höher liegen. Nicht berücksichtigt sind beispielsweise Menschen, die erst später ihren Verletzungen erliegen oder deren Tod wie im Fall des Gerolzhöfer Feuerwehrmanns Karl Durmann andernorts beurkundet wird.
Nur die bis dahin fertiggestellten Hochbunker verhindern einen noch höheren Blutzoll im Flammenmeer. Zehntausende finden darin im Gegensatz noch zu den schweren Angriffen 1943 Deckung. Doch die erwähnten jungen Luftwaffenhelfer in der 4. Batterie der leichten Flakabteilung 953 im Gleisdreieck westlich des Schweinfurter Hauptbahnhofs zwischen Oberndorf und dem Stadtteil Bergl, die nicht wie die Besatzung des dritten Geschützes in den Munitionsbunker kriechen, sind der tödlichen Gefahr schutzlos ausgeliefert.
Weil die Eindringlinge viel zu hoch fliegen, um sie mit den beiden anderen Zwei-Zentimeter-Verlings-Geschützen der leichten Flak zu erreichen, sucht das Bedienungspersonal beim dritten und letzten Angriff mitten in der Nacht Schutz am Boden. Da passiert es. Eine relativ tieffliegende Maschine setzt ihre Luftminen gezielt ab und legt so einen Bombenteppich über die Stellung. Neben vier regulären Flak-Soldaten und einer größeren Zahl als Hilfskräfte eingesetzter russischer Kriegsgefangener sterben bei Oberndorf sieben Oberschüler aus Würzburg. Die von den Luftminen bei der Explosion ausgelöste Druckwelle zerreißt ihnen die Lungen. Allesamt gehören sie der Oberschule am Rennwegerring an, heute Siebold-Gymnasium.
Ausgelöscht wird in Sekunden das Leben von Karl Heinz Hahn aus Würzburg (er wird 16 Jahre und zehn Monate alt), Helmut Mark aus Heidingsfeld (16 Jahre, drei Monate), Werner Lipponer aus Remlingen (15 Jahre, zwei Monate), Helmut Rüdiger aus Würzburg (15 Jahre, vier Monate), Arno Saftenberger aus Höchberg (15 Jahre, drei Monate), Franz Anton Steffan (15 Jahre, sieben Monate) und Wilhelm Otto Theiß (15 Jahre, sieben Monate), ebenfalls aus Würzburg.
Ferner werden vier Flaksoldaten und acht Flakhelfer sowie eine unbekannte Zahl Russen aus der Bedienungsmannschaft der Geschütze bei Oberndorf verletzt, darunter der Luftwaffenhelfer Rudi Drescher aus Sulzheim. Sie kommen aber wie er mit dem Leben davon.
Die zerstörte Stellung mit den ausgebrannten Baracken im Gleisdreieck bei Oberndorf wird nicht wieder aufgebaut. Alle überlebenden Luftwaffenhelfer werden erst einmal für 14 Tage außer der Reihe nach Hause in Urlaub geschickt. Danach geht der Krieg weiter – bis zum bitteren Ende, das auch für viele junge Flakhelfer in in die Kriegsgefangenschaft führt.