Der Plan der Auriga GmbH ging nicht auf: Der Stadtrat hat in seiner Sitzung am Dienstagnachmittag einstimmig die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens gegen das von den Bayreuther Projektentwicklern geplante Einkaufszentrum in Oberndorf festgestellt und damit die Entscheidung über die Realisierung des Projektes in die Hände der Bürgerinnen und Bürger gelegt. Abgestimmt wird am Sonntag, 8. Oktober, am Tag der Landtags- und Bezirkstagswahl.
Kurz vor knapp hatten die Projektentwickler das Bürgerbegehren noch zu Fall bringen wollen. Just am Abend vor der Stadtratssitzung erreichte alle Stadträtinnen und Stadträte eine Mail des Geschäftsführer-Ehepaares Saskia und Michael Krause, in der diese das Bürgerbegehren wegen der "unzulässigen Fragestellung" als nicht durchführbar bewerteten. "Wir halten es für wichtig, dass wir Ihnen dieses Update geben und auf die Beurteilung der Fragestellung gerade noch rechtzeitig hinweisen", heißt es.
Auf Anraten ihres eigens für die Abwicklung des Oberndorfer Projektes engagierten Konfliktmoderators, Professor Winfried Schwatlo, hatten die Auriga-Geschäftsführer die Fragestellung des Bürgerbegehrens juristisch prüfen lassen. Die Frage lautet: "Sind Sie dafür, dass wertvolle Ackerfläche erhalten bleibt und die Planung des überdimensionierten Einkaufszentrums am Ortsrand von Oberndorf eingestellt wird?" Die beauftragte Kanzlei Hübner Mayer Grohs in Bayreuth kam zu dem Schluss, dass diese Wortwahl unzulässig sei.
Nach Einschätzung der Juristen wird mit der Formulierung die Entscheidungsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger beeinträchtigt. Konkret beanstanden sie die Bezeichnung "überdimensionierter Einkaufsmarkt" und "wertvolle Ackerfläche". Beide Aussagen halten sie für unzutreffend und tendenziös.
Verwaltung: Keine Täuschungsabsicht hinter der Fragestellung
Die Stadtverwaltung ist da ganz anderer Ansicht. "Wir teilen diese Auffassung nicht", stellte Ordnungsreferent Jan von Lackum in der Stadtratssitzung klar. Überspitzungen bei der Fragestellung seien durchaus zulässig, es dürfe nur keine Täuschungsabsicht dahinterstecken. "Und das ist nicht der Fall." Das Bürgerbegehren sei deshalb zulässig.
Nichtsdestotrotz hatten sich die drei Initiatorinnen des Bürgerbegehrens, Stadträtin Ulrike Schneider (Initiative Zukunft/ödp), Landwirtin Kathrin May und Umweltaktivistin Anette Klotzek, gewappnet und bis zur Stadtratssitzung ebenfalls fachliche Expertisen eingeholt, um die Behauptung, die Fragestellung sei falsch formuliert, zu widerlegen. Sie brauchten sie aber gar nicht auf den Tisch legen, denn der Stadtrat hatte keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bürgerbegehrens.
"Wir halten das Bürgerbegehren für berechtigt", sagte CSU-Fraktionssprecher Stefan Funk. Was der Investor in seinem Schreiben formuliert habe, sei schon "sehr dünn".
Auch Die Linke hält die Durchführung eines Bürgerentscheids für zulässig. Dieses demokratische Mittel sollte geachtet werden, betonte Robert Striesow.
Zustimmung kam ebenso von den Freien Wählern: "Wir sehen damit die Chance, Gerechtigkeit walten zu lassen", meinte Stefan Labus.
Adi Schön (Freie Wähler) wollte wissen, ob der Investor Rechtsmittel einlegen kann. Das kann er nicht, informierte von Lackum. Die Fragestellung könnten nur Verfahrensbeteiligte angreifen, und das seien die Initiatorinnen des Bürgerbegehrens und die Stadt.
Mit 3873 gültigen Unterschriften ist das Quorum erreicht
Formal hat auch alles seine Richtigkeit. Mit 3873 gültigen Unterschriften von insgesamt 4407 Eintragungen sei das notwendige Quorum für die Durchführung des Bürgerentscheids erfüllt, informierte von Lackum. Jetzt muss lediglich noch das Bayerische Innenministerium grünes Licht für die zeitgleiche Abstimmung mit der Landtags- und Bezirkstagswahl geben. Sollte diese laut Lackum wider Erwarten nicht erteilt werden, schlägt die Verwaltung als Ersatztermin den Sonntag, 24. Oktober, vor.
Stadträtin Ulrike Schneider war als Mitinitiatorin sowohl von der Debatte als auch von der Abstimmung ausgeschlossen. Sie verfolgte die Beratung von der Tribüne des Sitzungssaals aus. Die von ihr eingeholten Stellungnahmen liegen der Redaktion vor.
Wie der Handelsverband die Fragestellung für das Bürgerbegehren bewertet
Was die Wertigkeit des Ackers anbetrifft, bestätigt das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Schweinfurt, dass der für das Einkaufszentrum vorgesehene Acker "im überwiegenden Teil eine überdurchschnittliche" und ein untergeordneter Teil im Südosten eine "leicht überdurchschnittliche" Ertragsfähigkeit besitzt. Verwiesen wird auf die Boden- und Ackerzahlen von 72/75 bzw. 54/55.
Zur Größe des Einkaufszentrums stellt der Handelsverband Bayern fest, dass der Begriff "überdimensioniert" zutreffend sei, weil das geplante Einkaufszentrum "für seinen Zweck zu groß ausgelegt" sei. Verwiesen wird auf die Struktur- und Marktdaten des Einzelhandels 2020 vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, wonach die beiden geplanten Märkte (Vollsortimenter und Discounter) geeignet seien, 4990 Einwohnerinnen und Einwohner zu versorgen. Dies übersteige den Bedarf in Oberndorf mit 2300 Bürgerinnen und Bürgern um mehr als das Doppelte.
2024 endet die Stillhalteverpflichtung des GRes, im Oktober 2023 wird der Bürgermeister neu gewählt. Die Bürgerinitiative geht von einer klaren Positionierung gegen den erneuten Bauversuch eines Einkaufstempels als ein wichtiges Wahlkriterium aus, weil ein neues Einkaufszentrum an dieser Stelle unnötig ist. Aber man weiß ja nicht, wie weit vergangene Träume wieder hochkommen. Also aufgepasst.
Sehr erfreulich, dass alle Fraktionen im Stadtrat einstimmig (!) den Weg frei gemacht haben für den Bürgerentscheid!
Ebenfalls erfeulich: Der peinliche Versuch der Projektentwickler per E-Mail an alle Stadträte Desinformationen zu streuen ging absolut verdient nach hinten los. Sowohl von der Referentenseite als auch von den Stadträten wurden die "Argumente" zu Recht verrissen. Die Tricks des PR-Beraters Prof. Dr. Schwatlo boten Anlass zum Fremdschämen.
Man kann nur hoffen, dass die Projektentwickler und ihr PR-Berater dieses Ergebnis zum Anlass nehmen, Ihre Vorgehensweise zu überdenken.