Es ist 11.40 Uhr und ein lauter Gong hallt durch die Schweinfurter St. Johanniskirche. Mit ihr startet die Vesperkirche in ihren fünften Tag. Für mich heißt das: ab an die Arbeit. Gemeinsam mit meiner Kollegin Maria laufe ich auf die voll besetzten Kirchenbänke zu. Die Menschen, die hier sitzen, warten auf eine warme Mahlzeit.
Wir melden uns bei einer der Frauen, die für die Verteilung der Gäste zuständig sind. Die fünf Finger an der erhobenen Hand zeigen, dass wir fünf Personen abholen möchten. Als gute Gastgeber, so heißen hier alle Helferinnen und Helfern, begleiten wir die fünf, die uns zugewiesen wurden, zu ihrem Tisch. Maria und ich kümmern uns um drei Tische, insgesamt 18 Plätze.
Als zwei von elf Leuten kümmern wir uns um den Service. Daneben gibt es die Begrüßung, Einteilung, Essensportionierung, Geschirrrückgabe und Abwasch. Etwa 120 Ehrenamtliche arbeiten auf die zwei Wochen verteilt bei der Vesperkirche. Deutlich weniger als noch vor Corona und gerade genug für den täglichen Betrieb, sagt Pfarrerin Barbara Renger. Beim morgendlichen Einteilen musste sie noch einen spontanen Ausfall ausgleichen. Am Ende des Tages wird sie nochmal in die Runde fragen, ob jemand morgen außerplanmäßig aushelfen könnte.
Suppe, Hauptspeise, Kaffee, Kuchen und immer was zu reden
Jetzt bringen wir unsere Gäste erstmal an ihre Tische. Wenn sie sich in Ruhe hingesetzt und die Jacken abgelegt haben, begrüßen wir sie und fragen, ob sie schon mal eine Suppe haben möchten. Während wir uns auf die erste Runde zur Essensausgabe machen, fangen die Unterhaltungen an den Tischen schon an. Viele kommen mit Freunden und Bekannten zur Vesperkirche. Und auch die, die allein kommen, suchen meistens schnell das Gespräch.
Für die Organisatorinnen und Organisatoren ist genau das das Ziel. Die Vesperkirche soll nicht bloß ein günstiges Restaurant sein, sondern ein Ort des Zusammenkommens und gemeinsamen Essens. So hatte sich Renger das vorgestellt. Die Lautstärke in der Kirche gibt ihr jetzt recht.
Nach der Suppe folgt der Hauptgang. Ich frage, wofür sich die Gäste denn entschieden haben. Heute gibt es entweder Schnitzel mit Bratkartoffeln und Gemüse oder Spinat-Nudeln mit Gorgonzolasoße und einem Salat.
In der Pause werde ich selbst zum Gast der Vesperkirche
Wenn an unseren Tischen gerade alle essen, ist auch mal Zeit an anderen Stationen vorbeizuschauen. So sortiere ich ein paar Minuten lang das Geschirr, bevor es zum Spülen geht oder ich helfe das Essen aufzutun.
Wenn die Gäste gegessen haben und Richtung Kaffee und Kuchen gehen, wird das Geschirr weggeräumt und die Tische abgewischt. Dann geht es wieder nach vorne, die nächsten Gäste zu den Tischen bringen.
Gegen Ende habe ich Zeit, mir auch selbst etwas zu essen zu holen und mich hinzusetzen. Das Schnitzel ist inzwischen aus. Ich setze mich mit meinen Bratkartoffeln zu einer Frau, die mir erzählt, sie pflege hier in der Stadt ein paar Tage pro Woche ihren alten Chef. Sie ist hierhergekommen, um sich eine kleine Auszeit zu nehmen. Es sind diese Minuten, die mir zeigen, was die Vesperkirche für ihre Gäste ist.
Fazit: Ich merke die Freude in den Zwischentönen
Kurz danach wird abgeräumt, die letzten Gäste bedient. Inzwischen haben sich die meisten beim Kaffee und Kuchen gesammelt. In den 1,50 Euro, die das Essen kostet, ist das schon mit drin. Um 14.30 Uhr endet die Vesperkirche so, wie sie begonnen hat: mit einem lauten Gong.
Für die Gastgeberinnen und Gastgeber ist das das Zeichen, nochmal für eine gemeinsame Abschlussrunde zusammenzukommen. Als Neuer werde ich von den anderen gefragt, wie ich die Arbeit erlebt habe. Ich sage, was man in so einer Situation eben sagt: spannend, lehrreich, angenehm. Tatsächlich war ich so viel unterwegs, dass ich die Menschen, die ja im Zentrum der Vesperkirche stehen, kaum erlebt habe. Ich habe aber an den Kleinigkeiten, dem freundlichen Lächeln und den witzigen Momenten gemerkt, dass sie hier gern zu Gast sind.