
Donnerstag, 20. März. Ulrike Mühl führt Telefonate, verhandelt mit Gastspielpartnern, bespricht die Spielzeiten der kommenden Theater-Saison im Team und stellt sicher, dass bis zum Konzertbeginn alle Vorbereitungen abgeschlossen sind. Eben das, was eine Intendantin den ganzen Tag so macht.
Doch Mühl ist eigentlich keine Intendantin. Die gebürtige Dortmunderin wohnt seit 1989 in Schweinfurt und arbeitet dort normalerweise als Dozentin für Englisch an der Volkshochschule Schweinfurt. Warum also ist Ulrike Mühl an diesem Tag auf einmal Intendantin?
Verlosung der besonderen Art: Ein Tag als Intendant
"Ich habe die Verlosung des Theaters und des Fördervereins gesehen und sofort eine E-Mail geschrieben. Und habe mir den 20. März vorsichtshalber mal freigenommen – man weiß ja nie", erzählt die 65-Jährige. Denn das Schweinfurter Theater hatte sich Ende Februar zusammen mit dem Förderverein der Theaterfreunde eine Verlosung der besonderen Art einfallen lassen.
Zu gewinnen gab es nicht etwa Theaterkarten oder Gutscheine, sondern eben einen Tag in der Rolle als Intendant. "Christof Wahlefeld gewährt Ihnen damit spannende Einblicke in seinen Arbeitsalltag, der ihn zwischen seinem Büro im Museum Otto Schäfer und dem Theater im Gemeindehaus hin und her führt – wohlgemerkt zu Fuß", hieß es auf der Internetseite der Theaterfreunde.
"Ich gewinne normalerweise nie etwas. Als ich in der E-Mail des Fördervereins dann meinen Namen gelesen habe, konnte ich es kaum glauben", sagt Mühl. Also schnappt sich Mühl ihre schwarzen Turnschuhe und trifft sich am 20. März um 9 Uhr früh mit Christof Wahlefeld, dem derzeitigen Intendanten des Schweinfurter Theaters, auf der Maininsel in Schweinfurt.
Ankunft am ersten Arbeitsplatz, dem Otto Schäfer Museum in Schweinfurt
Nach einer kurzen Begrüßung machen sich die beiden bei strahlendem Sonnenschein auf den Weg. Ihr Ziel: das Museum Otto Schäfer, wo sich die Büroräume und die Theaterkasse des Theaters der Stadt Schweinfurt befinden. "Ich erledige immer alles zu Fuß. Man muss ja fit bleiben", erklärt Wahlefeld. Es komme durchaus öfter vor, dass der Schrittzähler seines Handys am Ende eines Tages die 10.000 erreiche.
Dort angekommen, wird Mühl mit ihrer Arbeitskleidung ausgestattet. Einem schwarzen T-Shirt und einer schwarzen Kapuzenjacke, beide jeweils mit hellgrünem Aufdruck auf der Brust und am Rücken. "Ein Intendant muss schließlich immer passend gekleidet sein", merkt Wahlefeld an. Nach einem kurzen Blick in die Postmappe darf Mühl die erste Aufgabe als Intendantin übernehmen: ein Telefonat mit dem Landestheater Schwaben.
Das breite Aufgabenfeld eines Intendanten: Verhandlungen, Telefonate, Rechnungen und Werbung
"Es geht darum, die Termine noch einmal zu bestätigen und die Details zu verhandeln", erklärt Wahlefeld und greift zum Hörer seines Telefons. Nach einer kurzen Einleitung übernimmt Mühl, sichtlich aufgeregt, das Telefonat. Gekonnt führt die 65-Jährige durch das Gespräch und notiert alle wichtigen Angaben. Ein paar Minuten später sind alle Details geklärt und die erste Aufgabe der Aushilfsintendantin ist geschafft. "Toll gemacht", lobt der eigentliche Intendant seine Aushilfe.

Als Nächstes steht ein sogenannter "Verwaltungs-Jour-fixe" auf dem strikt durchgetakteten Programm der Intendanten. In dem knapp eineinhalbstündigen Meeting werden unter anderem wichtige Absprachen getroffen, die geeigneten Werbemittel ausgewählt und über den kommenden Spielplan gesprochen. "Im Anschluss werden wir Rechnungen bezahlen und Bürokram erledigen, denn auch das gehört zur Aufgabe eines Intendanten", erklärt Wahlefeld.
Zweiter Arbeitsplatz: Die Ersatz-Spielstätte im evangelischen Gemeindehaus in Schweinfurt
Gegen Nachmittag machen sich die beiden auf den Weg in das knapp drei Kilometer entfernte Theater im evangelischen Gemeindehaus – natürlich auch diesmal wieder zu Fuß. Das Gemeindehaus dient seit 1. Oktober als Ersatz-Spielstätte für das Haupthaus in Schweinfurt, das bis Oktober 2027 saniert werden soll. An diesem Abend tritt hier das Blechbläsersextett Ensemble Classique auf. Bis zu ihrem Auftritt gilt es für Wahlefeld und Mühl noch so einiges vorzubereiten.

Ein "Technik-Jour-fixe" muss geführt, die Abstimmung mit den Chefs der Technik getroffen, der Bühnenaufbau überwacht und die mittlerweile bereits eingetroffenen Künstler begrüßt werden. Die Zeit zwischen dem Vorstellungsbeginn und den Besprechungen nutzt Wahlefeld, um Mühl das Haus zu zeigen. Unzählige Scheinwerfer, verschiedenste Stühle und alte sowie neue Technik tummeln sich im Lagerraum im Obergeschoss des Theaters. "Man muss auf eventuelle technische Ausfälle oder Anforderungen der Künstler vorbereitet sein", begründet Wahlefeld die große Auswahl.
Ein spannender und anstrengender Tag als Intendantin geht zu Ende
Rund eine halbe Stunde vor Vorstellungsbeginn sind alle Vorbereitungen abgeschlossen und beide können durchatmen. "Jetzt begrüßen wir nur noch die ankommenden Gäste in der Empfangshalle, genießen die Vorstellung und Frau Mühl überreicht den Künstlern am Ende des Konzerts als Dankeschön Schokolade. Danach hat sie den Tag als Intendantin überstanden", sagt Wahlefeld.
Mühl nutzt die ruhigen Minuten, um den Tag Revue passieren zu lassen: "Es war sehr spannend, das mal so zu erleben. Ich hatte mir zwar vorher schon gedacht, der Job als Intendant ist vielfältig, aber dass man dann doch so unterschiedliche Aufgaben zu erledigen hat, hat mich überrascht." Ob sich Mühl die Tätigkeit als Intendantin auch länger als einen Tag vorstellen könnte? "Ich glaube, Herr Wahlefeld macht da schon einen richtig tollen Job. Aber Spaß gemacht hat es auf jeden Fall", sagt sie.