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Sömmersdorf
Ein ganzes Dorf will auf die Bühne: Außenproben in Sömmersdorf für die Passionsspiele 2024 mit 300 Personen
Nie zuvor wollten so viele Kinder bei der Passion mitwirken. Statt doppelt gibt es in diesem Jahr vierfach besetzte Kinderrollen. Auch bekannte Gesichter sind dabei.
Zum ersten Mal im Jahr 2024 auf der großen Freilichtbühne: der Einzug nach Jerusalem. Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger aus Sömmersdorf sind gekommen, um bei der Probe mitzuwirken. Der Organisator spricht von mehr als 300 Personen, die in der Massenszene dabei sein sollen.
Foto: Martina Müller | Zum ersten Mal im Jahr 2024 auf der großen Freilichtbühne: der Einzug nach Jerusalem. Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger aus Sömmersdorf sind gekommen, um bei der Probe mitzuwirken.
Lisa Marie Waschbusch
 |  aktualisiert: 05.04.2024 02:43 Uhr

Es wird gerangelt auf dem Podest, Kinder rufen durcheinander, alle wollen Jesus sehen. Der kommt dann zu ihnen, stellt sich in ihre Mitte, spricht. Es ist der neue Prolog der Sömmersdorfer Passionsspiele 2024, eine Art Bergpredigt, der an diesem Morgen das erste Mal auf der großen Freilichtbühne geprobt wird. Nach dem vierten Anlauf gibt es Applaus, die Regisseure Kai Christian Moritz und Silvia Kirchhof zeigen sich zufrieden.  

Dass die Szene gleich viermal hintereinander gespielt wird, liegt nicht daran, dass der Auftritt nicht funktioniert hat. Es liegt daran, dass die Kinderrollen mehrmals besetzt sind. Viermal der gleiche Ablauf, damit jedes Kind drankommt. Der Andrang sei in diesem Jahr größer denn je, sagt Norbert Mergenthal, Vorstand des Passionsspielvereins. 2018, bei der bislang letzten Aufführung, seien gerade einmal zwölf Kinder auf der Bühne gewesen, jetzt seien es fast 40. So viele wie noch nie in der 90-jährigen Geschichte der Sömmersdorfer Passion.

Fast 100 Kinder werden auf der Bühne stehen – zwischen neugeboren und 15 Jahre alt

Im Vorfeld gab es ein Kindercasting. Und weil man keine traurigen Kinderaugen sehen wollte, habe man einfach alle genommen, erklärt Mergenthal. "Wir haben 37 Kinder mit einer Rolle besetzt, im Alter von sechs bis 14 Jahren. Die haben alle irgendwo eine kleine Textpassage", sagt Mergenthal. Doch das sind längst nicht alle: "Eigentlich sind es sogar 95, zwischen Neugeborenen und 15 Jahren."

Silvia Kirchhof gibt den Kindern bei der Probe Anweisungen. 37 Kinder und damit mehr als je zuvor haben in diesem Jahr eine Sprechrolle.
Foto: Martina Müller | Silvia Kirchhof gibt den Kindern bei der Probe Anweisungen. 37 Kinder und damit mehr als je zuvor haben in diesem Jahr eine Sprechrolle.

Die, die jetzt gerade nicht auf der Bühne stehen, in der Anfangsszene, kommen am Nachmittag zur Probe, wenn die größte Szene, der Einzug nach Jerusalem, auf dem Plan steht. Einige sind auch nicht das erste Mal dabei. Mergenthal sagt: "Manche davon sind bei der letzten Aufführung vor sechs Jahren auf die Bühne getragen worden."

Zum Beispiel die sechsjährige Anna Garbe. Mit ihrer Mutter Sandra probt sie mehrere Szenen mit. Die Passion spielt in ihrer Familie eine große Rolle. Sandras Schwager, Tobias Garbe, spielt den Jesus, ihr Mann Michael ist Bühnenbauer. Die Mutter von drei Kindern, die auch im Kartenbüro mithilft, ist selbst das dritte Mal dabei. Eigentlich aus Bergrheinfeld stammend, sei Sandra Garbe über ihren Mann zur Passion gekommen, erzählt sie. 

Die tragenden Rollen sind doppelt besetzt – aber gleichwertig

Dann geht es weiter für Mutter und Tochter, die "Händlerszene" steht auf dem Programm. Und es wird voll auf der Bühne. Mehr als 100 Menschen, Stände, Utensilien, dazwischen Anna und Sandra Garbe, ein Körbchen in der Hand. Ein wildes Treiben auf dem improvisierten Marktplatz. Auch hier gibt es mehrere Anläufe, etwa mit anderer Jesus-Besetzung. Dann steht nicht der neue Jesus Tobias Garbe, sondern Tobias Selzam, vor sechs Jahren schon Jesus-Darsteller, auf der Bühne. Ein Textbuch braucht hier keiner mehr, die Proben laufen seit Januar.

Sandra und Anna Garbe (rechts) während der 'Händlerszene'.
Foto: Martina Müller | Sandra und Anna Garbe (rechts) während der "Händlerszene".

Die tragenden Rollen seien doppelt besetzt – falls mal jemand ausfalle, sagt Norbert Mergenthal. Auf A- und B-Besetzungen werde bewusst verzichtet. "Das funktioniert nur, weil alle gleich behandelt werden." Der Vereinsvorstand hat den Probenaufwand mal grob überschlagen und kommt auf etwa 44.000 Probenstunden in zehn Monaten. "Finden Sie mal jemanden, der in seiner Freizeit von 48 Wochenenden 27 investiert, ohne dass er etwas dafür kriegt", sagt er dann. "Es müssen sich viele kleine Räder drehen, bevor sich dann mal ein großes dreht."

Der Weg zur Passion geht meist über die Familie – wie bei Karlheinz Grünewald

Einer, der schon seit 60 Jahren mitwirkt, ist Karlheinz Grünewald. "Ich war neun, als ich das erste Mal dabei war", erklärt der 70-Jährige in einer Probenpause. Wie die meisten Mitwirkenden kam auch er über seine Familie zur Passion. Grünewald spielte viele Rollen, "die größte Rolle war Jesus – 25 Jahre lang", sagt er. Von 1978 bis 2003. Immer zusammen mit einem anderen noch. "Außer '83 – da gab's keinen anderen." 

Ist seit 60 Jahren bei den Passionsspielen aktiv: Karlheinz Grünewald. 25 Jahre lang spielte er den Jesus.
Foto: Martina Müller | Ist seit 60 Jahren bei den Passionsspielen aktiv: Karlheinz Grünewald. 25 Jahre lang spielte er den Jesus.

Dann steht der "Einzug nach Jerusalem" an. Und diese Szene erfordert von den Regisseuren Kai Christian Moritz und Silvia Kirchhof viel Koordination. Während vorher bewusst auf Mikrofone bei den Proben verzichtet und über kleine Funkgeräte kommuniziert wurde, geht es nun nicht anders. Die Freilichtbühne hat sich gefüllt.

Die Bürgerinnen und Bürger versammeln sich in zehn Gruppen, jede Gruppe bekommt ein Wort, das sie rufen soll. Es geht auf die Bühne. Die Musik geht an, aus allen Ein- und Ausgängen der Bühne strömen die Menschen, alle Altersgruppen sind vertreten. In der Szene winken und begrüßen sie Jesus, teils mit ihren Kindern auf dem Arm. Auch hier gibt es mehrere Anläufe, bevor die Proben mit weniger großen Szenen weitergehen.

Regisseurin Kirchhof: Aufführung für Kinder eine Herausforderung

Regisseurin Kirchhof zeigt sich zufrieden. Es sei eine Herausforderung, mit so vielen Menschen zu proben. "Aber so eine große Bühne verträgt auch viele Menschen", sagt die 54-Jährige, die zusammen mit ihrem Kollegen Moritz zum ersten Mal die Passionsspiele in Sömmersdorf inszeniert. 

Der neue Jesus-Darsteller Tobias Garbe (Mitte) bei der Szene 'Einzug in Jerusalem'.
Foto: Martina Müller | Der neue Jesus-Darsteller Tobias Garbe (Mitte) bei der Szene "Einzug in Jerusalem".

Auch für die Kinder sei die Aufführung eine Herausforderung und man müsse extra proben. Sie selbst habe schon einige Kinderproben geleitet. Erst müsste man ohne Erwachsene üben. "Da waren sie sehr lebhaft", sagt Kirchhof. "Jetzt sind sie heute zu den Erwachsenen dazugestoßen und waren zu brav." Wichtig sei, eine gute Mischung aus Disziplin und Natürlichkeit bei den Kleinen hinzubekommen. "Sie sollen ja Kind sein."

Aus seiner langjährigen Erfahrung weiß Vorstand Norbert Mergenthal: "Die sind jetzt dabei und dann sagen die meistens schon am Ende der Passionsspiele: 'Beim nächsten Mal will ich aber das und das machen.'"

 
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