
Geduld und einen langen Atem wird Marian Opalka für die bevorstehende Aufgabe brauchen. Der Archivar soll das Gerolzhöfer Stadtarchiv ordnen. Quasi als Generalprobe hat er in diesem Jahr bereits das Archiv der bis zum Jahr 1978 selbstständigen Gemeinde Rügshofen geordnet. Das Archiv der Stadt ist im Vergleich hierzu um ein Vielfaches größer. Und es besteht dringender Handlungsbedarf.
Zu dieser Einschätzung gelangt Kreisarchivpfleger Hilmar Spiegel aus Zeilitzheim. Zu dessen Sprengel zählen die Gemeinden des südlichen Landkreises Schweinfurt. Gerolzhofen ist dort die einzige Kommune, deren Archiv noch nicht geordnet ist, sagt er. "Ich bin seit mindestens 20 Jahren dahinter her, dass die Stadt Gerolzhofen ihr Archiv ordnen lässt", sagt er.
Doch es sei nicht nur "überfällig", dass Gerolzhofen das Thema nun angeht, meint der Kreisarchivpfleger. Das Archiv zu ordnen, sei auch deshalb dringlich, um einen Überblick über vorhandene Lücken in den Akten-Beständen zu erhalten. Dass solche existieren, weiß Spiegel. Nur fehle eine Übersicht, in welchem Umfang Dokumente der Stadtverwaltung nicht mehr auffindbar sind. Am Ende, wenn Archivar Opalka mit seiner Arbeit fertig ist, sollte zumindest diese Frage geklärt sein.
Stadtarchiv in keinem guten Zustand
Spiegels Aussagen werfen kein gutes Licht darauf, wie das Stadtarchiv in den zurückliegenden Jahren betreut wurde. Bürgermeister Thorsten Wozniak drückt sich hierzu deutlich vorsichtiger aus. Er beschreibt den aktuellen Zustand des Archivs wie folgt: "Viele haben das hier lange Zeit gut gemacht – nur nicht nach einem einheitlichen System."

Die Kritik des Archivpflegers beginnt damit, dass ein Archiv nach bestimmten, landesweit einheitlichen Regeln geführt werden soll, was in Gerolzhofen nicht der Fall ist. Das Archiv einer Gemeinde dürfe nur Schriftstücke aus deren Verwaltung enthalten, sonst nichts, stellt auch Archivar Opalka klar. Alle anderen – oft aus gutem Grund – gesammelten und damit der Nachwelt erhaltenen Gegenstände und Schriftstücke, wie private Briefe oder Bilder, müssten in einer Sammlung, in einem Museum oder Depot aufbewahrt werden.
Ein Einheitsaktenplan legt die innere Ordnung eines Gemeindearchivs fest. Da sind neben den überlieferten Urkunden die Amtsbücher mit den Niederschriften von Versammlungen und Sitzungen sowie Verzeichnisse des Grundbesitzes. Diese erhalten eine eigene Signatur, über die sie im Archiv sicher und zuverlässig auffindbar sind. Auch Rechnungsbände tragen eine separate Signatur, ebenso Akten und Pläne, falls solche vorhanden sind.
Zeitbedarf lässt sich nicht vorhersagen
Um das umfangreiche Stadtarchiv zu ordnen, wird Opalka in Etappen vorgehen. Bis Ende Februar 2024, schätzt er, dürfte er die überschaubare Zahl an Amtsbüchern geordnet haben. Mit den Rechnungsbänden – hier spricht er von "einer Masse" – könnte er vielleicht bis Ende des Jahres 2024 fertig werden. Dann würde er sich, wenn der Stadtrat Opalka entsprechend beauftragt, die Urkunden und Akten vornehmen. Den gesamten Zeitbedarf könne er vorab nicht einschätzen, sagt der Archivar.

Auch was das alles kosten wird, ist noch nicht absehbar. Zum Vergleich: Die Ordnung des Rügshöfer Archivs hat nach Angaben von Bürgermeister Wozniak im Mai geschätzte 20.000 Euro gekostet. Für das Gerolzhöfer Archiv muss erheblich mehr veranschlagt werden. Wozniak möchte derzeit nicht mehr verraten, als dass für den Haushalt der Jahre 2024 und 2025 "sicher eine jeweils fünfstellige Summe" eingeplant werden müsse.
Zuerst ging es ums Aufräumen
Opalka wird seine Arbeit in Räumen der Stadthalle fortsetzen, wo er bereits das Archiv aus Rügshofen geordnet hat. In den zurückliegenden Monaten hat Archivbetreuer Norbert Vollmann einiges an Vorarbeit geleistet, indem er in den Archivräumen im Erdgeschoss des Bürgerspitals ausgemistet und Ordnung geschaffen hat. In erster Linie ging es darum, alles, was, wie oben beschrieben, nichts mit dem Stadtarchiv zu tun hat, von den Verwaltungsdokumenten zu trennen.
Stadtarchivar ist weiter Matthias Endriß, der laut Bürgermeister aber seit Jahren nicht im Dienst ist und dessen Rückkehr auf seine Halbtagsstelle "nicht absehbar ist".

Solange Archivar Opalka das Archiv ordnet, sieht Wozniak keinen Handlungsdruck, die Personalsituation im Stadtarchiv zu verändern. Erst, wenn sich das Ende von Opalkas Arbeit abzeichne, werde sich der Stadtrat wohl Gedanken machen müssen, die Stelle des Stadtarchivars neu auszuschreiben. Denkbar, so Wozniak, sei es auch, auf Ebene interkommunaler Allianzen oder mit den Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft über eine gemeinsame Archiv-Stelle zu sprechen. "Grundsätzlich bevorzuge ich fürs Archiv eine Anstellung", sagt Wozniak, "kein Ehrenamt."
Es geht nichts Sammelwürdiges verloren
Um Befürchtungen, beim Ordnen des Archivs könnte etwas verloren gehen, vorzubeugen, verspricht Archivbetreuer Vollmann: Er werde darauf achten, dass nichts Sammelwürdiges weggeworfen wird. Es würden auch weiter Gegenstände gesammelt, "ich kümmere mich darum". Dies sei schon allein aus Interesse an der Stadtgeschichte geboten.
Ungelöst ist dem Bürgermeister zufolge allerdings nach wie vor die Frage, wo die bereits jetzt umfangreichen musealen Sammlungen auf Dauer untergebracht werden können. Die Depots sind heute auf mehrere Gebäude in der Stadt verteilt. Dies gilt übrigens auch für Archivgut der Stadtverwaltung, das laut Kreisarchivpfleger unter teils fragwürdigen Bedingungen lagern.
Ziel ist es, mit dem in absehbarer Zeit geordneten Stadtarchiv, einen auch unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten guten Zugang zur Gerolzhöfer Stadtgeschichte zu ermöglichen. Zentraler Schlüssel hierzu wird das Repertorium sein, ein Verzeichnis, das gemäß dem Einheitsaktenplan eine komplette Übersicht über alle vorhandenen Schriftstücke bietet. Die zwischenzeitlich aufgeräumten Archivräume ermöglichen dann auch ein Arbeiten vor Ort.
Kontakt zum Gerolzhöfer Stadtarchiv: Über das Bürgerbüro in der Verwaltungsgemeinschaft oder per E-Mail an stadtarchiv@gerolzhofen.info
Beim Leser, der die Zusammenhänge nicht kennt, muss der Eindruck entstehen, es hätten seit jeher dort nur inkompetente Laien gehaust und einen Saustall angerichtet, der, so Herr Vollmann, endlich „ausgemistet“ werden muss.
Jemand, der die Entwicklung der letzten 10 Jahre nicht mitbekommen hat, fragt sich allerdings auch, wieso der Kreisarchivpfleger, der eine wichtige Aufsichtsfunktion inne zu haben scheint, erst jetzt bei der Stadt vorstellig wurde, wo ein offenbar kompetenter, freiberuflich agierender Archivar (die Berufsbezeichnung ist ungeschützt) einen Anschlussauftrag suchte.
Einige Äusserungen der im Artikel zitierten Herren lassen eine despektierliche Haltung gegenüber all jenen erkennen, die sich in den letzten Jahren ehrenamtlich um die Bewahrung und die Erforschung der Stadtgeschichte Gerolzhofens verdient gemacht haben.