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Gerolzhofen
Ordnung bringen ins Rügshöfer Gemeindearchiv: Worauf der Fachmann bei seiner Arbeit achtet
Archivar Marian Opalka sortiert die alten Schriftstücke aus dem Nachlass der Gemeindeverwaltung. Wegwerfen gehört dazu, sagt er. Dazu braucht es Regeln und Augenmaß.
Ausgebreitet auf den Tischen liegen die Schriftstücke aus dem Rügshöfer Archiv. Marian Opalka ist dabei, diese zu sortieren und säuberlich zu registrieren. Damit sind die Dokumente künftig leicht zu finden und zu nutzen.
Foto: Michael Mößlein | Ausgebreitet auf den Tischen liegen die Schriftstücke aus dem Rügshöfer Archiv. Marian Opalka ist dabei, diese zu sortieren und säuberlich zu registrieren. Damit sind die Dokumente künftig leicht zu finden und zu nutzen.
Michael Mößlein
 |  aktualisiert: 28.05.2023 02:22 Uhr

In einem Nebenraum der Stadthalle liegt auf Tischen ausgebreitet das historische Vermächtnis der bis zum Jahr 1978 eigenständigen Gemeinde Rügshofen. Es sind halb vergilbte Zettel, die meisten stecken in Mappen aus Pappe. Zwischen all diesen kleinen Papierbergen aus Sitzungsprotokollen, Rechnungsbüchern und sonstigen Niederschriften steht Marian Opalka. Er hat die Aufgabe, das alles zu sortieren.

Der studierte Archivar aus Würzburg hat das Rentenalter längst erreicht. 60 Gemeindearchive, vergleichbar mit dem Rügshöfer, hat er bereits geordnet. Bis zum Herbst dieses Jahres möchte er seine aktuelle Aufgabe abgeschlossen haben. "Ich bin hier, weil ich noch gar nicht weiß, was ich finden werde", beschreibt er den aktuellen Stand seiner Arbeit. Das Fischen im Trüben ist Bestandteil seines Jobs. Oft liegen Schriftstücke – wie hier – irgendwie zusammengepackt in Mappen und Kartons. Der Archivar nimmt alles in die Hand, um herauszufinden, um was es sich handelt. Erst dann kann er sortieren.

Ein Konzept muss her

Es ist das erste Mal, dass ein Fachmann das Rügshöfer Archiv ordnet. Vorgeschrieben ist das nicht, sagt Bürgermeister Thorsten Wozniak. Aber auf jeden Fall sinnvoll. Circa 20.000 Euro lässt sich die Stadt das in diesem Jahr kosten. Ein Vielfaches wird es kosten, das deutlich umfangreichere Gerolzhöfer Archiv zu ordnen. Dies soll folgen. Hierzu wird es laut Wozniak nötig sein, sich ein Konzept zu überlegen, "wie man Archiv, Museum und Depot unter einen Hut bringt". Es gehe darum, klar voneinander zu trennen, wo was aufbewahrt wird.

Rügshofen ist, so könnte man sagen, der Probelauf hierzu. Denn zum Sortieren, sagt Opalka, gehöre zwingend auch das Aussortieren. Opalka stellt klar: "Ein Gemeindearchiv ist kein Museum und keine Sammlung." Ein Archiv dürfe nur Schriftstücke aus einer Verwaltung enthalten. Sonst nichts.

Archivar Marian Opalka blättert in einem alten Zensurbuch der Rügshöfer Dorfschule.
Foto: Michael Mößlein | Archivar Marian Opalka blättert in einem alten Zensurbuch der Rügshöfer Dorfschule.

Um dies zu verdeutlichen, zieht Opalka ein gebundenes Buch aus einem Stapel hervor. Es ist ein altes Zensurbuch der Rügshöfer Dorfschule. Dort stehen in sauberer Sütterlinschrift die Noten, die die Schülerinnen und Schüler von ihrem Lehrer erhalten haben. Es ist ein interessantes Zeugnis und lebensnahes Dokument der Dorfgeschichte – aber kein Teil des Gemeindearchivs, auch wenn es irgendjemand dort deponiert und so wohl für die Nachwelt erhalten hat. Ein solches Buch würde der Archivar niemals wegwerfen. Aber er sortiert es aus. "Das gehört in ein Schulmuseum, nicht ins Archiv", sagt Opalka.

Manches wird auch vernichtet

Aus dem Rügshöfer Archiv hat er schon eine Bananenkiste voller Schriftstücke aussortiert. Da geht es beispielsweise um Schmierzettel oder übrig gebliebene Blanko-Formulare ohne historischen Wert. "Das soll nicht irgendwelchen Witzbolden in die Hände fallen", erklärt Opalka. Um Unfug vorzubeugen, wird er die Papierstücke vernichten.

"Jede Verwaltung produziert sehr viel Papier", sagt Opalka. Er filtert heraus, was auch Hunderte Jahre später noch aufzubewahren ist. Der Einheitsaktenplan regelt, nach welchem System ein Verwaltungsarchiv geordnet wird. Da sind neben den überlieferten Urkunden die Amtsbücher, die die Niederschriften von Versammlungen und Sitzungen enthalten sowie Verzeichnisse des Grundbesitzes. Diese erhalten eine eigene Signatur, ebenso die Rechnungsbände, die wiederum nach einzelnen Aufgabenbereichen unterteilt sind. Dann werden – soweit vorhanden – noch Akten und Pläne separat gekennzeichnet und getrennt aufbewahrt.

Verzeichnis über alle Dokumente

Die Systematik orientiert sich an der Provenienz. Dieser zentrale Begriff der Geschichtsforschung bezeichnet die Herkunft der Archivalien. Heute würde man neben der örtlichen Herkunft vielleicht von Sachgebieten sprechen. Dies ermöglicht es Archivaren, die schriftlichen Dokumente der Verwaltung so zu ordnen und zu signieren, dass Historiker sich auch in sehr großen Archiven leicht zurechtfinden – vorausgesetzt es existiert ein sorgfältig erstelltes Repertorium.

Ein solches Buch wird Opalka auch für das Archiv von Rügshofen erstellen. Es wird alle erhalten gebliebenen Schriftstücke feinsäuberlich aufführen. Anhand dieses Verzeichnisses kann sich jeder, der sich dafür interessiert, etwa den Karton mit den Niederschriften der Gemeindeversammlung eines bestimmten Jahres geben lassen, um diese zu studieren. Niemand muss dann mehr die weit über 1000 Dokumente wälzen, die das Rügshöfer Archiv enthält.

Alles erhält eine Nummer

Diese Arbeit übernimmt gerade Opalka. Er liest dafür nicht jedes einzelne Blatt durch. "Wenn ich das machen würde, dann käme ich hier in zehn Jahren nicht raus", sagt er und schmunzelt. Er erfasst die Papiere nur so weit, bis er weiß, was er in Händen hält. Dann verzeichnet er es und versieht gibt dem Papier die passende Signatur.

Zu den ältesten erhaltenen Dokumenten aus dem Rügshöfer Gemeindearchiv gehört diese Jahresrechnung der beiden Dorfmeister aus dem Jahr 1587.
Foto: Michael Mößlein | Zu den ältesten erhaltenen Dokumenten aus dem Rügshöfer Gemeindearchiv gehört diese Jahresrechnung der beiden Dorfmeister aus dem Jahr 1587.

Im März hat der Archivar begonnen, das Rügshöfer Archiv zu ordnen. Mit den Jahresrechnungen der kleinen Ortschaft ist er zwischenzeitlich fertig. Die älteste Rechnung, die er gefunden hat, stammt aus dem Jahr 1575. Doch interessanter ist in seinen Augen die von 1587. Diese wurde – wie einige weitere aus dieser Zeit – von zwei Dorfmeistern erstellt, in diesem Fall von Lorenz Krauß und Lorenz Königer. Diese hatten Aufgaben, die heute ein Bürgermeister innehat, und waren von der Obrigkeit eingesetzt. Offensichtlich teilten sich die beiden Dorfmeister die Aufgaben, weshalb sie auch gemeinsam die Jahresrechnung erstellt haben. "Das ist durchaus kurios und kommt nicht oft vor", meint Opalka.

Was ist das Wertvollste?

Die Frage nach dem ältesten Dokument des Archivs hat er damit geklärt. Häufig wird er, wie er sagt, auch gefragt, was denn das wertvollste Stück aus einem Archiv ist. Hierfür hat er eine Antwort parat, die immer passt: "Das Wertvollste ist immer das, was ein Historiker gerade sucht."

Wer das versteht, versteht auch, was Opalka meint, wenn er feststellt, dass ein Archiv "kein Museum für Altpapier" ist. Die Akten und weiteren Schriftstücke eines Archivs dienten immer der Erforschung der Ortsgeschichte.

Daneben gibt es weitere erhaltenswerte Dinge, wie alte Fotos oder Gebrauchsgegenstände, die, wie Bürgermeister Wozniak feststellt, Menschen oft mehr interessieren als altes Papier. Nur gehört das in ein Museum, und nicht ins Archiv.

 
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