Für viele Franken gehört es dazu, zu Kerwa oder Volksfest Tracht zu tragen. Was macht eine fränkische Tracht aus? Was sind die regionalen Kennzeichen? Wie unterscheidet sich eine fränkische von einer oberbayerischen Tracht? Ein Gespräch mit Trachtenexperte und Gau-Ehrenmitglied Oliver Brust aus Geldersheim beim Gautrachtenfest in Schweinfurt.
Was ist das Typische an der fränkischen Tracht?
Es gibt nichts Typisches. Die fränkischen Trachten sind vielfältig und können von Dorf zu Dorf verschieden sein. In katholisch geprägten Gegenden sind sie farbenfroher gestaltet als in evangelisch dominierten Landstrichen. Unsere Region ist das Herzstück des Gebietes der sogenannten Schweinfurter Gautracht oder auch Werntaltracht und wird oft auch mit dem Begriff "Geldersheimer Tracht" überschrieben.
Was gehört alles zur Tracht?
Bei der Männertracht sind es die gelbe Kniebundhose, die rote Weste, die blaue Joppe und der Dreispitz. Aber: Es gibt zig Ausnahmen. Statt Kniebundhose kann man genauso eine schwarze, lange Hose tragen. Die Weste kann aus Samt oder Seide, einfarbig oder gemustert sein. Und das "Knipferla", das geknüpfte Halstuch, trägt der modische Trachtler auch mal in Pink, so wie Oliver Brust.
Bei der Frauentracht sind das Einheitliche das im Rücken oft kunstvoll bestickte Mieder, der Faltenrock, die Schürze und das Schultertuch. Doch auch hier gilt wieder: Es gibt zig Abstufungen. Während die einen den traditionellen Körres – ein Mieder mit bestickten Ärmeln – tragen, haben andere das unbequeme Korsett durch eine Bluse mit Korsage ersetzt. Auch beim Rock gibt es viele Variationen. Im Schweinfurter Gau trägt Frau einen braunen Plisseerock, in der Rhön einen roten Mousselin-Rock. Schürze und Schultertuch sind hierzulande aus edler Seide, in der bäuerlichen Rhön dagegen aus Wolltuch gefertigt.
Was auffällt: Zumindest innerhalb eines Dorfes ist die Tracht einheitlich, nur nicht in Geldersheim. Da tragen die Männer verschieden farbige und gemusterte Westen. Warum?
"Die Tracht ist keine Uniform, sondern Kleidung", sagt Oliver Brust. Die Männertracht, wie sie die Bauern früher noch getragen haben, wurde bereits um 1850 abgelegt. Man wollte sich die Mode nicht mehr von außen aufdiktieren lassen und eiferte stattdessen der städtischen Mode nach. Statt der kurzen gelben Kniebundhose zog Mann nun eine schwarze lange Tuchhose an. Später folgte statt des Dreispitzes ein runder Hut. Und ab 1900 kleideten sich die Männer europaweit in schwarze Gehröcke, zogen eine Fliege an und setzten einen Zylinder auf.
Für die Männer endete damit die Trachtenepoche, obwohl die Frauentracht sich noch bis 1960 weiterentwickelte. Im wohlhabenden Geldersheim war Mann schon immer modebewusst. Der Trachtler heute trägt zur schwarzen Hose eine bunt gemusterte Weste, einreihig oder zweireihig geknöpft, und eine silberne Uhrenkette. In Sennfeld wird die Uhrenkette aus Haaren geflochten.
Kein Dirndl oder Trachtenanzug ohne Kopfbedeckung – gilt das auch für fränkische Tracht?
Nein. In Geldersheim beispielsweise zeigen die Frauen ihren mit Perlen geschmückten Dutt. In Sennfeld hingegen setzen die Frauen eine Bänderhaube auf. Und auch hier gibt's wieder viele Unterschiede: Mal ist der perlenbestickte Haubenspiegel mit Rüschchen umfasst, mal mit Goldborde oder es wird nur ein Band darum geschwungen.
Wird die Schleife an der Schürze links oder rechts gebunden?
Die Schürze wird weder links noch rechts gebunden, sondern vorne in der Mitte. Bei manchen Trachten gibt es überhaupt keine Schleife, die Schürze wird hier mit Haken und Ösen befestigt.
In Oberbayern gilt: Wenn eine Frau die Schleife links bindet, ist sie ledig und rechts verheiratet. Welchen Geheimcode gibt's bei der fränkischen Tracht?
Bei der fränkischen Tracht erkennt man den Familienstand bei den Haubenträgerinnen. Eine ledige Frau schmückt ihre Haube mit einem Myrthe-Kränzchen, eine verheiratete Frau schlingt ein Band um die Haube. Und noch einen Unterschied gibt es: Die Haube der "Jungfrau" hat nur zwei Bänder im Nacken, während die Geehelichte vier Bänder an ihrer Kopfbedeckung trägt, zwei vorne und zwei hinten.
Was hat es mit den bunten Bändern bei manchen Männerhüten auf sich?
Die bunt bestickten Bänder, die den Dreispitz der Sennfelder Trachtler zieren, sind die Strumpfbänder seiner Liebschaften. Je mehr er auf den Kopf hat, desto erfolgreicher war er im Werben. Sobald der Trachtler verheiratet ist, sollen die Bänder abgemacht werden. Daran halten sich aber die wenigsten. Auch betagte Trachtler stolzieren gerne noch mit dem geschmückten Hut herum.
Dreispitz oder Zweispitz?
Im Schweinfurter Gau wird der Dreispitz getragen, ein runder Hut, dessen Ecken hochgeklappt sind. Meist ist er verziert mit Goldborden und einer herabhängenden Quaste am Kordelband. In Sommerhausen gehört der Dreispitz nur zur Knabentracht. Die erwachsenen Männer tragen eine Bürgerwehruniform mit einem Zweispitz oder Göck, einem zylinderförmigen Hut, der mit einem gelb-roten Federbusch geschmückt ist.
Mit oder ohne Hosenträger?
In der Regel ist nicht zu sehen, ob der fränkische Trachtler Hosenträger anhat. In Oberelsbach in der Rhön ist das anders. Die Männer ziehen hier keine Weste an, sondern schmücken sich mit kunstvoll bestickten Seidenhosenträgern über dem weißen Hemd.
Was trägt die Trachtenfrau unter dem Rock?
Der "Liebestöter" ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Tracht. Sogar zur Kindertracht gehört die knielange weiße Unterhose, die mit hübschen Rüschchen besetzt ist.
Wie wird das Schultertuch getragen?
Während im Winter meist eine langärmelige Jacke, die Mutzen, angezogen wird, legt Frau im Sommer ein buntes Schultertuch um. Das Tuch wird vorne in der Mitte über Kreuz mit einer Brosche befestigt und dann die Schürze darüber gebunden.
Kann die fränkische Tracht mit Dirndl und Lederhose mithalten?
Auf jeden Fall. "Unsere Tracht ist viel schöner als Lederhose und Dirndl", sagen der 17-jährige Julian Schäfer aus Geldersheim und seine 21-jährige Tanzpartnerin Antonia Hock aus Röthlein.